Gemeinsam mit Ladies, Wine & Design Hamburg stellen wir regelmäßig interessante kreative Frauen aus der Stadt vor. Illustratorin Patricia Tarczynski berichtet von ihren Vorbildern – und erzählt, warum Zusammenhalt unter Kreativen so wichtig ist.
Patricia Tarczynski arbeitet als Illustratorin in Hamburg, wo sie eine tolle kreative Community kennengelernt hat. Sie erzählt davon, warum auch Rückschläge zu einer erfolgreichen Karriere beitragen können. Außerdem hat sie Tipps für andere Illustratoren!
Wie verlief dein Werdegang bisher?
Es war auf jeden Fall ein sehr aufregender Werdegang, der mir hoffentlich noch neue Wege ebnen wird. Meinen Bachelor of Arts habe ich 2014 an der FH Dortmund abgeschlossen. Das Studium hat mich als Illustratorin fast gar nicht geprägt. Vielleicht lag es einfach daran, dass ich mich ziemlich von meinen Professoren beeinflussen ließ, die damals meinten, dass ich es doch lieber mit dem Illustrieren lassen und mich mehr auf die Grafik konzentrieren sollte. Ziemlich demotivierend für jemanden wie mich, die schon seit Kindheitstagen alles bekritzelt hat, was ihr unter den Stift kam. Was mir wieder etwas mehr Vertrauen in mein Können gegeben hat, war die Siebdruckwerkstatt, die ich mit ein paar Kommilitoninnen dank eines Förderprojekts gegründet habe. Eine sehr intensive und prägende Zeit. Nach dem Studium und der Werkstatt habe ich den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Während meiner Selbstständigkeit habe ich auch ein paar Ausflüge ins Angestellten-Dasein gemacht – was auch der Grund dafür war, dass ich nach Hamburg gezogen bin.
Wie war es für dich, als Freelancerin durchzustarten? Wieso hast du dich dazu entschlossen?
Meine Eltern waren mir da schon ein sehr gutes Beispiel, das mir gezeigt hat, dass das Konzept »Selbstständigkeit« erfolgreich funktionieren kann – in das man aber auch viel Arbeit, Eigeninitiative, Disziplin und Leidenschaft reinstecken sollte. Beide sind vor 30 Jahren von Polen nach Deutschland gezogen, um den Erwartungen und Verpflichtungen meiner Großeltern dort zu entfliehen. Mit viel Schweiß und Mühe haben sie sich ein eigenes Geschäft aufgebaut und sich somit ein gutes Leben ermöglicht – ein Leben, das man sich frei von engstirnigen Strukturen und Konzepten gestalten konnte. Die beiden waren für mich die größte Motivation, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Dafür bin ich sehr dankbar!
»Eine geschlechtsfreie Sozialisation zu schaffen, braucht viel Toleranz und Zeit. Ich bin ziemlich zuversichtlich und glaube, dass sich in diesem Bereich einiges ändern wird.«
Hast du schon mal eine Situation im Job erlebt, in der du benachteiligt wurdest, weil du eine Frau bist?
Mir ist bewusst, dass das ein Thema ist, über das niemand gerne reden mag, da die Angst der Konsequenzen danach viel größer sein könnte, als den Mut zu haben bestimmte Dinge ändern zu wollen. Ich war schon immer für Transparenz im Job und auch unter Gleichgesinnten, deswegen rede ich auch gerne sehr offen darüber, weil ich weiß, dass es viele nicht tun können. Wohl oder übel sind mir diese Situationen im Job schon häufiger begegnet, interessanter Weise aber nur, als ich im Angestelltenverhältnis war und nicht als Freelancerin. Mobbing, Machthaberei, Größenwahn et cetera. Leider passe ich in diese Formen der Unterdrückung nicht so gut rein, da steht mir mein großes Mundwerk gerne mal im Weg!
Woran liegt es deiner Meinung nach, dass es in der Kreativbranche so wenige Frauen in Führungspositionen gibt?
Man muss sich mal vor Augen halten, dass der Arbeitsmarkt sowie die Führungsebene sehr lange Zeit nur durch Männer geprägt waren. Eigenschaften wie Dominanz, Selbstsicherheit und Autonomie wurden immer als typische »männliche« Charakteristiken gesehen. Eine geschlechtsfreie Sozialisation zu schaffen, braucht viel Toleranz und Zeit. Ich bin ziemlich zuversichtlich und glaube, dass sich in diesem Bereich einiges ändern wird. Es ist einfach eine Frage der Zeit!
Welche Frauen haben deinen beruflichen Werdegang positiv beeinflusst und was hast du von ihnen gelernt?
Da gibt es schon einige Menschen, die mich sehr beeinflusst haben. Genauso viele Frauen wie Männer. Ob es nun die Brüder von Brosmind sind oder Kate von Studio Moross. Jeder hat seine Besonderheiten, die mich immer wieder motiviert haben, keine Angst davor zu haben, neue Dinge auszuprobieren und einfach man selber sein zu können. Den größten Einfluss hatten aber meine Familie und Freunde, die mich immer wieder unterstützen und mich gestützt haben, wenn ich mal am schwanken war – und sich mit mir über meine kleineren und größeren Erfolgserlebnisse gefreut haben. So ein liebevoller Support ist unbezahlbar. Auf diesem Weg Dank an alle!
Wie erlebst du den Zusammenhalt unter weiblichen Kreativen?
Sehr präsent und laut, was ich ziemlich abfeiere. Mir hat es während des Studiums sehr gefehlt. Nachdem ich selbstständig wurde, habe ich versucht, mich mit anderen Gleichgesinnten zu connecten und bin auf Menschen getroffen, die mir mit offenen Armen begegneten. Situationen, die mich immer verunsichert haben, haben auch schon andere erlebt – und das gab mir einfach das Gefühl, dass das was einem entgegen kommt, jedem schon mal widerfahren ist. Man wird weiterempfohlen, Kollaborationen entstehen, man repostet Arbeiten, die die andere gemacht hat… kein Neid, kein Vergleich, keine Unsicherheiten. Empowerment in seiner reinsten Form!
Was hältst du von Frauennetzwerken wie Ladies Wine & Design?
Großartig! Als Jessica Walsh das Ganze zum Rollen gebracht hat, war ich seit Tag eins ein totales Fangirl von dem ganzen Konzept – und habe es so sehr gehofft, dass das Ganze sich noch auf weitere Städte verbreiten wird. Dank diesem Netzwerk habe ich in einer etwas schwierigeren Phase wunderbare Frauen kennengelernt, die einen unfassbar supportet haben. Ich bin ihnen sehr dankbar dafür und kann es wirklich nur jeder ans Herz legen, mal zu einer der Veranstaltungen zu gehen. Einfach mal die Website besuchen und schauen, ob es auch eine LWD-Truppe in eurer Nähe gibt. Und wer weiß, vielleicht kann man dieses Konzept erweitern und jedem die Möglichkeit geben, unabhängig vom Geschlecht, einen Beitrag dazu zu leisten.
Was könnten Frauen sonst noch tun, um beruflich weiterzukommen?
Es ist schwer zu beantworten, was Frauen noch mehr tun könnten, um beruflich erfolgreicher zu werden. Ich glaube, solange man ein Ziel vor Augen hat, arbeitet jeder selbstbestimmt darauf hin. Sich vernetzen, austauschen, supporten und offen für Neues zu sein kann den eigenen beruflichen Weg nur noch bereichern.
Was würdest du Nachwuchsillustratorinnen diesbezüglich empfehlen?
Einfach machen! So simpel, aber dafür so effektiv. Wartet nicht auf den richtigen Moment, um dann erst richtig loszulegen. Dieser Moment wird sich nicht aus dem Nichts ergeben. Ihr werdet auf positive aber auch mal auf negative Erfahrungen stoßen, beides wird euren Weg nur bereichern. Habt keine Angst davor. Beginnt mit dem, was ihr schon wisst und auch könnt, alles andere wird sich auf dem Weg schon ergeben.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Facettenreich. Seitdem ich im Besitz eines Wacom Cintiqs bin, suche ich immer nach neuen Brushes, Aktionen und Texturen, mit denen ich mich bei meinen Arbeiten in verschiedenen Stilrichtungen austoben kann. Ich bin da so eine kleine Tausendsasserin, die sich mit einem Stil nicht begnügen kann, sondern sehr vieles gerne ausprobiert. So genau festlegen möchte ich mich da auch nicht, da ich es schon als einen Vorteil sehe, vieles abdecken zu können, aber im Großen und Ganzen macht es mir einfach unheimlich viel Spaß.
Eine Auswahl von Particias Arbeiten zeigt unsere Galerie:
Für welche Branchen arbeitest du hauptsächlich?
Gerade arbeite ich viel im Editorialbereich, was mir auch sehr viel Spaß macht, da es dort nicht darum geht, einfach was Dekoratives und Schönes zu illustrieren, sondern die Message aus einem Artikel im Bild festzuhalten – damit jeder schon beim Anblick der Illustration weiß, worauf er sich in diesem Artikel einlässt. Und wenn dabei noch etwas Humorvolles mit einfließt, macht es umso mehr Spaß. Natürlich werden einem auch Motivvorschläge von der Redaktion oder vom Art Director unterbreitet, aber grundsätzlich lassen sie einem viel Freiraum in der Gestaltung für eigene Interpretationen. Das tut meinen Gehirnzellen ganz gut. Wo ich aber in Zukunft gerne mehr Fuß fassen möchte, wären die Bereiche Character und Motion Design.
Machst du auch freie Projekte?
Sehr spontan. Deswegen habe ich auch immer mein kleines Sketchbook mit dabei, wenn ich unterwegs bin, damit ich meine Eindrücke und Ideen direkt aufs Papier bringen kann. Meistens sind es liebevoll emotionale oder humorvolle Skizzen, die ich oft nachträglich noch digital umsetze und dann auf bestimmten Social-Media-Kanälen teile.
Ladies, Wine & Design
ist ein internationales Frauennetzwerk, das von der Designerin Jessica Walsh ins Leben gerufen wurde (hier unser Interview mit ihr zum Thema Feminismus). Mittlerweile gibt es über 180 sogenannte Chapters in Städten auf der ganzen Welt – in Hamburg seit 2018. Die Gründerinnen Karolin Berndt und Anissa Carrington veranstalten regelmäßige Events zum Austauschen und Voneinander-Lernen. Auf dem Laufenden bleibt man über ihre Website oder ihre Facebook-Seite. Auf der Website haben die beiden außerdem eine Liste mit Kreativ-Ladies aus Hamburg angelegt, die stetig erweitert wird. Wir stellen in unserer Porträt-Reihe einige davon en detail vor.
Folge 1: Beate und Martha von Studio morgen
Folge 2: Illustratorin & Zeichnerin Barbara Lüdde
Folge 3: Designerin & Artdirektorin Ann Eckert
Folge 4: Illustratorin Lisa Tegtmeier
Folge 5: Lena Steinkühler
Noch mehr Netzwerke für Gestalterinnen.