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Werdet kreativ, Leute! Neuer Teil der Siebert-Kolumne

Lasst uns Ideen entwickeln und kooperieren, meint unser Kolumnist Jürgen Siebert.

Jürgen siebert, Sieberts Fundstücke
Foto: Norman Posselt

Noch im Februar verfolgten wir die Ausbreitung des Coronavirus in China wie Zaungäste. Anfang März dann sorgte Covid- 19 in Deutschland für eine Vollbremsung von Wirtschaft und öffentlichem Leben. Was auch immer ich heute, am 11. März, darüber schreibe, wird morgen überholt sein. Zum retrospektiven Verständnis die Corona-Meldungen des Tages: Morgen findet das erste Fußball-Bundesligaspiel ohne Zuschauer statt, Berlin schließt sofort alle Opern und Theater, Businesskonferenzen werden reihenweise abgesagt, und am Abend gibt James Blunt sein Konzert in Hamburg vor leeren Rängen, um es wenigstens live zu streamen. Die laufende Statistik: 1622 Coronavirus-Erkrankte im Land, 3 Todesfälle. Die Aussichten: Alle drei Tage verdoppelt sich die Zahl der Infizierten.

Die Frage steht im Raum, wie sich dies alles auf die Kreativbranche auswirken wird. Aus früheren Krisen wissen wir, dass im Marketing zuerst gespart wird. Lufthansa bestätigte das schon am 6. März gegenüber »w&v«: »Wir setzen aktuell zahlreiche Maßnahmen zur Kostensenkung um. Dazu zählt, dass Lufthansa ihre Marketing- und Werbemaßnahmen bis auf Weiteres aufs absolute Minimum reduziert beziehungsweise vollständig aussetzen wird.« Weitere Ankündigungen werden folgen sowie Messeabsagen, Budgetkürzungen, Kurzarbeit und vieles mehr. Was tun?

Auf keinen Fall in Lethargie versinken, sondern auf das Talent setzen, für das wir seit Jahren bezahlt werden: Kreativität. Wo sollen denn die Ideen herkommen, wenn nicht von uns? Werden Industrien aus dem Alltagstrott gerissen, bietet sich die Gelegenheit, Strategien zu überdenken und vielleicht längst geplante Projekte zu realisieren. Dazu sollten wir unsere Auftraggeber animieren. Bei aller verständlichen Sorge darf man nicht vergessen, dass die Menschen nicht einfach ihren Alltag einstellen: Es wird auch weiterhin konsumiert.

Wer jetzt an Einsparungen oder Werbeverzicht denkt, bestätigt nur das Klischee, dass Marketing ein Schönwettergeschäft ist. Gerade in Krisensituationen sind Design und Kommunikation gefordert. Denn ein Thema, das aktuell für einen Großteil der Gesellschaft relevant ist, bietet auch die Bühne, um Marken eine bewusstere Wahrnehmung zu verschaffen. Entscheidend dabei ist, ehrlich und authentisch zu agieren, um in einem beunruhigenden Umfeld Kompetenz zu demonstrieren.

Wie sich kreativ auf die Krise reagieren lässt, zeigen erste, schnell gestrickte Projekte wie das des britischen Designers William Gibson. Seine Anleitung zum richtigen Händewaschen kann man mit dem Text eines selbst gewählten Lieblingssongs synchronisieren, sodass sich die 30 Sekunden singend besser durchhalten lassen. Mein Tipp: »Morning Has Broken« von Cat Stevens.

Michael Preidel, freier Artdirektor in Berlin, hat einen iOSKurzbefehl entwickelt, der die weltweite Covid-19-Ausbreitung als Tabelle tagesaktuell aufs Handy bringt. Jonathan Fritz baut unter https://gegen-den-virus.de gerade ein Portal für Nachbarschaftshilfe auf und sucht noch Programmierer. Das heißt: Lasst uns kooperieren! Unser Vorteil sind die digitalen, vernetzten Produktionsmittel, mit denen wir selbst aus einer häuslichen Quarantänesituation heraus arbeiten können.

Auch an Kunsthochschulen werden Ideen geschmiedet, wie sich der Lehrbetrieb fortsetzen lässt. Indra Kupferschmid twittert: »Denke gerade über angepasste Inhalte/Methoden für meine im April beginnenden Designkurse nach, die online realisiert werden können.« Bei theoretischen Themen sei das leicht möglich, bei praktischer Kunst und Design schwieriger; sie ausfallen zu lassen zeuge aber von Faulheit. »Werdet kreativ, Leute!«, lautet ihr Appell.

Eins ist sicher: Nach Corona wird unsere Branche eine andere sein als zuvor.

Eins ist sicher: Nach Corona wird unsere Branche eine andere sein als zuvor. Für Spekulationen oder Ratschläge ist es noch zu früh. Ich lasse mich ja gerne von den unbefangenen Weisheiten der Kanzlerin inspirieren, die heute auf der Bundespressekonferenz sagte: »Statt Handschlag lieber mal eine Sekunde länger in die Augen schauen und lächeln.«

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