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»Es ist längst an der Zeit, Stereotypen im Design und in der Werbung über Bord zu werfen«

Gemeinsam mit Ladies, Wine & Design Hamburg stellen wir regelmäßig interessante kreative Frauen aus der Stadt vor. Diesmal teilt die Illustratorin und Zeichnerin Barbara Lüdde ihre Gedanken zum Thema Gleichberechtigung in der Kreativbranche.

Barbara Lüdde: Illustratorin und Zeichnerin aus Hamburg
Foto: © Hasibe Lesmann

Barbara Lüdde hat vor Kurzem ihr Masterstudium an der HAW Hamburg abgeschlossen. Sie arbeitet als Zeichnerin und Illustratorin in Hamburg, am häufigsten mit schwarzer Tusche auf Papier. In ihren eigenwilligen Werken spiegelt sich eine starke Prägung von Subkulturen wie der DIY-Punkszene wider. Barbara zeichnet so fantasievoll und detailreich, dass man ihre Bilder ewig betrachten könnte und immer wieder Neues darin findet. Wir sprachen mit Barbara über ihren außergewöhnlichen Stil – und darüber, wie sie als Freelancerin die Kreativbranche erlebt.

Wie verlief dein Werdegang bisher?


Barbara Lüdde: Bisher bin ich den akademischen Weg gegangen und das auch ausgesprochen ausgiebig. Bereits 2006 habe ich an der Braunschweiger Kunsthochschule mit dem Studium der visuellen Kommunikation begonnen und erst zwölf Jahre später mit dem Master in Illustration abgeschlossen. Natürlich liegen dazwischen sehr viele Stationen, die für meine Entwicklung enorm wichtig waren. Manchmal bereute ich es, so viel Zeit an Unis verbracht zu haben, aber andererseits hätte ich ansonsten wahrscheinlich niemals diese spezifische Zeichentechnik entwickelt – was wirklich schade wäre.

Wie war es für dich, als Freelancerin durchzustarten? Wieso hast du dich dazu entschlossen?

Die Frage würde ich ganz gern in zehn Jahren beantworten, haha. Es ist aufregend schön und beängstigend zugleich. Ich sehe für meinen Stil und meine Arbeitsweise nur diese eine Option, nämlich freischaffende Arbeit zwischen der Bildenden Kunst und der Illustration/Design. Es ist mir sehr wichtig, meinen eigenen Weg gehen zu können, und darin bin ich auch ziemlich straight.

Barbara Lüdde Illustratorin
Aus Barbara Lüddes Portfolio: »Wolf Down«

Hast du schon mal eine Situation im Job erlebt, in der du benachteiligt wurdest, weil du eine Frau bist?

Es ist natürlich schwer, das immer so klar am Geschlecht und/oder den gesellschaftlichen Strukturen festzumachen. Aber es gibt viele Fälle, in denen Cis-Männer bevorzugt werden – sei es nur aus Kumpelei und Gewohnheit oder Bequemlichkeit und dem Nicht-Zutrauen gleicher Fähig- und Fertigkeiten bei Frauen.


Woran liegt es deiner Meinung nach, dass es in der Kreativbranche so wenige Frauen in Führungspositionen gibt?


Meiner Meinung nach liegt das klar an den patriarchalen Strukturen, in welchen wir seit Jahrhunderten in Europa leben. Die damit einhergehenden Machtverhältnisse bewirken dieses Defizit. Auch spielt die Sozialisierung – welche uns Frauen ständig vermittelt uns weniger stark, leistungsfähig und befähigt zu fühlen – eine Rolle. Aber wir befinden uns schon seit einiger Zeit in einem Prozess der Umwälzung. Und ich glaube fest daran, dass sich dieses Ungleichgewicht langsam zum Positiven ändert, also zu mehr Gleichberechtigung.

Das Klischee von Frauen, die sich gegenseitig als Konkurrenz wahrnehmen, ist nicht mehr so allgegenwärtig.

Welche Frauen haben deinen beruflichen Werdegang positiv beeinflusst und was hast du von ihnen gelernt?


Die erste Frau, die ich hier nennen möchte, ist Anke Feuchtenberger. Sie und ihre Lehre haben mich überzeugt, zum Studieren nach Hamburg zu gehen. Ihre Zeichnungen haben eine besondere Kraft, die mir auch in meinen Arbeiten enorm wichtig ist. Von meiner Mutter habe ich gelernt, mich durchzubeißen und für meine Ziele zu kämpfen. Aber es gibt auch ein paar Menschen, die sich nicht als Cis-Frauen empfinden und mich absolut beeinflusst und für wichtige Themen – wie die ständige Diskriminierung von queeren Personen – sensibilisiert haben. Ich finde, es ist längst an der Zeit, im Design und in der Werbung Stereotypen über Bord zu werfen und die Diversität der Menschheit zu feiern. Zum Glück gibt es viele Menschen, die das erkannt haben und bereits danach agieren.

Die Galerie zeigt einige Arbeiten von Barbara Lüdde:

Ausstellung: »Don’t Wake Daddy«, 2017, Feinkunst Krüger. Foto: Tim Brüning
Bild: TIM BRUENING
1/18
»Wolf Down«
2/18
»Kosmarie«
3/18
»PorNo«
4/18
Konzertplakate für Shutters & Tissue Magazine
5/18
»Sad Money Toys«
6/18
»Sad Money Toys«
7/18
»Sad Money Toys«
8/18
»Sad Money Toys«
9/18
Masterausstellung: »Sad Money Toys«
10/18
Masterausstellung: »Sad Money Toys«, 2018, Âme Nue, Hamburg
11/18
»Östro 430«
12/18
»One Long Exhale«
13/18
»One Long Exhale«
14/18
»One Long Exhale«
15/18
Das Buch »Our Piece Of Punk – Ein queer_feministischer Blick auf den Kuchen« entstand in Zusammenarbeit mit Judit Vetter. Foto: Julia Thiele
16/18
Aus »Our Piece Of Punk«. Foto: Julia Thiele
17/18
Aus »Our Piece Of Punk«. Foto: Julia Thiele
18/18

Wie erlebst du den Zusammenhalt unter weiblichen Kreativen?

Auch da hat sich viel getan. Das Klischee von Frauen, die sich gegenseitig als Konkurrenz wahrnehmen, ist nicht mehr so allgegenwärtig. Viele haben erkannt, dass Solidarität eine Waffe ist und man sie – auch gewaltfrei – einsetzen kann um Muster aufzubrechen.

Die Frage sollte lauten: Was können Männer noch tun, damit Frauen beruflich weiterkommen?

Was hältst du von Frauennetzwerken wie Ladies Wine & Design?


Frauennetzwerke finde ich absolut toll und unterstützenswert. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass dabei zu selten an Menschen gedacht wird, die sich weder als »Er« noch als »Sie« wahrnehmen. Ich finde es wichtig, diese Personen miteinzubeziehen, da sie gleichermaßen von den patriarchalen Strukturen betroffen sind.

Was könnten Frauen sonst noch tun, um beruflich weiterzukommen?

Ich finde, die Frage sollte lauten: Was können Männer noch tun, damit Frauen beruflich weiterkommen? Am Ende sind es ja nicht nur die Frauen, die davon profitieren, wenn wir ein Gleichgewicht herstellen. Zudem finde ich die Entwicklung dahingehend, dass Frauen nun noch perfekter funktionieren müssen, problematisch. Sie sollen »schön sein«, Karriere machen und perfekte Mütter sein. Selbstoptimierungswahn nervt, geht aber wohl an den wenigsten spurlos vorbei. Dafür sind wir in Europa zu gut »sozial vernetzt« und damit beschäftigt, uns zu vergleichen.

Konzertplakate für Shutters & Tissue Magazine

Was würdest du Nachwuchsillustratorinnen diesbezüglich empfehlen?

Zu versuchen, den eigenen Weg zu finden, der einem entspricht, und sich an Menschen zu halten, mit denen man sich gut versteht. Als Illustrator_in zu arbeiten, bedeutet jede Menge Arbeit. Umso schöner, diese Zeit mit Freunden verbringen zu können. Ich denke, ohne ein gutes Netzwerk ist dieser Job wirklich schwer zu bewerkstelligen.

Deine Arbeit: Wie würdest du deinen Stil beschreiben?


In meinen Arbeiten steht das Individuum häufig im Vordergrund. Ebenso, wie die Gesellschaft auf einzelne Personen einwirkt. Ich bin stark beeinflusst von diversen sub- und gegenkulturellen Strömungen. Meine Zeichnungen sind eigenwillig, nonkonform, gesellschaftskritisch, hintergründig, detailreich und kraftvoll. Sie befinden sich in einer unklaren Schwebe zwischen dem vermeintlich »Hässlichen« und »Schönen«. Es ist mir wichtig, Bilder zu erzeugen, welche nicht in der ständigen Bilderflut untergehen.

Für welche Branchen arbeitest du hauptsächlich?

Angewandte Arbeiten fertige ich häufig für den Musik- und Editorialbereich. Zusätzlich bekomme ich Anfragen aus der Gastronomiebranche, z. B. für das Illustrieren von Etiketten. Freie Zeichnungen fertige ich hauptsächlich für Gruppen- und Einzelaustellungen in Galerien. Häufig bekomme ich aber auch Aufträge von Privatpersonen, die sich eine Originalzeichnung wünschen. Zudem bin ich – an der Seite von Judit Vetter –Herausgeberin des Sammelbands »Our Piece Of Punk – Ein queer_feministischer Blick auf den Kuchen«, welcher im März 2018 im Ventil Verlag veröffentlicht wurde.

Machst du auch freie Projekte?


Auf jeden Fall! Ich finde freie Projekte unglaublich wichtig. Man kann aus ihnen neue Kreativität schöpfen und sich sozusagen den Kopf frei pusten. Manchmal kommen auch gerade aufgrund von diesen Arbeiten neue Aufträge rein. Ich habe es auch schon öfter erlebt, dass freie Zeichnungen von mir im Nachhinein eine neue Verwendung finden. Quasi eine Art von Rekontextualisierung … Ich liebe Rekontextualisierung und ich liebe freie Projekte!

Ladies, Wine & Design

ist ein internationales Frauennetzwerk, das von der Designerin Jessica Walsh ins Leben gerufen wurde (hier unser Interview mit ihr zum Thema Feminismus). Mittlerweile gibt es über 180 sogenannte Chapters in Städten auf der ganzen Welt – in Hamburg seit 2018. Die Gründerinnen Karolin Berndt und Anissa Carrington veranstalten regelmäßige Events zum Austauschen und Voneinander-Lernen. Auf dem Laufenden bleibt man über ihre Website oder ihre Facebook-Seite. Auf der Website haben die beiden außerdem eine Liste mit Kreativ-Ladies aus Hamburg angelegt, die stetig erweitert wird. Wir stellen in unserer Porträt-Reihe einige davon en detail vor.

Folge 1: Beate und Martha von Studio morgen

Folge 3: Designerin & Artdirektorin Ann Eckert

Noch mehr Netzwerke für Gestalterinnen haben wir hier gesammelt.

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