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Über die Schwierigkeit, das richtige Porträt von sich zu finden

Foto, Illustration – oder ein Avatar Generator von South Park Studios oder Lego? Jürgen Siebert berichtet über die Probleme, ein neues Konterfei zu finden.

Foto, Illustration – oder ein Avatar Generator von South Park Studios oder Lego? Jürgen Siebert berichtet über die Probleme, ein neues Konterfei zu finden.

Seit Wochen weiß ich, dass diese Kolumne ein neues Gewand erhält. Und einen neuen Namen. Und ein neu­es Porträtbild. »Prima«, denke ich mir. »Muss ich was tun?« Ich meine: Diese Kolumne gibt es schon ein paar Jährchen, und sie wurde schon mehrfach umgestaltet. Ich wer­de auch diese Renovierung überleben.

Der Tag der Manuskriptabgabe ist da, ich setze mich gleich morgens an den Laptop. Ich will etwas über die neuesten Trends aus San Francisco schreiben, wo ich bis vorgestern war. Logistik, das nächste große Ding! AmazonFresh bringt dort Obst und Pizzen ins Haus, Google Shopping Ex­press liefert Onlinebestellungen sämt­licher großen Handelsketten binnen vier Stunden, Personal Shopper bieten ihre Dienste im Netz an …

Bevor ich den ersten Satz geschrieben habe, flattert das neue Layout der Seite in meine Mailbox. Ein gesichts­lo­ser Avatar als Platzhalter erinnert mich daran, dass meine »Betrachtun­gen« ein frisches Konterfei bekommen sollen. Himmel, ich hatte das total vergessen und weiß nur eines: Ein Blick in meine Fotosammlung wäre so frustrierend wie das Öffnen des Klei­derschranks am Abend einer Theater­pre­mie­re – nichts zum Anziehen.

Jetzt bitte keinen Fehler machen, im Zeitalter des Selfies. Wir Kommunikationsexperten predigen seit Jahren, wie wichtig der erste Eindruck ist und dass man Porträtfotos nicht dem Zufall überlässt. Schließlich ernten sie mehr Aufmerksamkeit als das geschriebene Wort (hilft ja nichts … als überzeugter Autor, der mit einem Bein im Marketing steht, habe ich diese Tatsache längst akzeptiert).

Anstatt hier am Schreibtisch zu sitzen, müsste ich sofort zu einem Fotografen. Ich rufe eine Website mit Tipps für Bewerbungsfotos auf: »Achten Sie darauf, dass die Haare ordentlich gekämmt sind, die Kleidung flecken- und fusselfrei ist und keine unschö­nen Falten wirft. Make-up-Kontraste zwischen Hals und Gesicht sind ebenfalls tabu.« Na prima, ich hab aus Kalifornien einen fetten Sonnenbrand mitgebracht, meine Haut hängt in Fetzen von der Stirn. Heute ein Foto … kannste vergessen!

Eine Illustration muss her. Verzweif­lung. Wenn ich jetzt einen Fehler mache, langweile ich Monat für Mo­nat Tausende von Lesern mit ei­nem unerträglichen Porträt. Ich google »avatar generator«. An erster Stelle erscheint South Park Studios, gefolgt von Marvel, Lego, M&M’s … sie alle wollen aus einem Gesicht ein Markenzeichen machen. Allerdings auf meine Kosten, denn es geht um ihre Marke, nicht um meine. No way.

Ich lande schließlich bei der Cartoon-App Bitstrips. Der erste Versuch, mich in eine Comicfigur zu verwandeln, misslingt. Wieder von vorne … Das macht Spaß, und im Nu sind zwei Stunden rum. Immer noch keinen einzigen Satz geschrieben. Und eine überzeugende Abbildung habe ich auch noch nicht.

Bing, eine Mail. Werbung für den neuen Scifi-Thriller »Transcendence« mit Johnny Depp. Ich soll an einem Fan Art Battle teilnehmen. Dazu muss man ein Foto von sich hochladen, aus dem ein Plakat entsteht. Jaja … Johnny Depp sieht natürlich ganz hervorragend darauf aus. Mit Hollywood-Maskenbildnern, zig Fotografen und ei­nem Dutzend Grafikern lässt sich so was natürlich wunderbar realisieren.

Es ist 15 Uhr, die PAGE-Redaktion wird langsam ungeduldig. Ich schreibe jetzt irgendwas, und mein Porträt lasse ich mir nächste Woche von den »Trans­cendence«-Machern in Los Angeles ge­nerieren. Lasst euch überraschen …

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Wie das perfekte Briefing geht und was man gegen Missverständnisse tun kann.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hallo Oliver, natürlich könnte ich das oben gezeigte (alte) Portrait weiterhin nutzen, aber dann hätte ich doch kein Thema für meinen Kommentar gehabt 😉
    Nein … ich denke, wenn sich die Chefredakteurin in neuem Licht zeigt, dann möchte ich das auch tun. Gestern, auf der Berliner re:publica-Konferenz habe ich wieder experimentiert: http://instagram.com/p/nvPP9hockg/

  2. Sehr geehrter Herr Siebert,
    könnte es sein, dass das bisherige Portrait einfach sehr gut ist und bestens als Ihr Markenzeichen funktioniert?

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