PAGE online

Best-of Indie-Mags: Ruhm & Ego

Interview-Reihe über Indie-Mags und ihre Macher: Heute Sophia Weider und Lucas Hesse vom Hamburger »Ruhm & Ego« Magazin, das zeigt was alles entsteht, wenn man einfach mal macht.

In PAGE 2.2021 zeigen wir die aktuell spannendsten Independent Magazine, erzählen wie sie entstehen und von ihren Machern. Hier die Interviews mit ihnen.

Heute mit Sophia Weider und Lucas Hesse aus Hamburg, die mit Ruhm & Ego zeigen, was man alles auf die Beine stellen kann, wenn man einfach mal loslegt, wenn man eine Idee hat. Ganz so wie die Leute, die die beiden Kommunikationsdesigner porträtieren – und ganz so wie ihr Magazin mit packendem Inhalt und großartigem Editorial Design entstand.

Wie ist die Idee zu dem Magazin entstanden? Und wie hat sie sich nach und nach entwickelt?

Sophia Weider: wir haben beide Kommunikationsdesign studiert und schon während dessen immer wieder Magazine gemacht, aber eben nur Uni-intern. Eines Tages saßen wir zusammen auf der Parkbank und haben mal wieder philosophiert was wir denn alles machen können und dabei ist »Ruhm & Ego« entstanden. Noch auf dem Nachhauseweg haben wir über geeignete Namen nachgedacht, zu Hause sofort eine Domain gebucht. Wir haben also einfach gemacht, ganz so wie auch das Thema von »Ruhm & Ego« ist.

Und wie ist das Heft selbst entstanden?

Lucas Hesse: Wir beide haben alles selbst gemacht bei dem Magazin. Die Aufgaben haben wir etwas aufgeteilt. Während Sophia sich etwas mehr um das Redaktionelle gekümmert hat, die Interviews betreut hat, Texte geschrieben und alles organisiert, war ich eher für die Gestaltung zuständig. Da wir zusammenleben, fand aber ein permanenter Austausch statt, wir haben uns non-stop besprochen und Sachen gemeinsam entschieden.

Wie habt ihr das aufregende typografische Editorial Design entwickelt?

Lucas: In der Hochschule Mainz lag ja immer schon ein Schwerpunkt auf Editorial Design und es wurde sehr viel Wert darauf gelegt, zu experimentieren. Deshalb war der Schritt zu einem Editorial Design wie bei »Ruhm & Ego« gar nicht so weit. Mir war wichtig, dass wir uns in dem Stil, den wir dort über die Jahre entwickelt haben, ausleben. Aber auch, ganz dem Thema des Magazins gemäß, einfach zu machen und loszugestalten. Darüber hinaus sollte die Gestaltung aber auch die Ideen der Menschen, die in dem Heft vorgestellt werden, widerspiegeln. Viele der Geschichten sind etwas vorbei am Mainstream, sind Side-Projekte. Deswegen sollte auch die Gestaltung nicht zu glatt sein, ruhig mal anecken und auch das Ausprobieren thematisieren, das freie Arbeiten ohne dass man sich zu viele Gedanken darüber macht, ob sich etwas auch verkauft oder einen Nerv trifft.

Wie habt ihr das Magazin finanziert?

Sophia: Das haben wir selbst vorfinanziert und deswegen auch im ersten Schwung noch nicht so viele Hefte gedruckt. Geplant ist, die Auflage langsam zu steigern.

Lucas: So hat man auch nicht Kartons voller gedruckter Hefte herumstehen, die man dann vielleicht doch nicht braucht.

Plattform für Typografie und Fotografie


Das Magazin ist herrlich pointiert und vor allem in schwarzweiß gestaltet und mit ein paar Farbfotografien versetzt … Habt ihr so aus dem Kostendruck das Beste gemacht?

Lucas: Natürlich sind die Kosten wichtig. Aber wenn man unseren Stil kennt, dann ist klar, dass wir keine Fans von großen bunten Dingen sind. Deswegen ist das Magazin aus rein ästhetischen Gründen auf schwarzweiß reduziert. Gleichzeitig war es uns bei der Fotografie aber auch wichtig, einen kleinen farbigen Gegenpol zu haben. Es sollte auf keinen Fall trist wirken.

Wie ist denn die Zusammenarbeit mit Leonhard Laupichler entstanden? Seine Schrift Arachne Mortal durchzieht das Heft.

Lucas: Wir haben uns mal auf einem Workshop in Mannheim kennengelernt und hatten dann immer mal wieder Kontakt. Seine Schrift Arachne Mortal hatte er vor ihrer Veröffentlichung verschiedenen Gestaltern zur Verfügung gestellt und da wir sowieso geplant hatten, Ruhm & Ego wechselnden Schriftgestaltern als Plattform zur Verfügung zu stellen, haben wir ihn gefragt, ob wir seine Schrift verwenden können. Und in dem Zuge ist dann auch ein Artikel über ihn erschienen, der Leonhard selbst und auch seine Schrift vorstellt. Ähnlich war das auch mit der Fotografin Cilia Patolas. Jede Ausgabe möchten wir einem anderen Fotografen zur Verfügung stellen und dessen Bilder den einzelnen Geschichten assoziativ zuordnen. Das gefällt uns sehr gut, weil so die Stile nicht wild wechseln, sondern eine Bildsprache das ganze Heft hindurch vorhanden bleibt.

Wie habt ihr die Personen gefunden, die ihr in »Ruhm & Ego« porträtiert? Dazu gehören nicht nur Kreative sondern zum Beispiel auch Jemand, der einfach ein Ladenlokal angemietet hat und dort Ausstellungen macht oder ein anderer, der nicht nur Bücher schreibt sondern auch mit Absinth experimentiert und zudem eine Ausbildung als Heilpraktiker macht.

Sophia: Es ist interessant, was sich alles ergibt, wenn man die Ohren weit offen hält. Auf diese Weise ist viel passiert. Hat uns jemand etwas über einen Freund oder Bekannten erzählt, der etwas spannendes macht, haben wir nachgehakt und wenn er ins Heft passte, sie oder ihn angeschrieben.

Auch Freunde von Freunden sind dabei.

Sophia: Genau. Heute sind sie ja sehr bekannt, aber angefangen haben sie auch durch ein einfach mal machen. Sie haben die Wohnungen von Leuten vorgestellt, die sie spannend fanden. Meistens hinterfragt man ja bei so erfolgreichen Leuten gar nicht, wie alles begann. Doch sie haben auch einfach losgelegt und deshalb sind sie im Magazin.

Lucas: Gleichzeitig war uns wichtig, dass bei der Auswahl der Interviews auch eine bestimmte Spannung entsteht, dass sie aus unterschiedlichen Ecken kommen. Es hat uns sehr gefreut, dass sie Lust und Zeit hatten mitzumachen, denn wenn man sich das Gespräch durchliest, erfährt man, wie viel sie eigentlich zu tun haben. Wir haben aber auch immer noch eine ganze Liste an Leuten, die wir auch noch vorstellen wollen und auch noch ein paar fertige Interviews parat. Die erste Ausgabe ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen was noch auf unserer Liste ist.

Design, das Normen bricht

Wie war es völlige Freiheit in der Gestaltung zu haben?

Lucas: Das war natürlich schön. Dass das Magazin auch auf dem Markt funktionieren muss, habe ich verdrängt und einfach drauflosgemacht. Etwas problematisch an der Freiheit aber war, dass ich nach einiger Zeit wenn die Entwürfe etwas lagen und ich neu draufgeschaut habe, jedes Mal wieder von vorne anfangen wollte, weil ich dachte, dass da doch sicherlich noch mehr geht. Die Gestaltung hat sich so oft verändert, bis Sophia immer wieder gesagt hat »Schluss jetzt, wir fügen die Geschichte jetzt so ein«. Aber natürlich war es sehr sehr schön die Freiheit zu haben und sich auszuleben.

Gab es etwas, was du schon immer gestalterisch umsetzen wolltest und es in Ruhm & Ego endlich realisieren konntest?

Lucas: Ich finde es generell interessant, Normen zu brechen und Dinge gestalterisch auf den Kopf zu stellen. Zum Beispiel Seitenzahlen ganz groß zu ziehen oder sie mitten in den Text zu stellen. So etwas hat mich schon immer interessiert und es hat Spaß gemacht, es in »Ruhm & Ego« umzusetzen. Gestalterische Details wie diese, die etwas gegen die Norm anarbeiten, finden sich immer wieder in dem Heft.

Was hat denn am meisten Spaß gemacht?

Sophia: Das Ganzheitliche, das man von der ersten Idee bis zum Vertrieb für alle Schritte verantwortlich war und gesehen hat, wie es funktioniert.

Lucas: Eines der Highlights war auch die Indiecon. Wir haben dort so viele Leute kennengelernt und es war so inspirierend. Das war ein wirkliches schönes Topping am Ende der ersten Produktion.

Über das Heft hinaus plant ihr auch Veranstaltungen passend zu dessen Themen, oder?

Lucas: Ja, wir haben Workshops geplant, in denen es um das einfach machen geht, um Themen wie Entscheidungsfindung und vielleicht auch um Gestaltung. Gleichzeitig sollen sie zum Austausch anregen. Corona-bedingt mussten wir sie verschieben, haben aber viele Ideen.

Habt ihr auch schon eine zweite Ausgabe geplant?

Sophia: Ja, sind gerade dabei, konkreter daran zu arbeiten, Interviewpartner auszuzuchen, Typedesigner und Fotografen.

Lucas: Es soll auf jeden Fall weitergehen, denn dafür hat es einfach zu viel Spaß gemacht.

Ruhm & Ego Einfach Machen Magazin; Hamburg, seit 2020; 96 Seiten; 15 Euro; Ruhm & Ego

Weitere Interviews: Aaron Beebee und Thomas Schostock von Plastikcomb; Lisa H. Moura vom Alien Magazine; Anna Broujean von Club Sandwich, Lukas Dubro vom Kapsel Magazin

Produkt: Download PAGE - Type Foundries gründen - kostenlos
Download PAGE - Type Foundries gründen - kostenlos
Report: Existenzgründung im Bereich Type Foundries – Marketing, Lizenzfragen, Kundenpflege, Rechtsformen, Versicherung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren