Virtual Reality, Game Design, 3D-Druck: Derzeit erlebt 3D Modeling einen wahren Aufmerksamkeitsschub. Produkt- und Bühnendesign, virtuelle Architekturmodelle, historische Simulationen, medizinische Bildgebung und natürlich Kinofilm, sei es komplett animiert oder mit Spezialeffekten versehen: Die Kreativdisziplin 3 Modelling ist aus so vielen bildgebenden Bereichen nicht mehr wegzudenken, dass es sich lohnt, die Erstellung von 3D-Charakteren, 3D-Szenerien und Spezialeffekten zum Beruf zu machen und eine Jobkarriere als 3D Artist zu starten. Auch in Werbung und Webdesign zahlt sich Know-how im Bereich 3D Modeling aus. Etwa bei der Entwicklung und Programmierung von 3D-Animationen in der Produkt- und Markenkommunikation (3D-Werbespiele, Logoanimationen et cetera) oder 360-Grad-Darstellungen und 3D-Konfiguratoren in Onlineshops. 3D-Shop-Konfiguratoren werden bevorzugt mit vorgefertigten 3D-Models erstellt, weil sich die Flut der möglichen Produktvarianten nur mit erheblichem Aufwand »einfach« abfotografieren ließe. Ähnliches gilt für 360-Grad-Produktdarstellungen: Auch hier verwendet man 3D-Models, weil sich Produktänderungen mittels 3D-Modeling viel schneller anpassen lassen, als es mittels Fotografie möglich wäre.
3D-Modeling-Software Autodesk Maya, 3ds Max, Softimage, Blender, Adobe After Effects, 3DCrafter, Cinema4D, Unity, Poser, LightWave et cetera – die Liste der freien und proprietären 3D-Modeling-Programme ist lang. Zum Einsatz kommen sie überall dort, wo 3D-Computergrafiken – sei es in Bewegtbild oder als Stillleben – erstellt werden sollen. In ihnen erstellen 3D Designer mithilfe von Drahtgittermodellen, 3D Meshes und Polygonnetzen, dreidimensionale Objektoberflächen oder Szenerien und versehen diese mit realistisch anmutenden oder dem jeweiligen Styleguide entsprechenden Oberflächentexturen. Das so entstandene 3D-Modell wird dann mittels 3D-Rendering-Software in ein zweidimensionales Bild umgewandelt.
Grafik-Performance als besondere Herausforderung Performance-Probleme waren seit jeher die große begrenzende Kraft von 3D-Anwendungen – denn 3D-Grafiken fressen enorme Rechnerleistung, es sei denn man zähmt die Prozessorlast, indem man die 3D-Daten schon in der Entwicklung schlank hält oder mittels entsprechender Workarounds für die unterschiedlichen Endgeräte filtert. So stellt in vielen Fällen nicht so sehr das Erstellen von 3D-Welten die besondere Herausforderung dar, sondern die Aufbereitung der Daten für eine einwandfreie Ausspielung auf allen Endgeräten. Eine weitere Herausforderung war es lange, 2D- und 3D-Grafiken direkt im Webbrowser abzuspielen – bis WebGL den 3D-Grafiken und -Szenerien ihren Weg ins Netz ebnete. Mithilfe der JavaScript-Programmierschnittstelle lassen sich 3D-Grafiken hardwarebeschleunigt ohne Erweiterungen im Webbrowser abspielen. Mehr über 3D-Modelling im Zusammenhang mit Performance-Anforderungen im Zeichen von WebGL – auch angesichts von Mobile First – erfahren Sie im PAGE eDossier »WebGL: Making-ofs & Workshops«.
Umfangreiche Informationen, welche 3D-Modeling-Software für welche Designherausforderung am besten geeignet ist, finden Sie auf der Software-Review-Plattform G2 Crowd, beim 3D-Druck-Magazin All3DP, beim Online-3D-Druckservice Sculpteo, beim 3D-Druck-Informationsportal 3Dnatives und auf der Produktempfehlungs-Plattform Slant.
Step-by-Step-Tutorials, Branchenreports und Cases zum Thema 3D-Modeling gibt’s hier:
Das Künstlerduo Zim&Zou (www.zimandzou.fr) aus Nancy gestaltete einen eleganten Fuchsbau aus Papier für das Schaufenster des Hermès-Stores in Barcelona baute. Die Vorarbeiten für die minutiöse Faltarbeit gelangen mit einfachem 3D Modeling in SketchUp und Pepakura Designer
Zim&Zou nennt sich das Künstlerduo Lucie Tomas und Thibault Zimmermann aus dem französischen Nancy. Nach dem Grafikdesignstudium spezialisierten sich die beiden auf handgefertigte Kreationen aus Papier, Holz, Garn oder auch Leder. Ihr Projekt »The Fox’s Den« ist ein märchenhaftes Schaufenster für den Hermès-Store in Barcelona, das sie als Zuhause für einen Gentleman Fuchs mit all seinen Lieblingsaccessoires einrichteten. »Wir lieben Füchse. Die haben Klasse, sind smart und haben als Hühnerdiebe den Hauch von Banditen«, erklären sie.
Schon an der Gestaltung von Objekten wie dem alten Telefon saßen die Designer zwei Tage, der ganz aus Lederfransen bestehende Fuchs war aber noch weit komplexer: Für ihn benötigten sie ganze 15 Tage. Lederelemente zieren auch andere Gegenstände im Schaufenster, zum Beispiel das Telefonkabel oder die Bucheinbände. Dafür nutzte Zim&Zou Reste aus der Hermès-Manufaktur, die den Farben ihrer Vorlagen entsprachen. Die Produktion aller Objekte dauerte etwa sechs Wochen, der Aufbau der Installation im Schaufenster dafür nur einen Tag. Dann konnten die Passanten auf Barcelonas Prachtstraße Passeig de Gràcia den wundersamen Fuchsbau bestaunen.
Zum Papier kam das Duo über die Großeltern von Lucie Tomas, die in einer Papierfabrik in den Vogesen arbeiteten. Auf diese Weise konnten sie stets an unverkaufte Papierstapel gelangen. Im Kontrast zu der vielen digitalen Arbeit mit Photoshop, InDesign oder Illustrator wollten die beiden wieder mehr mit greifbarem Material umgehen. »Wir hatten das Bedürfnis, etwas Reales in den Händen fühlen zu wollen, anstatt immer nur auf den Pixel-Screen zu schauen«, sagt Thibault Zimmermann. Eines ihrer ersten Objekte war die realistische Nachbildung eines Gameboys aus Papier in grellen Farben, um das Material in seiner Plastizität und Präsenz zu betonen. Mittlerweile haben auch große Marken den Appeal von Papierobjekten entdeckt: Zim&Zou realisiert Kulissen, Sets und Installationen für »The Washington Post«, IBM, Microsoft oder das diesjährige SXSW-Festival.
Ihre Objekte arbeiten die Designer zunächst detailliert in 3D aus, schneiden sie dann aus und kleben sie zusammen (siehe Seite 90 f.). Die Vorzeichnungen fertigen sie meist von Hand oder gleich direkt in Illustrator. Die Entwürfe bringen sie dann mit dem 3D-Modelling-Tool SketchUp in eine dreidimensionale Form. Das hilft ihnen besonders bei runden Objekten, um schließlich mit Pepakura Designer die richtigen Faltungen für die Papercraft-Modelle zu generieren. Dabei teilen sie sich die Aufgaben: Während Thibault Zimmermann mehr Spaß am Zuschneiden hat, klebt Lucie Tomas gerne alles zusammen. »Das Tollste sind die Tiere, weil wir da immer von unten anfangen und uns dann bis zum Kopf nach oben vorarbeiten. So sehen wir erst ganz am Ende das fertige Gesicht, und das macht am meisten Freude.«
Autor: Verena Dauerer (PAGE 12.2014)
Der Postproduktionsspezialist Benjamin Wiesse erschafft fantastische Hybridwelten, die die Grenzen zwischen Fotografie und Illustration verschwimmen lassen. Hier zeigt er Step by Step, wie er bei seinem preisgekrönten Artwork »Gaspard Bonnet, Le Directeur« vorgegangen ist
Benjamin Wiesse ist studierter Fotodesigner und nahm bereits in seiner Zeit als Assistenzfotograf erste Jobs in der Postproduktion an. Den Umgang mit CGI hat er sich selbst angeeignet. In meist freien Projekten baut Benjamin Wiesse zum Beispiel 3D-Modelle in Fotos ein – oder umgekehrt. In der daran anschließenden Postproduktion passt er dann Licht und Details der unterschiedlichen Elemente aneinander an. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit mit dem Fotografen. Daher ist es gut, wenn dieser ein grundsätzliches Verständnis dafür mitbringt, worauf es beim Zusammenspiel von Fotografie und CGI ankommt. Wiesse arbeitet bei vielen Projekten mit Alex Pusch zusammen, inzwischen sind die beiden ein eingespieltes Team.
Für die Retuschen nutzt Benjamin Wiesse hauptsächlich Photoshop. Im Bereich 3D-Modelling kommen Luxologys Modo, fürs Rendering Maxwell Render zum Einsatz. »Modo eignet sich besonders gut für Fotografen, weil es weniger Funktionen als das weit verbreitete Maya hat«, erklärt der Digital Artist. Dadurch sei es übersichtlicher. Auch Maxwell Render ist seiner Ansicht nach optimal für Arbeiten mit Fotografie, weil man darin Blende und Belichtungszeit einstellen und so beispielsweise ganz leicht die Schärfentiefe der Bilder übernehmen könne. »Es entsteht schnell ein fotorealistisches Bild – bei anderen Renderern muss man dazu noch viel mehr einstellen«, sagt Wiesse.
Die Entscheidung, welche Elemente fotografiert und welche modelliert werden, muss möglichst früh in der Produktion getroffen werden und ist für Benjamin Wiesse immer eine Frage des Aufwands. »Macht es weniger Arbeit, würde ich immer fotografieren«, sagt er. »Bei der Entscheidung hilft mir, dass ich selbst Fotograf bin. So kann ich das besser beurteilen.« Durch reduzierte Farben und dramatische Belichtung gibt Wiesse seinen hybriden Bildwelten eine mystische Atmosphäre, die den Betrachter dazu bringen soll, nochmals hinzusehen.
Besonders wichtig ist Wiesse, dass das zusammengesetzte Bild am Ende realistisch aussieht. Viele der aktuellen Werbeproduktionen erscheinen ihm sehr übertrieben. »Da kommt das Licht zum Beispiel aus drei Richtungen gleichzeitig . Ich mag es aber lieber, wenn das Bild klar ist und die CGI und die Post für das Bild gemacht werden – und nicht andersherum.«
Autor: Franziska Beyer (PAGE 08.2013)
Von Printanzeigen über Architekturvisualisierungen bis hin zu Hollywood-Streifen – mit ihrer Imaginationskraft sind 3D Artists in sämtlichen kreativen Disziplinen unverzichtbar geworden
Mit wackliger Hand geführt, nähert sich die Kamera den fliegenden Bauten. Alles scheint dem Zuschauer vertraut, alles sieht aus wie Kirmes, fühlt sich danach an. Doch der Schein des Gewöhnlichen trügt. Es ist kein simples Kettenkarussell, in dem Menschen gemächlich im Kreis schwingen. Stattdessen schleudert dieses kuriose Fahrgestell seine Mitfahrer an Abertausend Armen durch die Luft. Es ist ein unheimliches und fesselndes Spektakel, das der Hamburger CGI-Künstler und Regisseur Till Nowak in seinem Kurzfilmprojekt »The Centrifuge Brain Project« entfaltet. Für die fiktive Dokumentation hat er sieben solcher monströser Apparate entwickelt, mit deren Hilfe Wissenschaftler die Schwerkraft zu überwinden versuchen.Zwar lässt Till Nowak seine Forscher noch mit Karussells gegen die Physik kämpfen – er selbst benötigt jedoch lediglich die 3D-Modelling- und Animationssoftware 3ds Max sowie Aufnahmen vom Hamburger Dom, um die Wirklichkeit zu manipulieren. Aus diesen Live-Bildern extrahierte er die 3D-Struktur von Achterbahn und Riesenrad und verformte sie zu seinen bizarren Maschinen, um sie anschließend wieder in das Filmmaterial zu montieren und per Match-Moving-Verfahren zu animieren. »Natürlich muss man eine gewisse Durststrecke überwinden, bis man mit der Software wie mit einem verlängerten Arm umgeht. Aber wer sich da durchkämpft, der kann sie wie einen digitalen Zauberkasten verwenden, mit ihrer Hilfe die Wirklichkeit in ihre kleinsten Elemente zerlegen, Naturgesetze außer Kraft setzen und jede noch so abstrakte Idee umsetzen«, erzählt Nowak, der sich wie viele 3D-Artists bereits im Teenageralter in die Software eingearbeitet hat und heute, nach einigen Jahren in der Werbe- und Designbranche, für große Filmproduktionen wie Aardman Animations tätig ist.
3D Art, früher noch Nische für Gamedesigner und Animationsspezialisten, ist eines der rasant wachsendsten Arbeitsfelder für Designer geworden. Ihren Erfolg verdankt die Disziplin insbesondere der technischen Entwicklung, die der »digitale Zauberkasten« in den letzten drei Jahrzehnten durchlaufen hat. Seit CGI-Bilder fotorealistisch wiedergegeben werden können und Methoden wie etwa das Match Moving es erlauben, Live-Aufnahmen digital zu manipulieren und computergenerierte Objekte zu integrieren, sind völlig neue Visualisierungs- und Anwendungsmöglichkeiten entstanden.
Verlage, TV-Produktionen, Design- und Architekturbüros, Werbeagenturen, Innovationsfirmen – sie alle buhlen heute um 3D-Artists, also um diejenigen, die sich darauf verstehen, Informationen und Geschichten, Prozesse und Produkte in 3D-Programmen zu visualisieren. Die Arbeiten der CGI-Experten lassen sich besonders intensiv auf Medien wie Multitouch-Tischen, mobilen Endgeräten und Websites erleben. Für diese erstellen sie komplexe Welten, in die der User interaktiv eintauchen kann, um beispielsweise das menschliche Gehirn in 3D zu erkunden.
Stark gestiegen ist der Bedarf an 3D Artists vor allem in Industriebereichen, in denen früher Prototypen physisch hergestellt wurden – allen voran Autoindustrie und Immobilienbranche. Letztere suchte ab 2005 händeringend nach neuen Marketingtools. So erhielten Bauträger in den USA erst grünes Licht, wenn 70 Prozent der Immobilie verkauft waren. Zugleich ließen sich Hauskäufer kaum noch von Grundrissplänen überzeugen. Man suchte emotionalere Vermarktungsstrategien und fand sie in Form von Architekturvisualisierungen. Einer der ersten Anbieter war Marc Gruber-Laux: »Die Menschen wollen im Detail wissen, wie ein Haus aussehen wird. Diese Bilder geben wir ihnen«, sagt der studierte Architekt.
Im Jahr 2005 stand Gruber-Laux vor der Alternative, für wenig Geld in großen Architektenbüros zu ackern oder sich etwas zu suchen, bei dem er das verfolgen konnte, was ihn an Architektur seit jeher am meisten reizte, der kreative Part: das freie Entwerfen und Konzipieren, ohne die Umsetzung berücksichtigen zu müssen. Er entschied sich gegen den Architektenalltag und gründete mit seinem amerikanischen Partner Alpha Vision die Firma pure rendering, ein Studio für 3D-Visualisierungen mit Hauptsitz in Berlin. Anfangs erhielten sie vor allem Aufträge von Bauträgern und Architekten, gerade während des Baubooms in Dubai und den USA. Mittlerweile gehören auch Agenturen und Designer zu ihren Kunden. Für sie erstellt das 40-köpfige Team Produktbilder, Kataloge und Werbefilme, in denen es die Objekte von ThyssenKrupp oder Philipp Starck in fiktiven Showrooms in Szene setzt. »Wir erschaffen einen Lebensraum, in dem die Produkte ihre Wirkung entfalten könnten. Wirklichkeit werden diese Räume nur selten. Wir gestalten einfach perfekt arrangierte Bilder«, erklärt Gruber-Laux.
Die Briefings für pure beschränken sich dabei oft auf vage Skizzen der Atmosphäre. Deshalb produzieren die Visualisierungsspezialisten viele unterschiedliche Szenerien, die jeweils auf unterschiedliche Kundentypen zugeschnitten sind. Mal implementieren sie einen Thyssen Home Elevator in ein britisches Landhaus, mal in eine moderne Großstadtwohnung. Architektur und Inventar entwickelt das Team aus Architekten, Designern und 3D-Artists teils komplett von der Skizze an, teils erhalten sie 2D-Material und erste Vorentwürfe. Diese kombinieren sie oft mit Stockmaterial, um das Landhaus mit Hund und Reiterhut lebendig wirken zu lassen. Diese Raumimpressionen setzt pure mittlerweile ebenfalls für Filmproduktionen um und erstellt Previsuals für Filmsets. Denn hier ebenso wie in anderen Bereichen gilt: Für viele Menschen ist es einfacher, über ein Produkt oder einen Auftrag zu entscheiden, wenn sie ein Bild davon in ihren Händen halten.
Auf Emotionen setzt auch die Autobranche, besonders wenn es um neue Modelle geht. Um diese so lang wie möglich geheim zu halten und dennoch zu fotografieren, haben die Hersteller früher viel Aufwand betrieben. Riesige Gelände absperren und einen Truck mit dem Prototyp an einen abgelegenen Ort schicken, das ist allerdings passé. Heute reist lediglich ein Fotograf mit seinem Team an die vorgesehene Location. Der Prototyp liegt dabei als digitales Modell vor, das ein 3D-Artist während des Shootings in das gerade abgelichtete Landschaftsmotiv einsetzt. Das spart zwar viele Kosten und Logistikaufwand, für den Fotografen erschwert es jedoch die Arbeit. »Er muss das komplette Shooting ohne Produkt abwickeln und dabei versuchen, die beste Inszenierung zu finden, die beste Stimmung und die beste Perspektive«, so Tim Rau, Leiter der 3D-Abteilung bei RTT in München, einem der größten internationalen Anbieter für Visualisierungen. »Dafür erhält er die Vorvisualisierungen. Aber je nach Einstellung muss er neue Faktoren bedenken und viele Details im Blick haben, die Reflexionen der Landschaft im Kotflügel zum Beispiel. Wir brauchen sehr viel Material von der Umgebung, damit unser Bilder so realitätsnah wie möglich sind.«
Zum Teil verzichten Agenturen sogar ganz auf ein Shooting und beauftragen direkt ein Team aus 3D- und 2-D-Artist, das Produkt zu generieren und in Szene zu setzen. Wesentliche Eigenschaften und Verhalten des Objekts kann das Duo schnell im 3D-Programm ändern, Feinheiten wiederum in Photoshop zurechtrücken. »Als Experte für Visualisierungen ist man in erster Linie Dienstleister. Man wird mit Informationen gefüttert und setzt sie dann per 3D-Software um. Aber wie Word nicht dafür sorgt, dass man einen tollen Roman schreibt, sorgt auch 3ds Max nicht dafür, dass die Grafik den Kunden überzeugt«, erklärt Olaf Dittmers, der mit seiner kleinen Berliner Firma Polygonpusher für verschiedene Agenturen arbeitet. Eine gute Visualisierung hänge vom kreativen Feingefühl des Gestalters ab, so Dittmers. Man müsse die Fähigkeit haben, die abstrakten Informationen in Atmosphäre und Emotion zu übersetzen.
Den Betrachter visuell packen, das will auch Gamedesigner Matt Nava mit seinen 3D-Grafiken. Darin sieht er die wesentliche Leistung seiner Disziplin. »Mithilfe von 3D-Animationen kann man eine einnehmende und intensive Atmosphäre erzeugen. Unsere Videogames leben davon. Sie schaffen eine Welt, die den Spieler gefangen nimmt«, erklärt er. Matt Nava arbeitet für ThatGameCompany in Los Angeles. Das kleine Studio ist bekannt für seinen künstlerischen Anspruch sowie seine Suche nach einem ästhetischen Spielvergnügen. Im Gegensatz zu populären Egoshootern sind ihre Games von einer schlichten Spielführung geprägt, die den User durch aufwendig inszenierte Landschaften trägt.
Und so waren es letztlich auch seine Landschaftsbilder, die Matt Nava seinen Job als Lead Artist bei ThatGameCompany einbrachten – um genau zu sein: seine Wüstenszenen. Diese entdeckte seine heutige Chefin, Artdirektorin Jenova Chen, auf der Werkschau von Navas Jahrgang am Otis College of Art und Design in Los Angeles. Nur wenige Monate später holte sie den 3D-Artist zu sich ins Team und übertrug ihm die Verantwortung für das Visual Design des Games »Journey«, also die Ausgestaltung der Szenerie und der Figuren, aber auch des Logodesigns. »Das allererste 3D-Game, mit dem ich jemals in Berührung kam, war ›Mario 64‹. Das hat mich damals einfach umgehauen. Ich wollte auch solche immersive Welten bauen und sie mit Charakteren füllen. Als ich eines Tages eine Kopie von Cinema 4D in die Hände bekam, habe ich die Chance genutzt und es mir per Trial and Error selbstständig beigebracht. Jetzt zahlt sich die Mühe aus und ich kann meine Ideen im Gamedesign ausleben«, erzählt der 25-Jährige.
Beim Environmental Design konnte sich Matt Nava an seinen Wüstenbildern orientieren, die Ausgestaltung der »Journey«-Figuren nahm dagegen sehr viel mehr Zeit in Anspruch. Für das Charakterdesign fertigte er zunächst Hunderte von Skizzen per Bleistift an, setzte diese in groben Animatics um, nur um herauszufinden, welche Form am besten passt. Denn ein wichtiger, für das Visual Design nicht einfacher Aspekt bei dem Spiel ist, dass der Protagonist nicht in der Lage ist zu klettern. Um diese Information visuell zu vermitteln, entschied sich das Team, auf die Arme zu verzichten, was aber nicht grausam oder gruselig wirken durfte. Außerdem sollte die Figur in den Wüstenlandschaften problemlos zu erkennen sein: »Ich habe mich schließlich insgesamt für simple, eher klobige Charaktere entschieden. Das Design basiert auf wenigen Dreiecken. Die einfachste Lösung ist meist die beste, allerdings auch die, die am schwersten zu finden ist.«
Viel zeichnen, ein 3D-Programm beherrschen und ein Meister in Photoshop sein – wer diese Skills mitbringt, erfüllt die Voraussetzungen für den Einstieg ins Gamegeschäft, meint Matt Nava. Er selbst experimentiert momentan mit Processing, baut an einem Zeichenprogramm namens Nava-Shop sowie an »Galaxitor«, einem einfachen Shooter. Dabei verfolgt er weder das Ziel, Photoshop neu zu erfinden noch das Shooter-Genre zu revolutionieren, sondern die dahinterliegenden technischen Prozesse besser zu verstehen. Schließlich muss er sich sowohl mit den Programmierern als auch den Konzeptionern von »Journey« eng abstimmen. Neugier für die Technologie und Spiellogik seien für ihr Teamwork sehr hilfreich, so der Designer.
Es zieht, es zerrt. Zäh windet sich die Masse, bis schließlich ein Mobiltelefon aus ihr herausbricht. Das HTC Sensation wird geboren – direkt aus einem Lautsprecher. Genau 50 Sekunden pures Motiondesign hat Roman Rütten hier kreiert und damit endlich das erreicht, worauf er lange hingearbeitet hat. Er ist Motiondesigner und für eines der angesagtesten Studios weltweit tätig: 1stAveMachine. Dass er heute in New York ein Team von 3D-Artists führt – das ist für den 26-Jährigen die Erfüllung eines großen Traums. »Ich weiß noch genau, wann ich das erste Mal bewusst 3D-Art und Motiondesign wahrgenommen habe. Im Sommer 2007, kurz bevor ich an die Design Factory ging, entdeckte ich das Showreel von Motiondesigner Chris Hewitt aka Dstrukt. Damals dachte ich, das werde ich wohl nie können.«
Versuchen wollte es Roman Rütten aber und schrieb sich für den Kurs von Niko Tziopanos ein, Dozent für Motiondesign an der Design Factory und Gründer des Studios WeAreFlink in Hamburg. Vom ersten bis zum letzten Semester belegte er dessen Seminare: »Das Wichtigste, das ich aus dieser Zeit mitgenommen habe: Wenn du eine Idee hast, denke nicht an die technischen Hindernisse. Lass erst einmal der Fantasie freien Lauf. Wenn das Konzept steht, wähle deine Tools – 2-D, 3D, Live-Action oder noch besser ein Mix aus allem.«
Sehr viel Hingabe stecke bei 3D-Animationen vor allem in den letzten kleinen Details, die die Qualität der Animation wesentlich beeinflussten, ist Rütten überzeugt. Auch wenn es absurd klinge, manchmal müsse man in 3D-Filmen einfügen, was man bei Live-Aufnahmen vermeiden würde: Lensflares, Dreck und Kratzer. Denn diese nehmen einer 3D-Animation das Künstliche, machen sie greifbarer. Um einen klinischen Look zu vermeiden, sollte jeder Film nach dem Rendern am besten noch einmal optimiert werden. Ohne diesen letzten Schritt während des Compositings ist 3D-Art nur halb so gut, erklärt Rütten Aber so wichtig solche technischen Feinheiten auch sind, letztlich lebt eine gute Animation vor allem von der Leidenschaft, die ein Designer hineinsteckt. Und diese wiederum wird in der Regel getragen von der Idee.
Mit dieser Ansicht ist Roman Rütten nicht allein. »Wenn es lediglich darum geht, die Disziplin zu lernen, wird es schnell schmerzhaft«, sagt Till Nowak. »3D-Art lernt man am besten, wenn man es unbedingt will und wenn ein Projekt hinter dem Lernen steckt – nicht bloß das Produzieren von ein paar netten Effekten. Die Technik veraltet dafür zu schnell.« Wenn jedes einzelne Bild mindestens fünf Minuten rendern muss, zehn Rechner eine Nacht oder länger brauchen, um etwas fertigzustellen, und das wiederum noch einmal korrigiert zum Rendern geschickt werden muss – das macht meist nur jemand mit, der ein bestimmtes Ziel, eine Idee verfolgt.
Es kommt also nicht von ungefähr, dass Geduld, Hartnäckigkeit und Begeisterungsfähigkeit Tugenden sind, die 3D-Artists auszeichnen. Viele von ihnen saßen bereits als Teenager vor ihren Rechnern und haben jeden Entwicklungsschritt der 3D-Technologie selbst miterlebt, nur um ihre Kopfwelten in atemberaubende Bilder zu übersetzen. Nach Jahren, in denen 3D-Art als kühles, glattes Computerprodukt abgetan wurde, hat sich die Disziplin auch dank der Leidenschaft ihrer noch jungen Szene von solchen Vorurteilen emanzipiert und produziert nun wunderbar schwerelose Bildwelten, die uns staunen lassen.
Autor: Nantjen Küsel (PAGE 02.2012)
Das menschliche Gehirn ist ein hochfunktionaler, komplexer Apparat. PAGE zeigt, wie 3deluxe das Organ als interaktives 3D-Modell für die Website dasGehirn.info (https://3d.dasgehirn.info) umsetzte
Tobias Hofer weiß jetzt ganz genau, wie sein Zerebrum aussieht – und Tausende andere wissen es auch. Das Gehirn eines der 3D-Artists aus dem 3deluxe-Team bildete die Ausgangsbasis für das 3D-Modell auf dasGehirn.info. Die im September 2011 gelaunchte Informationsseite ist ein Projekt der Hertie-Stiftung und der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft e.?V. in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe. Konzipiert und umgesetzt hat sie 3deluxe mit Unterstützung der Onlinekommunikationsagentur screenbow.
Die Herausforderung für die Kreativen bestand darin, ein interaktives Informationsportal für eine breite Zielgruppe – vom Studenten über den Wissenschaftler bis hin zum interessierten Laien – zu schaffen, das das Thema visuell ansprechend und wissenschaftlich korrekt präsentiert. Als Leitidee diente 3deluxe die enorme Vernetzungsdichte des Gehirns. Sie liegt dem filigranen, detaillierten 3D-Modell sowie der Verknüpfung der redaktionellen Inhalte untereinander zugrunde. Neben Texten gibt es interaktive Grafiken und audiovisuelle Beiträge. Die Website selbst ist in Schwarz gehalten, die Multimedia-Inhalte setzen sich weiß ab, die Grundfarbe des 3D-Gehirns ist Blau.
Das 3D-Gehirn ist als zentraler Bestandteil der Website. Es ist kontextsensitiv und zoomt automatisch jene Areale heran, die zum Inhalt passen, den der User sich angesehen hat, bevor er darauf klickte. Sämtliche Teile des Modells kann er in einer 360-Grad-Ansicht betrachten, nicht angewählte Bereiche bleiben in einer dunkleren Schattierung sichtbar, um die Verortung innerhalb des Gehirns zu ermöglichen. Insgesamt lassen sich rund 200 Elemente ansteuern, zum Teil bis auf die zelluläre Ebene. Die Anbindung an die anderen Seiteninhalte erfolgt über ein Informationsfeld, das den Glossar-Eintrag des jeweiligen Areals sowie Artikel und multimediale Inhalte zum Thema anzeigt.
An dem Projekt arbeitete das Team rund zwei Jahre. Neu war für die Designer der große Anteil nötigen wissenschaftlichen Know-hows. Sie mussten tief ins Thema einsteigen, um die Zusammenhänge visualisieren zu können. »Ich habe unheimlichen Respekt für dieses hochkomplexe Organ gewonnen, das wir als selbstverständlich erachten und nutzen«, sagt Sascha Koeth, Mitgründer und Kreativdirektor von 3deluxe motion in Hamburg. Nach der gemeinsamen Entwicklung des inhaltlichen Konzepts und der Informationsarchitektur konzentrierten sich die jeweiligen Kreativeinheiten der Units auf ihre Spezialgebiete. So gestaltete die 3deluxe graphics in Wiesbaden unter Leitung von Andreas Lauhoff das Design der textorientierten Bereiche der Website. Das Team von 3deluxe motion um Sascha Koeth realisierte das interaktive 3D-Modell sowie die multimedialen Beiträge.
Schon in einem frühen Stadium waren Interaction Designer und Frontendentwickler mit dabei und entwickelten die wichtigsten Funktionalitäten parallel zum Design der ersten Prototypen. So konnten technische und strukturelle Probleme früh erkannt und auch gleich ein Proof-of-Concept, ein Machbarkeitsnachweis, vorgenommen werden. So stellte sich zum Beispiel schnell heraus, dass der gewünschte Detailreichtum und Illustrationsstil weder mit einer zur Laufzeit rendernden Flash-3D- noch mit einer WebGL-Engine zu erreichen war. Daher entschied sich 3deluxe, die einzelnen Ansichten des 3D-Gehirns als 360-Grad-Rotationsfilme oder entsprechende 2-D-Illustrationen vorzurendern und diese in Flash mit Interaktivität und Übergangsanimationen zu versehen.
Autor: Nina Kirst (PAGE 02.2012)