Hier spielt der Hintergrund die Hauptrolle – und das »(fast) ganz in Weiß«.
Papier ist geduldig, aber auch teuer! Dicht bedruckte Zeitungsseiten und eng gesetzte Texte fast ohne Zeilendurchschuss – derlei Lesestrecken lassen sich nur dann mühelos bewältigen, wenn die Schrift gut auf die Bedürfnisse der Augen abgestimmt ist. Und tatsächlich tragen exklusiv für den Zeitungssatz entworfene Schriften wie die Times New Roman oder die niederländische Swift diesem Umstand Rechnung, indem sie beispielsweise Buchstaben wie e, a oder das c in der Form bewusst offen halten, um einen möglichst optimal den Lesefluss unterstützenden typografischen Weißraum zu schaffen. Im Prinzip ist Benutzerfreundlichkeit das Stichwort – eben Ergonomie fürs Auge.
Doch soll es um Mikro-Weißraum an dieser Stelle gar nicht gehen. Hier ist sein großer Bruder, der Makro-Weißraum, das Thema – für Print, Web und mobile Medien.
Luft und Negativraum, das also, was man landläufig Weissraum nennt, könnten als Gestalt-Elemente eigentlich auch farbig sein: So stehen Headlines, Bodytexte, Tabellen und Formulare auf Webseiten nicht selten auf farbigem Hintergrund. Gleiches gilt natürlich für Printprodukte.
Im Buch- und Zeitschriftendruck allerdings kamen sogenannte Farbfonds früher höchstens auf einigen wenigen Seiten vor, weil die Druckerei für Vierfarbdruck ungleich mehr berechnete als für einen einfachen Graustufen-Print. Keine 20 Jahre ist es her, dass man für weniger prominente Seiten auf den Cyan-, Magenta- und Yellow-Film verzichtete und es bei Graustufen beließ. Vielleicht liegt hier einer der (eigentlich noch recht jungen) historischen Gründe für die lange Tradition im Umgang mit Weißraum verborgen: Kann man schon keine Farben drucken, weil zu teuer, so doch wenigstens für eine optimale Wirkung viel im Layout weiß lassen.
Andersherum steht »wirklich« weißer Weißraum nicht nur für edles Design, das zumeist Premium-Produkte optisch aufwertet, so als handelte es sich um Schreibschrift auf hochwertigem Büttenpapier, sondern erzeugt eben auch höhere Kosten – nicht nur im Print-Bereich, sondern auch online: Die Darstellung weißer Webseiten frisst schlicht mehr Strom. Wirklich nachhaltiger Weißraum müsste im Internetzeitalter eigentlich »Schwarzraum« heißen! Doch das nur am Rande …
Fast sprichwörtlich ist der Kampf im Editorial Design um Platz, den die Redakteure nicht ohne Widerstand hergeben – nicht nur, damit man im Print-Layout das Bildmaterial größer aufziehen kann, sondern auch, um mehr Freiheit im Umgang mit Weißraum zu haben. Ein mit viel Weiß gesegnetes Layout hat eben einfach eine gediegene Ausstrahlung, es verströmt Gelassenheit und vermittelt den Eindruck einer besseren Leserführung. Andersherum fühlen sich manche Leser betrogen um das Mehr an Information, das auf den Seiten auch noch hätte Platz finden können … Geschmackssache eben. Am Ende hilft die durch das Weißraumdiktat erzeugte Platznot dem Blattmacher, inhaltliche Prioritäten zu setzen.
In dem von uns wiederaufgelegten Artikel von PAGE-Autorin Jutta Nachtwey tritt der Hintergrund in den Vordergrund. Und der ist weiß! Da wären zunächst Packaging-Konzepte und einzelne Beispiele aus dem Verpackungsdesign, die Weiß gekonnt einsetzen, um höchstmögliche Aufmerksamkeit für die Marke zu erreichen. Klar, dass hier, wie im hochwertigen Buchdruck sowie in der Gestaltung und Umsetzung von Katalogen, Visitenkarten oder Faltblättern Themen wie Druckveredelung und Papierveredelung, etwa durch Blindprägung, relevant werden. Auch Fragen nach den richtigen Papiersorten oder ob überhaupt Papier oder nicht besser Pappe, Karton oder Kartonage Bedruckstoff der Wahl sein sollte, kommen in diesem Kontext auf den Tisch.
In Kunstprojekten und Ausstellungsdesigns ist es dagegen eher das Zusammenspiel von Typografie und Leitsystem fürs Event Branding und um eine schlüssige Corporate Identity etwa im Museums- oder Galerie-Umfeld zu schaffen.
Das alles und noch viel mehr gilt natürlich auch für die Kanäle Web und Mobile, hier folgt Weißraum ganz anderen Regeln, prägt Interaktionsszenarien – und sorgt für neue Website-Inspiration. Hier geht’s zum eDossier-Download im PAGE Shop.