Wie ergeht es Berufseinsteigern in der Kreativbranche? Im zweiten Teil der Serie berichten u. a. eine auszubildende Mediengestalterin und ein Junior Art Director von ihren Erfahrungen.
Was erleben Berufseinsteiger in der Design- und Kreativbranche? Wir sind dieser Frage nachgegangen und haben uns ausführlich mit etwa 30 Design-Newbies unterhalten. Sie haben uns erzählt, wie ihre Ausbildung oder ihr Studium sie auf den Berufsalltag vorbereitet haben und wie sich der Einstieg gestaltete. Ihre Erfahrungsberichte teilen wir hier nach und nach in unserer siebenteiligen Serie …
Vanessa Roder, 25, auszubildende Mediengestalterin bei Geist, Kirch & Hof, St. Ingbert:
»Ich habe fünf Semester Medieninformatik studiert und dann eingesehen, dass das nichts für mich ist. Nach einer etwas längeren Suche habe ich bei einem Unternehmen einen Ausbildungsplatz zur Mediengestalterin gefunden. Letztes Jahr wurde dann die Marketingabteilung ausgegliedert, jetzt sind wir eine eigene Werbeagentur, die neben dem Unternehmen auch andere Kunden betreut. So haben wir mehr Abwechslung und können kreativer arbeiten. Neben dem Privatbereich arbeite ich auch oft an der Gestaltung von Webseiten mit, da helfen natürlich meine Informatik-Vorkenntnisse. Ich habe zudem von Anfang an in der Konzeption mitgearbeitet, bringe eigene Ideen mit ein, fertige Reinzeichnungen an und bin komplett eingespannt, was mir sehr gut gefällt. Meine Mitschüler dümpeln oft drei Jahre in der Reinzeichnung rum oder überprüfen PDFs – mit einem kreativen Beruf hat das nichts zu tun.
Meiner Meinung nach sollte der Lehrplan dringend überarbeitet werden.
Der schulische Teil ist allerdings relativ schlecht. Viele Inhalte sind für den Berufsalltag nicht relevant, Angebotskalkulation zum Beispiel. Die Ausbildung ist auf alle Fachbereiche ausgelegt, sodass jeder bestimmt ein halbes Jahr lang Dinge lernt, die er nicht brauchen wird. Meiner Meinung nach sollte der Lehrplan dringend überarbeitet werden. Aber wir machen auch viele Praxisübungen, die Programme sind auf dem neuesten Stand und wir haben letztes Jahr neue iMacs bekommen. Was mir fehlt in der Schule: Bildbearbeitungen und Bildmontagen. Das mache ich bei uns in der Agentur eher selten, es wird in den Prüfungen aber immer verlangt.«
»Während meines Kommunikationsdesign-Studiums an der FH Dortmund konnte ich mit verschiedenen Techniken und Methoden experimentieren. Darauf greife ich in meinem Job sehr häufig zurück: Es lohnt sich immer, noch ein bisschen mehr auszuprobieren. Auch wenn man ein Layout für perfekt hält, empfiehlt es sich, einen weiteren Weg zu versuchen, bevor man es seinem Creative Director präsentiert. Das Ergebnis ist meist besser – und der Creative Director muss nicht darauf hinweisen, dass man noch was anderes testen sollte, weil man schon selbst darauf gekommen ist. Generell gilt: Man sollte immer hungrig sein, etwas weiter zu verbessern. Ich habe außerdem gelernt: Wer in einer Agentur arbeitet, darf nicht still in der Ecke sitzen, sondern sollte Initiative zeigen.
Niemand arbeitet gern mit jemandem zusammen, der ihm nur nach der Pfeife tanzt.
Dazu gehört, auch mal seine Meinung zu äußern – natürlich immer respektvoll. Man darf Contra geben und widersprechen, wenn man dabei freundlich bleibt. Niemand arbeitet gern mit jemandem zusammen, der ihm nur nach der Pfeife tanzt. Gleichzeitig sollte man Kritik nicht persönlich nehmen, einen kühlen Kopf bewahren – und zeigen, dass man bereit ist, etwas zu lernen, statt so zu tun, als könnte einem niemand mehr etwas beibringen. Man sollte sich außerdem in die Lage der Kunden versetzen können. Ansonsten muss man schnell sein im Agenturalltag, das Tempo ist enorm. In Bezug auf Programme würde ich sagen, dass Grundkenntnisse ein Muss sind. Die meisten vernachlässigen InDesign. Denkt dran: Photoshop ist ein Tool für die Bildbearbeitung, nicht zum Bauen von Layouts! Und: Man muss nicht immer in Ausstellungen gehen, sondern kann zu Inspirationszwecken seinen persönlichen Interessen folgen. Ich gucke beispielsweise sehr gern animierte Serien, daraufhin habe ich mir auch Cinema 4D selbst beigebracht. Wenn es eine Leidenschaft ist, muss man sich nicht dazu zwingen, in der Freizeit etwas zu machen.«
»Direkt im Anschluss an meinen Bachelor an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel habe ich mit dem Masterstudium begonnen. Mir war es wichtig, währenddessen praktische Erfahrungen zu sammeln, weswegen ich zwei Langzeitpraktika absolviert habe – in einer kleineren Designagentur in Hamburg und beim Kolle-Rebbe-Ableger Korefe. Die Praktika waren zwar im Studienplan nicht vorgesehen, ich konnte sie trotzdem unkompliziert einbauen. Für mein zweites Praktikum habe ich mir einfach ein Urlaubssemester genommen. Ich glaube, dass seit der Einführung des Mindestlohns die Ansprüche an Praktikanten höher geworden sind, man wird fast wie ein Trainee behandelt. Anfangs musste ich mich an manches erst mal gewöhnen: An der Uni hat man für alles viel mehr Zeit! Auch der Kundenumgang war neu für mich, man kommt aber schnell rein.
Digital und Print werden an der Uni häufig getrennt behandelt.
Um Kontakte in die Agenturszene zu knüpfen, habe ich beim Speedrecruiting des ADC Festivals teilgenommen. Daraus hat sich auch das Praktikum bei Korefe ergeben, das mir sehr gut gefallen hat: Ich war Teil des Teams, konnte eigenverantwortlich arbeiten und habe sehr viel gelernt. Und jetzt betreut mein ehemaliger Chef sogar meine Masterarbeit. Im ersten Praktikum habe ich gemerkt, dass mir bei Programmen wie Photoshop noch ein bisschen was fehlt, also habe ich mir mithilfe von Tutorials viel beigebracht, was über den Uni-Stoff hinausging – was mir dann auch im zweiten Praktikum sehr geholfen hat. Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden mit meinem Studium, unsere Professoren kommen alle aus der Praxis, sodass wir gute Einblicke bekommen. Nur: Digital und Print werden an der Uni häufig getrennt behandelt. Dabei ist ein Medium ja nur ein Medium – jedes Thema, jede Arbeit lässt sich auf ganz verschiedene Arten umsetzen.«
Lisa Barth, 28, Grafikdesign & Marketing, Sontra:
»Ich habe während meiner Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation Flyer designt und wusste: Das ist mein Ding, ich will gestalten! Am liebsten wollte ich nach der Ausbildung ein BA-Studium machen, das war allerdings sehr schwierig zu finden, weswegen ich mich für ein Online-Studium neben der Arbeit in einer Marketing-Agentur entschied. Tutorials auf YouTube und Udemy waren mein Freund und Helfer, denn in der Agentur wurde ich oft ins kalte Wasser geschmissen. Alles Technische habe ich mir selbst beigebracht. Nach dem Studium habe ich bei meiner jetzigen Agentur angefangen, die auf Apps spezialisiert ist. Wieder musste ich mir viel selbst beibringen, vor allem auch im Bereich Onlinemarketing.
Die Bereitschaft, sich selbst Dinge beizubringen, sollte in unserem Beruf auf jeden Fall da sein, da er sehr komplex ist.
Ich merke manchmal, dass mir tiefgründiges technisches Wissen fehlt. Doch ich glaube, dass meine Leidenschaft zum Design das wieder wettmacht. Die Bereitschaft, sich selbst Dinge beizubringen, sollte in unserem Beruf auf jeden Fall da sein, da er sehr komplex ist. Man stößt ständig auf Dinge, die man noch nicht kennt. Man muss die Komfortzone verlassen und sich mit Themen beschäftigen, die einem nicht liegen – damit sie einem zukünftig liegen werden. Wenn ich die Wahl habe, entscheide ich mich bei einer Aufgabe immer für die Sache, die ich weniger gut oder noch garnicht kann, um besser darin zu werden.«
Teil 4: »Das technische Wissen wirkte an der Uni zum Teil veraltet«: Eine Junior-Product-Designerin, eine Designerin mit Lehrauftrag und eine Motion-Design-Volontärin teilen ihre Erfahrungen. Außerdem gibt’s einen anonymen Bericht, von jemandem, der die Branche sehr negativ erlebt hat.
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