Die Illustration von Kinderbüchern ist eine kreative Herausforderung, denn im Idealfall eröffnet sie eine weitere Erzählebene. Wie gelingt das?
Kinder sind anspruchsvoll, besonders was die Bilder ihrer Lieblingsbücher betrifft – und das zu Recht. Sie erwarten mehr als ein Bild, das eine Textszene visualisiert. Sie erwarten, etwas Neues darin zu entdecken, sich zu wundern, zu staunen. Sie erwarten Bilder, die über den Text hinausgehen und ihrer Fantasie Flügel verleihen.
»Gute Illustrationen erweitern den Horizont.«
Für den Ravensburger Buchverlag ist das das Hauptkriterium für eine gelungene Bilderbuch-Illustration. »Gerade für Kinder zwischen vier und sechs Jahren ist die Erfahrung wichtig, dass die Welt mehr ist als das, was sie bereits kennen. Gute Illustrationen erweitern den Horizont: Sie werfen Fragen auf und machen neue Antworten möglich«, erläutert die verlegerische Geschäftsführerin, Dr. Anuschka Albertz. Der Verlag stellt immer wieder fest, dass Nachwuchs-Illustratoren an der reinen Bebilderung einzelner Textszenen festhalten. Doch um eine weitere Erzählebene zu schaffen, bedarf es einer anderen Herangehensweise: Der Künstler muss sich die Geschichte zu eigen machen und sie durch seine Bilder und Techniken interpretieren. So sei ein unverwechselbarer Stil möglich, den der Verlag und der Markt fordert. Viele erfolgreiche Künstler experimentieren mit Mischtechniken, kombinieren Muster mit Handzeichnungen, scannen ungewöhnliche Materialien wie Stoffe ein und führen alles über den PC zusammen. Auch das ermöglicht Kindern einen kreativen Raum und fördert das, was für sie an der Vorlese-Situation besonders wichtig ist: Gesprächsanlässe.
Ob abstrakte, stark vereinfachte oder realistische Darstellungen – ein Bilderbuch braucht ein durchgängiges gestalterisches Konzept, um Stimmungen und Emotionen zu transportieren. Für Kinder sind eine sichtbare Verbindung oder Kommunikation zwischen den Charakteren und eine erkennbare Mimik wichtig. So können sie innerlich abgleichen, ob sie das Gefühl kennen und Empathie mit den Figuren aufbauen. Apropos Figuren: Vielen Künstlern bereitet die Darstellung von Menschen Schwierigkeiten. Da hilft nur eines: einen Stil finden, der für den Illustrator »gangbar« ist, beispielsweise bewusstes Überzeichnen.
Die Kriterien für ein potentielles Lieblingsbuch sind einfach – die Aufforderung »nochmal anschauen« des Kindes reicht.