Der Schweizer Gestalter Friedrich-W. Graf im Gespräch über seinen Werdegang, seinen Gestaltungsprozess, Trends im Buchdesign und Tipps für angehende Buchgestalter:innen.
Faszinierendes Cover, schöner Umschlag, angenehmes Papier und Aufschlagverhalten: Nicht nur der Inhalt macht ein gutes Buch aus. Das wissen Gestalter natürlich. Für unseren Artikel über Buchdesign in PAGE 5.21 haben wir mit unterschiedlichen Buchdesignern gesprochen.
Hier steht uns Friedrich-W. Graf vom Designstudio Unfolded aus Zürich Rede und Antwort.
Wie bist du zum Buchdesign gekommen?
Ich habe Visuelle Kommunikation an der Hochschule für Gestaltung und Kunst (heute: Zürcher Hochschule der Künste) studiert, währenddessen schon für Kunden gearbeitet und nach dem Abschluss 2003 das Büro unfolded mitgegründet. Wir haben schon immer viel im Editorial-Bereich gearbeitet und anfangs vor allem Theaterprogramme gestaltet. Irgendwann kam der Verlag NZZ Libro auf uns zu und beauftragte uns mit der Gestaltung der Buchreihe »Die neue Polis«. Kurz darauf folgte die erste Künstlerpublikation und wir haben uns nach und nach unter anderem auf Buchdesign spezialisiert.
Was ist dein Schwerpunkt?
Ich gestalte vor allem Künstlerbücher. Covergestaltung allein – nach dem amerikanischen Vorbild – finde ich uninteressant.
Was gefällt dir besonders am Buchdesign?
Wir sind oft in der luxuriösen Position, Bücher mitentwickeln zu können und nicht bloß ein Manuskript umzusetzen. So machen wir Bücher, die uns selbst gefallen und die wir uns gern ins eigene Buchregal stellen.
Vorgehen bei der Buchgestaltung
Wie gehst du an die Gestaltung heran?
Ganz wichtig ist es, sich genug Zeit zu nehmen. Als erstes setze ich mich mit dem Inhalt auseinander. Womit haben wir es hier eigentlich zu tun? Danach baue ich das Grundgerüst – lege also Format, Satzspiegel und Schrift fest. Und dann heißt es: machen, vergleichen, verwerfen, weitermachen! Wir probieren viel aus, basteln Blindmuster und Prototypen. Dabei ist mir wichtig, immer mit dem echten Inhalt zu arbeiten. Von Blindtext halte ich nichts. Danach folgt ein Prozess des kontinuierlichen Editierens und Weiterentwickelns. Mir persönlich ist das Ideen-Pingpong mit anderen Gestaltern, der Diskurs mit den Autorinnen und dem Verlag sehr wichtig.
Welche deiner Bücher magst du besonders (und warum)? »Züri Notebook« (International Office ZHdK): Hier handelt es sich um ein Notizbuch für ZHdK-Studierende, die ein Auslandssemester machen. Darin stehen kleine Anregungen und Aufgaben, die zu einer kreativen Auseinandersetzung mit der neuen Umgebung anregen. Das Besondere: Wir haben dafür mit dem Illustrator Stefan Marx zusammengearbeitet, der liebevoll illustriert und die Texte von Hand geschrieben hat. Mitbeteiligt war der Designer Piero Glina.
»Stefan Burger. Sehr sehr dünne Suppe« von Sabine Schaschl und Urs Stahel (Christoph Merian Verlag): Das war unser erstes Künstlerbuch. Es war besonders anspruchsvoll aufgrund des Ausgangsmaterials: zehn Jahre Archivmaterial des Fotografen Stefan Burger! Wir mussten eine Dramaturgie finden sowie eine sinnvolle Gestaltung, die dem Inhalt gerecht wird. Auch im Rückblick finden wir, dass und einiges gelungen ist. Mit im Team war hier die Designern Alina Günter.
»Vom guten Wohnen. Vier Zürcher Hausbiografien von 1915 bis zu Gegenwart« von Marie Antoinette Glaser und ETH Wohnforum (Niggli): Das Buch zeigt verschiedene Siedlungen in Zürich und wie sich entwickelt haben. Es hat einen hohen Textanteil mit vielen Archivbildern, die wir einheitlich schwarz-weiß zeigen, um die Qualitätsunterschiede auszugleichen. Zur Auflockerung ist jedem Kapitel eine Fotostrecke mit aktuellen Aufnahmen vorgelagert. Hier haben wir den Fotografen Peter Hauser gebeten, dass ganz alltägliche Blickwinkel zu sehen sind – man nähert sich den Vierteln an wie bei einem Spaziergang. Auch hier habe ich mit Piero Glina zusammengearbeitet.
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Tipps für angehende Buchgestalter
Gibt es andere Buchgestalter:innen, deren Arbeiten du bewunderst?
Die Schweiz hat eine lange Tradition im hochwertigen Buchdesign. Die Zürcher Studios Bonbon und Norm machen sehr schöne und interessante Bücher, ebenso Cornel Windlin, Yann Do und Urs Lehni. Außerdem wäre noch Josef Müller-Brockmann zu nennen, auf dessen Schultern wir als Gestalter stehen. Er hat nicht nur wunderbare Bücher gestaltet, sondern sein Wissen unter anderem in dem Handbuch »Rastersysteme für die visuelle Gestaltung« weitergegeben.
Welche Trends beobachtest du gerade im Buchdesign?
Ich würde es eher als Wellen bezeichnen. Die fallen mir vor allem bei Materialbenutzung und Herstellung auf. Zum Beispiel waren in den letzten Monaten generische Systemfonts (meistens aus unseriösen Quellen) sehr beliebt und im Moment gibt es immer öfter Spiralbindungen (auch Wire-O genannt) zu bestaunen, die eigentlich besser im Copyshop geblieben wären – Ausnahmen bestätigen die Regel.
Was sind deine Tipps für angehende Buchgestalter:innen?
Es braucht ernsthaftes Interesse und Leidenschaft. Wenn man eine bestimme Qualität erreichen will, muss man immer mehr Arbeit reinstecken als am Ende auf der Abrechnung steht. Außerdem: Macht viel selbst! Ausdrucken, Verwerfen, Falten, Kleben, Binden – nur durchs Machen lernt man. Wartet nicht, bis was passiert, sondern produziert selbst Bücher in Kleinstauflage. Auch wichtig: Füllt euren Köcher! Geht in Bibliotheken und Buchläden, in Antiquariate, Ebay etc. und baut euch ein eigenes Referenzsystem auf: Seht euch an, was schon gemacht wurde und wie – und lernt daraus für eure eigene Gestaltung. Und dazu kommt das Reflektieren und Artikulieren – ihr müsst über eure Arbeit sprechen können, um sie gegenüber Lektoren, Künstlern, Autoren und Verlagen begründen und verteidigen zu können.
Dieser Beitrag ist erstmals am 12. April 2021 erschienen.
Züri Notebook mit Illustrator Stefan Marx
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