Was Berufseinsteiger in der Designbranche erleben, erzählen im sechsten Teil unserer Serie u.a. ein Markenstratege und eine Grafikdesignerin.
Weil wir wissen wollten, was Berufseinsteiger in der Kreativbranche erleben, haben wir uns kürzlich mit etwa 30 von ihnen unterhalten. Ihre Berichte stellen wir nach und nach in einer siebenteiligen Serie vor. Zeit für Teil 6!
Gwen Iffland, 22, Manager of Creatives Services, Eisele Communications, Frankfurt am Main:
»Nach meiner Ausbildung fing ich bei einer Eventagentur als Assistenz des Kreativdirektors an. Alles lief super – doch nach zwei Monaten kündigte sich eine Umbruchsphase an, in der mir nach und nach seine Aufgaben übertragen wurden. Da große Unternehmen wie Lufthansa oder BMW zu unseren Kunden gehörten, hatte ich auf einmal sehr viel zu tun. Ich musste mir vieles selbst beibringen, zum Beispiel Webdesign, Social-Media-Marketing und die ganzen Programme. Zum Glück macht mir das viel Spaß, und im grafischen Bereich konnten mir Freunde helfen.
Ich wusste: Das ist eine Riesenchance!
Trotzdem lastete ganz schön viel auf meinen Schultern und zwischendurch dachte ich auch mal, dass ich das nicht schaffe. Gleichzeitig wusste ich aber: Das ist eine Riesenchance! Manchmal muss man sich eben durchbeißen. Jetzt bin ich seit einem Jahr hier und leite die Abteilung. Ich habe in kurzer Zeit so viel gelernt wie noch nie. Vor einem Jahr gab es Anforderungen, die ich mir kaum zugetraut hätte, mittlerweile lege ich einfach los. Weil sich bei mir alles so radikal entwickelt hat, ist mein Arbeitsalltag komplett anders, als ich erwartet hatte. Ich dachte, das wird ein cooler, entspannter Agenturjob – was wahrscheinlich sowieso ein Widerspruch ist!«
Florian Fick, 26, Junior Brand Strategy Consultant, Martin et Karczinski, München:
»Im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen habe ich nicht studiert, sondern eine Ausbildung bei der Agentur Lambie-Nairn gemacht. Dort habe ich viel gelernt, hatte einen tollen Mentor und begeisterte mich für das Thema Marke. Da leider keine Stelle frei war, bewarb ich mich bei renommierten Agenturen um ein Praktikum. Die Rückmeldungen waren positiv, und im Bewerbungsverfahren kam ich immer weiter. Doch anschließend hieß es gleich mehrfach: »Wir würden dich gern nehmen, uns ist aber aufgefallen, dass wir dir den Mindestlohn zahlen müssten, was uns nicht möglich ist.« Das war bitter! Ich hatte viel Zeit investiert, und sie hätten mir eine Chance gegeben – aber dieser blöde Mindestlohn, der gerade eingeführt worden war, verbaute sie mir. Ich hätte gern darauf verzichtet, doch das ging nicht.
Ich bin extrem dankbar für das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde. Das trägt auch zur Loyalität gegenüber der Agentur bei.
Erst mein jetziger Arbeitgeber Martin et Karczinski sicherte mir zu, dass wir eine Lösung finden. Ich habe dann nicht sechs, sondern lediglich drei Monate als Praktikant gearbeitet – der Mindestlohn fällt ja erst für längere Praktika an. Anschließend stieg ich zum Trainee auf, und seit eineinhalb Jahren bin ich Junior Brand Strategy Consultant und darf jetzt Unternehmen wie Fresenius Medical Care oder Lufthansa beraten. Ich bin extrem dankbar für das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde. Das trägt auch zur Loyalität bei. Es ist schon vorgekommen, dass sich Agenturen von damals mit Jobangeboten meldeten – ich habe abgelehnt.
Catrin Mungenast, 24, Grafikdesignerin, studio spitzar, Dornbirn (Österreich):
»Als Kind hat mich meine Kreativität vor schlechten Noten gerettet. Ich hatte stets die schönsten Zierleisten im Biologie Heft, und man hat sich immer auf meine Referate gefreut, da meine Präsentationen die geilsten waren. Und schon immer war ich der kreative Kopf der Familie. Das führte dazu, dass ich für die Gestaltung sämtlicher Kalender, Visitenkarten, Flyer, Geschenke oder Gutscheine zuständig war. Naheliegend also, dass ich nach meiner Matura an der Tourismusschule nach wie vor auf der Suche nach Möglichkeiten war, meine Kreativität wirklich ausleben zu können. Ich entschloss mich, einen einjährigen Werbelehrgang mit dem Schwerpunkt Marketing und Gestaltung zu absolvieren.
Am meisten gelernt habe ich beim Arbeiten. Ich bin daher sehr zufrieden, dass ich so viel Arbeitserfahrung sammeln konnte und die Ausbildung nebenberuflich hingekriegt habe.
Anschließend habe ich ein berufsbegleitendes Kommunikationsdesign–Studium in München angehängt. An der Uni ging es dann hauptsächlich um Editorial Design und Layouts. Fragen wie »Wie argumentiert und begründet man, warum man etwas in einer bestimmten Art und Weise gestaltet hat?« haben mir persönlich gefehlt. Der Werbelehrgang war rückblickend sinnvoller, weil auch Marketing-Hintergrundwissen und Designgrundlagen vermittelt wurden. Wir haben viel über Storytelling gelernt, wie man Geschichten visuell aufbaut und erzählt, und wie man ein Konzept in eine gute Präsentation verpackt. In den Semesterarbeiten ging es nach dem Briefing direkt an die Umsetzung. Bei den einzelnen Zwischenschritten haben wir Studenten uns untereinander unter die Arme gegriffen. Am meisten gelernt habe ich jedoch beim Arbeiten. Rückblickend bin ich daher megazufrieden, dass ich so viel Arbeitserfahrung sammeln konnte und die Ausbildung nebenberuflich hingekriegt habe. Auch wenn es auf Kosten meiner Wochenenden ging.
Ich habe gleich festgestellt: In Agenturen wird sehr geschätzt, wenn man sofort richtig arbeiten kann. Da ich nicht frisch von der Uni komme, und den Arbeitsalltag bereits gewohnt bin, machen mir acht Stunden am Stück zu arbeiten nichts aus. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich von Anfang an voll mit einsteigen durfte – denn mir wird hier in der Designagentur studio spitzar, in der ich seit dem Sommer 2017 in einem kleinen kreativen Team mit vielen coolen Ideen arbeite, richtig viel zugetraut, was ich sehr schön finde. Auch ohne alles durch die rosarote Brille zu betrachten, habe ich endlich das Gefühl, in meiner Wohlfühlzone angelangt zu sein. Acht Stunden am Tag kreativ zu sein ist nicht immer so kinderleicht, aber es macht mir total viel Spaß.«
Teil 4: »Das technische Wissen wirkte an der Uni zum Teil veraltet«: Eine Junior-Product-Designerin, eine Designerin mit Lehrauftrag und eine Motion-Design-Volontärin teilen ihre Erfahrungen. Außerdem gibt’s einen anonymen Bericht, von jemandem, der die Branche sehr negativ erlebt hat.