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Where is the Beef? Visual Identities für Fleischereien

Fleischer haben heutzutage keinen leichten Stand – für ein gutes Image reichen lustige Schweinchen-Logos oder die lang gediente f-Marke nicht mehr. Eine echte Herausforderung für Kommunikationsdesigner!

Gar nicht Wurst: Ob Traditionsbetrieb oder Hipster-Metzger, die Branche erlebt einen Umbruch. Weniger Fleisch und dafür in super Qualität – das ist der Kern der neuen Fleischkultur, die sich in den Identities auf den nächsten Seiten widerspiegelt. Die Vinyl-EP entstand als Direct Mailing für Buchberger: »Fleischhacker seit 1946« (siehe unten)

Darf es auch ein bisschen mehr sein? Für viele Metz­gerei-Erscheinungsbilder würde man sich das wünschen. Seit Jahrzehnten tummeln sich hier un­ins­pi­rierte Designs mit den immer gleichen Wurstlogos und »schweinisch guten« Sprüchen. Da­bei ha­ben es im Greta-Zeitalter, das Erbsen- und Seitan-Burger hypt, Massentierhaltung missbilligt und über alle Aspekte der Fleischproduktion diskutiert, Fleischer ohnehin schwer, ein frisches, positives Image zu verbreiten. Erfreulicherweise gibt es Handwerks­meister und Fachgeschäfte, die mutig und indivi­duell auftreten wollen und sich Unterstützung von professionellen Gestaltern holen. So kann es gelingen, die traditionellen Werte des Berufs mit modernem Shopdesign und innovativen Marketingkon­zep­ten zu verbinden und das umstrittene Produkt geschmackvoll zu inszenieren.

Fleischhacken als Kunst

Auf 300 Stück ist die Vinyl-EP mit Originalgeräu­schen vom Fleischhacken limitiert, die Studio Riebenbauer aus Wien im Auftrag seines Kunden Buchberger als Direct Mailing an Österreichs Spitzenköche schickte, um die Markenbotschaft vom traditionsbewuss­ten Hand­werk zu kommunizieren. Eine unge­wöhn­li­che Idee, die aber genau den Kern der Marke trifft. Die seit 1946 familiengeführte Metzgerei schlachtet nur Rinder von kleinen, regionalen Bauernhöfen und ist eine der letzten in Österreich, die den gesamten Pro­zess vom Vieheinkauf über die Schlachtung bis zur Verarbeitung in einer Hand durchführt. Diesen holistischen Ansatz bringt auch das Busch-Zitat auf dem Verpackungspapier zum Ausdruck.

Sound of Chopping
Als visuelle Begleitung zur Vinyl-EP gestaltete Studio Riebenbauer für Buchberger ein Booklet sowie die Microsite  http://wurstinfuenfakten.com und veran­staltete Release-Events in Wien und Berlin, bei denen Besucher das Wursten live miterleben konnten. – Bild: Studio Riebenbauer
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Als visuelle Begleitung zur Vinyl-EP gestaltete Studio Riebenbauer für Buchberger ein Booklet sowie die Microsite  http://wurstinfuenfakten.com und veran­staltete Release-Events in Wien und Berlin, bei denen Besucher das Wursten live miterleben konnten. – Bild: Studio Riebenbauer
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Als visuelle Begleitung zur Vinyl-EP gestaltete Studio Riebenbauer für Buchberger ein Booklet sowie die Microsite  http://wurstinfuenfakten.com und veran­staltete Release-Events in Wien und Berlin, bei denen Besucher das Wursten live miterleben konnten. – Bild: Studio Riebenbauer
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Als visuelle Begleitung zur Vinyl-EP gestaltete Studio Riebenbauer für Buchberger ein Booklet sowie die Microsite  http://wurstinfuenfakten.com und veran­staltete Release-Events in Wien und Berlin, bei denen Besucher das Wursten live miterleben konnten. – Bild: Studio Riebenbauer
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Als visuelle Begleitung zur Vinyl-EP gestaltete Studio Riebenbauer für Buchberger ein Booklet sowie die Microsite  http://wurstinfuenfakten.com und veran­staltete Release-Events in Wien und Berlin, bei denen Besucher das Wursten live miterleben konnten. – Bild: Studio Riebenbauer
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Das ebenfalls von Studio Riebenbauer gestaltete Erscheinungsbild wirkt in seiner Reduktion zugleich bold und elegant mit einem Logo in der Mafra Deck von Pedro Leal. Durch eine starke Bildsprache, die die Menschen und die Arbeit der Manufaktur in den Fokus rückt, positionierten die Designer Buchberger – »Fleischhacker seit 1946« – als Vordenker der »Craft Meat«-Szene. Entsprechend setzen sie Texte und Zitate des Fleischermeisters auf den Verpackun­gen und in der Imagebroschüre ein.

Traditionsbewusst und trendaffin

Auch Stefan Auernig lebt mit der Feinkostfleischerei seiner Eltern in Hallwang bei Salzburg den »Craft Meat«-Trend. Seit er das Geschäft leitet, hat er sich auf Dry Aged Beef und Pork spezialisiert. Im Zuge der Modernisierung sollte es auch ein grundlegen­des Redesign geben, und so wandte sich Stefan Auernig an die Agentur WARP3. Sein Wunsch: eine neue Identity mit einem Logo, das den Originalschriftzug aus den 1980er Jahren als zentrales Element bewahrt. Insgesamt sollte der Markenauftritt jedoch frischer wir­ken, um eine jüngere Zielgruppe anzuspre­chen. Zugunsten eines klaren, reduzierten Erscheinungsbilds entfernten die österreichischen Kreati­ven zunächst die Zweitfarbe Grün.

Dann unterleg­ten sie das Logo mit Vintage-Elementen, die den Bogen zwi­schen Tradition und Zeitgeist spannen. Darüber hinaus gestaltete WARP3 eine Reihe von »schril­leren«, plakativen Werbemitteln wie Kampag­nen­postern oder »Steak-Flip-Flops«, die aussehen wie zwei echte Nackensteaks.

Saulustig: Neben der kompletten Geschäftsausstattung von der Visitenkarte über das Einschlagpapier bis zum Gewürzetikett gestalteten die Kreativen bei WARP3 ein besonderes Mailing: Premium-Kunden und Freunde bekamen zur Grill- und Badesaison 2019 Plastik-Flip-Flops in Original-Fleischschale zugeschickt, die man wegen der großen Nachfrage später auch im Geschäft und am Fleischautomaten kaufen konnte.

 

Behutsame Modernisierung

Gehobene Restaurants mit Fleisch zu beliefern ist das Kerngeschäft der Metzgerei Simperl aus dem schweizerischen Gümligen. So standen die Aspekte Qualität, Flexibilität und Verlässlichkeit im Fokus des neuen Markenbilds, das die Brand-Design-Agen­tur Fresch Identity aus Bern realisierte. Für das Logo kom­binierten die Designer den Namenszug mit dem prä­g­nanten S und fünf Sternen, die auch im bisherigen Logo enthalten waren, mit einem Branchensymbol – dem Fleischerbeil oder sogenannten Ladenspalter. Daneben unterstreicht ein Siegelring die Premiumqualität und soll Köche und Gastronomen ansprechen. Als Schriften kommen die schwungvoll-elegante Dynalight, die klassische Niveau Grotesk von Hannes von Döhren und die schmal laufende Oswald von Vernon Adams zum Einsatz. Zum Auftrag gehör­ten auch feine Tierillustrationen, die auf Verpackun­gen, Briefpapier und Autobeschriftungen auftreten.

Schwungvoll: Für das Logo der Metzgerei Simperl entschieden sich die Designer von Fresch Identity für die kurvige Dynalight von Brian J. Bonislawsky. Inspiriert vom Schriftzug der alten amerikanischen Dampflock SP 4449, ist sie ein echter Blickfang.

Eine Wortmarke, die von alten Stahlstichen, Stem­peln und Werbeschildern inspiriert ist und eben­falls einen einzelnen Buchstaben hervorhebt, schuf das Designstudio Diemer & Schweig aus Saarbrücken für die Metzgerei Konrad. Seit der Gründung 1896 hatte Konrad immer wieder das Erscheinungsbild um neue Elemente ergänzt, sodass rund 120 Jahre später der Markenkern nicht mehr ein­deutig zu erkennen war. Der Auftrag lautete also, für ­einen klaren Auftritt zu sorgen, aber prägnante Elemente beizubehalten. Und so wählten die Designer als Haus­schrift die Relay von Cyrus Highsmith, weil sie mit der alten Fassadenbeschriftung harmoniert. Auch die Pri­märfarbe Rot behielten sie bei, ergänzten sie aber um eine Grauskala, die sich von alten Fotografien der Filiale und Kreidetafeln ableitet.

Back to K: Beim Redesign für die Metzgerei Konrad nahmen die Designer traditionelle Elemente auf. So ist die Wort­marke mit dem zentralen K an die alte Fassadenschrift angelehnt.

Meat Love

Nicht nur den Umbau seines Hauptgeschäfts zur »Ge­nusszentrale«, sondern auch ein Corporate Design samt neuem Logo für alle vier Filialen sollte teamElgato für die Straubinger Metzgerei von Stefan Wenisch gestalten. Zuvor hatten die Kreativen aus Straubing ihn bereits bei der Entwicklung seiner Premiumfleischmarke Holy Beef erfolgreich unterstützt. Stefan Wenisch war es besonders wichtig, den Bogen zwischen Tradition und Moderne zu spannen und Kunden aller Altersgruppen anzusprechen. So gestalteten die Designer eine moderne Wortmarke aus der Headlineschrift Fran von Max Saille und kombinierten sie mit einer Art Wappen aus den Metzgereiwerkzeugen Ladenspalter und Blockmesser. Um die Neu­ge­stal­tung des Ladengeschäfts und das frische Corporate Design aufein­ander abzustimmen, arbeitete teamElgato eng mit einem Innenarchitekten zusammen.

Bayrisch Beef: Der Traditionsbezug ist bei Wenisch trotz moderner Identity nicht verloren gegangen.

Goldgeprägter Genuss

Für die Metzgerei Dulwich in Adelaide entwickelte the colour club aus Sydney eine Identity, die so zeitgemäß wie vornehm wirkt. Um das hochwerti­ge Fleisch im frisch renovierten Laden in Szene zu setzen und dabei das Image des freundlichen Metzgers von nebenan zu bewahren, paarte Kreativdirek­tor Nick Mitchell filigrane Goldschrift mit einem lebhaften Muster aus stilisierten Fleischteilen. Die Kombination findet sich auf den Visitenkarten und dem Einschlagpapier wieder, das beim Einkauf mit ei­nem geprägten Goldaufkleber verschlossen wird. Minimalistische Etiketten für die hauseigenen Produkte und schlichte Tragetaschen aus Sackleinen betonen die nachhaltigen Aspekte der Identity.

Konkret und abstrakt: Keine lustigen Würstel auf dem Einschlagpapier, sondern nur als Muster ange­deu­tete Fleischerzeugnisse verleihen der Identity der Butchery Dulwich ihren freundlichen Charme.

Rot wie Ochsenblut

Das Tierwohl und die Qualität des Rohmaterials liegen allen hier vorgestellten Schlachtern am Herzen: »Fleisch in super Qualität gibt es, wenn die Tierhaltung gut ist«, sagt Susanne Brosche, Metzgermeis­te­rin und Verkaufsleiterin der Metzgerei Ludwig Mayer in Augsburg. Sie hatte sich für eine neue Imagebroschüre an die Kommunikations­designerin Angelika Haberstock vom Büro Double.Cor gewandt – doch sollte es nach dem ersten Treffen der beiden Frauen nicht bei dem kleinen Auftrag bleiben.

Shades of Red: Keep it short and simple: Mit dem blutigen Motiv und der sonst schlichten Gestaltung überzeugten die Umbauplakate der Metzgerei Ludwig Mayer derart, dass sie sogar mehrfach gemopst wurden.

»Der Laden ist mit Jugendstilfliesen ausgelegt und hat im hinteren Teil noch eine komplett eingerichtete Wurst- und Fleischküche«, erzählt Angelika Ha­berstock, die so begeistert von dem traditionellen Handwerk war, dass sie trotz ihrer veganen Kinder bereit war, das Logo in der Farbe Ochsenblutrot samt Umbauplakaten zu gestalten. Als Schriften wählte sie die World of Water in Kombination mit der Karla und der Libre Baskerville für das Ampersand. Auch eine responsive Website kreierte die Designerin, und beim Umbau des Ladens beriet sie die Metzgerei in puncto Farb- und Materialwahl.

Weitere Galerien mit Corporate Designs aus bestimmten Branchen:

BranchenBrandings20

TIPP! Wenn Sie diesen Artikel im Print Layout lesen möchten, laden Sie einfach hier die gesamte PAGE-Ausgabe 04.2020 herunter!

PDF-Download: PAGE 4.2020

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