Kein Wunder, dass für Pentagram-Partner Andrea Trabucco-Campos Typografie eine Superkraft ist. Verbunden mit italienischer Leidenschaft, mit Lebensgefühl und Kunst, hat er das Restaurant Bacàn mit einer Identity versehen, die ihresgleichen sucht.
Seit Ende 2023 ist Andrea Trabucco-Campos Partner bei Pentagram New York und hatte bereits zuvor, und das mit gerade mal Mitte 30, die er heute ist, eine beachtliche Karriere als Creative Director hinter sich.
Er experimentiert neugierig mit KI, aber vor allem blickt er leidenschaftlich in die Vergangenheit zurück. Und das besonders gerne in seinen mehr als 6.000 Büchern.
Eigentlich ein Zufall, dass er so viele hat, wie er Anfang dieses Jahres im großen PAGE Interview sagte. Mit Absicht gesammelt hätte er nie. Gleichzeitig hat er sich schon als Student, als es darum ging, zum Essen zu gehen oder sein Geld in den Buchladen zu tragen, fast immer für letzteres entschieden.
So ist es auch kein Wunder, dass die Identity, die er für das wiedereröffnete italienische Restaurant Bacàn im Herzen von Williamsburg, Brooklyn, gestaltete, auch mit einem leisen Nicken Richtung des frühen Futurismus versehen ist, der Anfang des 20. Jahrhunderts in Italien entstand.
Und da interessiert ihn besonders der Künstler Fortunato Depero und dessen Plakate, die er in den 1920er-Jahren für Campari gestaltete – und das mit Schwung, mit geometrischen Formen und scharfen Schnitten.
Mitreißende »Laut«-Schrift
Diese scharfen Schnitte finden sich in dem eigens gezeichneten Font Grand Bacàn Sans wieder, der die Holz- und Metallschriften zitiert, die um 1900 Italiens visuelle Sprache prägten – und vor allem den Namen des Restaurants auf ganz eigene Art interpretiert.
Schließlich sei »Typografie eine Superpower«, wie Andrea Trabucco-Campos sagt – und so visualisiert sie den Begriff Bacàn, der in Norditalien für den mitreißenden Klang einer Dinnerparty steht. Wenn die Stimmen durcheinanderwirbeln und irgendwann lauter als die Musik sind, Besteck und Geschirr klappern, wenn Gläser klirren, es hoch hergeht und freudiges Lachen zu hören ist.
Die Buchstaben der Grand Bacàn Sans formen sich zu Schallwellen, die die gesamte Identity bestimmen, die sich ausdehnen und kollidieren, übereinander purzeln und Leidenschaft und Energie verströmen.
Und sie sind dabei sogar variabel. Denn die Schrift kommt in drei unterschiedlichen Schnitten, die immer kräftiger, heißt, quasi lauter werden und auch miteinander kombiniert werden können.
Sie stehen ordentlich in Reih und Glied oder sind in Aufruhr und folgen so der Choreografie eines gelungenen italienischen Abendessens, bei dem am Ende ein köstliches Chaos auf dem Tisch herrscht.
Kunstvoller Balanceakt
Ergänzt wird die Grand Bacàn Sans durch die Piek der Schweizer Foundry Optimo, die gut lesbar ist, aber gleichzeitig über jede Menge Personality verfügt, um sich zu behaupten.
Im schönsten Schwarzweiß und auch in Naturtönen ergeben sich dynamische Formen, die auseinander stoben und sich zusammenziehen, an die Illusionen der Op-Art erinnern und an die Lebendigkeit einer ausgelassenen Gesellschaft.
Vor allem aber balanciert die Identity, die den coolen Chic Italiens ebenso wie dessen Grandezza einfängt, so gekonnt zwischen Kommunikation und Abstraktion und zwischen Schrift und Form, dass man gar nicht aufhören möchte, ihr dabei zuzusehen.