Wie ergeht es Berufseinsteigern in Agenturen oder Unternehmen? In Teil 1 unserer Serie berichten u. a. eine Social-Media-Managerin und ein Junior Product Designer von ihren Erfahrungen.
Wir wollten wissen, wie es Berufseinsteigern in der Design- und Kreativbranche geht und haben dafür in letzter Zeit ausführlich mit etwa 30 Design-Newbies gesprochen. Wie hat ihre Ausbildung oder ihr Studium sie auf den Berufsalltag vorbereitet? Welche Skills sind besonders wichtig und was haben sie sonst noch gelernt? Das erzählen sie nach und nach in unserer siebenteiligen Serie…
Telse Feinshtein, 32, Creative Social Media Managerin, Vier für Texas, Frankfurt:
»Ich habe erst Geschichte, dann Wirtschaft & Recht studiert und hatte danach einen sehr langweiligen Job bei der Stadt Frankfurt. Dort habe ich gemerkt, dass ich viel lieber kreativ arbeiten möchte – und mich mit meinem Twitter-Account erfolgreich bei einem Start-up beworben, das jemanden für Marketing und Texte gesucht hat. Ich habe Twitter während meines Studiums genutzt, um lustige Alltagssituationen zu beschreiben. Es hat mir superviel Spaß gemacht, aber ich habe nie darüber nachgedacht, das mal beruflich zu machen. Auch bei meinem jetzigen Job war mein Twitter-Account ausschlaggebend, mein Chef hat dort geguckt, ob ich schreiben kann.
Für den Social-Media-Bereich ist es unglaublich gut, dass ich von allem ein bisschen was kann.
Jetzt bin ich seit fünf Monaten bei Vier für Texas als Creative Social Media Managerin. Vieles habe ich mir selbst beigebracht, zum Beispiel den Facebook Business Manager und das ganze Ad Targeting. Für den Social-Media-Bereich ist es unglaublich gut, dass ich von allem ein bisschen was kann. Ich kann mit Zahlen umgehen, was für die ganzen Statistiken super ist. Ich kann Visuals erstellen. Auch über Bildrechte weiß ich Bescheid. Dadurch bereue ich mein Wirtschaft & Recht Studium überhaupt nicht, obwohl es sehr trocken war. Ich finde sowieso: Ein Abschluss ist wichtig, er öffnet einem die Türen. Es ist fast egal in welchem Fach, weil es einfach zeigt, dass man etwas durchziehen kann.
Man muss in Agenturen Durchsetzungsvermögen haben. Die Hierarchien sind manchmal noch recht stark. Vor allem in großen Läden sitzen häufig nur Männer, als Frau muss man da manchmal ganz schön »mitmackern«. Ich würde sagen, dass man ein relativ dickes Fell braucht.«
»An meiner Hochschule, der FSG (Freie Schule für Gestaltung) Hamburg, haben wir sehr praxisbezogen gelernt. Alle Dozenten haben hauptberuflich in Agenturen gearbeitet. Dadurch konnte man auch sehr gut Kontakte knüpfen. Sehr gut gefallen hat mir, dass wir im Abschlusssemester von einer Headhunterin durch Agenturen geführt wurden und ein bisschen »Real Life« schnuppern durften. Sie hat uns außerdem bei der Vorbereitung der Abschlussprüfung und mit unseren Portfolios geholfen. Bei den Abschlussarbeiten lief es so, dass die Briefings für unser Projekt an Agenturen geschickt wurden, die sich dann melden konnten, um uns ein halbes Jahr lang dabei zu begleiten. Ich hatte an das Glück, von einem Werber von Serviceplan unterstützt zu werden.
Schon während des Studiums sollte man am Ball bleiben, was Trends angeht!
Eigentlich war ich zufrieden mit dem Studium, nur die Digitalthemen haben mir etwas gefehlt. Umso wichtiger, dass man sich außerhalb der Uni damit beschäftigt – was sowieso wichtig ist. Das Netz quillt über vor coolen Sachen. Es ist wichtig, sich viel zu inspirieren, das öffnet den Kopf. Der Wandel der Branche ist riesig, ständig passiert etwas Neues, wie z. B. aktuell in Richtung Virtual Reality. Schon während des Studiums sollte man am Ball bleiben, was Trends angeht – und im Berufsalltag ist es dann ebenfalls unabdingbar. Bei SinnerSchrader Swipe habe ich direkt nach dem Studium ein Praktikum gemacht, das war quasi wie ein siebtes Semester: Ich habe sehr viel gelernt und war nie auf mich allein gestellt, man wird total gut mitgenommen und hat jederzeit Ansprechpartner. Außerdem hat man schnell Kundenkontakt und arbeitet an Projekten, die einen echten Stellenwert haben. Auch durch die Verbindung zu SinnerSchrader wird sehr viel geboten: Es gibt beispielsweise Weiterbildungs-Workshops oder Talks zu verschiedenen Themen. Das ist in kleineren Agenturen sicher anders, da kann man sich höchstens unter Kollegen austauschen.«
»Ich habe an der HMKW in Berlin Grafikdesign studiert. Während des Studiums bin ich bei der Agentur WE DO als Werkstudent gelandet. Mir war es wichtig, so früh wie möglich umzusetzen, was ich kann und lerne. Nach meinem Bachelor-Abschluss bin ich als Junior Art Director bei WE DO in Berlin eingestiegen. Ein reibungsloser Ablauf, womit ich gar nicht unbedingt gerechnet hätte. Die Arbeitswelt ist zum Teil nicht ganz so, wie man es im Studium erwarten würde. Man stellt sich vor, später im Job sehr frei zu arbeiten und vieles komplett neu zu denken. Im Alltag ist es etwas anders. Man sollte zum Beispiel eine hohe Bereitschaft mitbringen, seine Ergebnisse an die Wünsche des Kunden anzupassen. Manchmal gibt es ein bisschen Gegenwind. Der Input des Kunden ist allerdings entscheidend, damit die Projekte gut werden, deswegen arrangiert man sich recht schnell damit.
Auch eine sehr gute Uni kann ihre Studenten nur bedingt auf den echten Arbeitsalltag vorbereiten.
Mein Studium würde ich auf jeden Fall weiterempfehlen. In mehreren Projektwochen haben wir für echte Kunden, z. B. Sony, gearbeitet und auch der konzeptionell ausgerichtete Unterricht war super. Außerdem gab es etliche Einblicke in neue Themenbereiche – zum Beispiel Motion Design oder Fotografie. Viele Dozenten stammten aus der Praxis und kannten sich sehr gut aus. Ich würde jedem, der sich für Grafikdesign interessiert, zu einem Studium statt zu einer Ausbildung raten. An der Uni hat man die Freiheit, drei Jahre lang ganz viel auszuprobieren. Wir haben zum Beispiel eine Uni-Zeitung gegründet und uns dafür viermal im Jahr komplett ausgetobt. Neben dem Studium sollte man unbedingt arbeiten – nicht nur für die Praxiserfahrung, sondern auch um Vitamin B zu sammeln und bei Agenturen einen Fuß in die Tür zu bekommen. Auch eine sehr gute Uni kann ihre Studenten nur bedingt auf den echten Arbeitsalltag vorbereiten. Wie es im Beruf wirklich sein wird, habe ich durch den Werkstudentenjob gelernt – zum Beispiel, wie die Teamkultur und die ganze Dynamik einer Agentur funktionieren. An vieles muss man sich erst mal gewöhnen. Die Prozesse sind beispielsweise viel langatmiger und intensiver als an der Uni. Das ist super, man bekommt von ganz unterschiedlichen Seiten Impulse, um ein Projekt zu verbessern.«
»Ich bin eigentlich ausgebildete Fremdsprachenkorrespondentin und Übersetzerin – außerdem habe ich ein halbes Jahr bei Apple in Irland gearbeitet. Das war aber alles nicht wirklich das Richtige für mich. Nach der Geburt meines Sohns bin ich durch Zufall auf den Beruf Texter gestoßen – den kannte ich vorher gar nicht – und fühlte mich davon direkt sehr angesprochen. Deshalb habe ich am Text-College in München die Texterausbildung gemacht und gleichzeitig ein Praktikum in der Agentur Martin et Karczinski gestartet.
Bei der Vermittlung an die Agentur hat der Gründers des Text-Colleges geholfen, was ich sehr gut fand: Er hatte genau den richtigen Riecher. Mein Sohn war zu dem Zeitpunkt erst 2,5 Monate alt, doch ich dachte: Das kriege ich irgendwie hin, das ist eine einmalige Chance! Alle zwei Wochen bin ich samstags zum Text-College gegangen, unter der Woche habe ich in Teilzeit mein Praktikum gemacht und bin nach kurzer Zeit zum Trainee aufgestiegen – mittlerweile bin ich Junior Texterin.
Man wächst an seinen Herausforderungen, und das merke ich ganz stark an mir selbst.
Ich glaube, man kann sagen, dass es wirklich gut läuft – auch wenn ich während meiner alltäglichen Arbeit immer noch viel dazu lerne. Das Text-College ist zwar superinteressant und lehrreich, allerdings sehr auf Werbung gemünzt. Bei Martin et Karczinski geht es um Markenstrategie, Corporate Identity und Corporate Design. Der große Unterschied zur Werbung: Sie funktioniert kurzfristig, wir erarbeiten hingegen langfristige Strategien und Identitäten. Meine Aufgaben hier sind sehr vielfältig: Ich texte für Brand Books oder Brand Videos, erarbeite Kommunikationskonzepte, schreibe Awardtexte für uns und Pressetexte für Kunden, verfasse Social-Media-Beiträge, texte zum Teil auch mal Anzeigen, übernehme immer mehr Marketingverantwortung, übersetze ins Englische und lektoriere.
Eigentlich hatte ich was anderes vom Texter-sein erwartet: Ich wollte ursprünglich in die Werbung. Ich bin aber unglaublich froh, bei Martin et Karczinski gelandet zu sein: Ich sammle hier unglaublich viel Hintergrundwissen aus den Bereichen Strategie und Identität und meine Potenziale werden gesehen und gefördert. Es ist großartig, was die Agentur mir alles ermöglicht – in jeder Hinsicht. Mein Sohn ist jetzt eineinhalb Jahre alt und geht inzwischen in die Krippe. Ich arbeite Vollzeit, sechs Stunden davon in der Agentur und zwei vom Home Office aus. Auch im Bezug auf Soft Skills habe ich sehr viel dazugelernt – zum Beispiel, hinzunehmen, was der Kunde möchte, selbst wenn man manchmal persönlich eine andere Lösung für besser hält. Worin ich mich gern noch verbessern würde: Stressmanagement. Aber man wächst an seinen Herausforderungen, und das merke ich ganz stark an mir selbst.
Teil 4: »Das technische Wissen wirkte an der Uni zum Teil veraltet«: Eine Junior-Product-Designerin, eine Designerin mit Lehrauftrag und eine Motion-Design-Volontärin teilen ihre Erfahrungen. Außerdem gibt’s einen anonymen Bericht, von jemandem, der die Branche sehr negativ erlebt hat.
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Interdisziplinär & spezialisiert: In dem kostenlosen Booklet informieren (Fach-) Hochschulen, Akademien und Seminaranbieter über ihr aktuelles Programm zu Studiengängen, Aus- und Weiterbildungen in Design, Werbung und Medien.