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VW-Logo: Leicht, schlank, transparent

Der Auftritt einer Automobilmarke ist derzeit eine hochpolitische Angelegenheit: Wie sich das neue VW-Logo in dieser Situation positioniert, ordnet Johannes Erler in seiner Designkritik-Kolumne ein

Das neue VW-Logo ist die visuelle Antithese zum SUV-Irrsinn

Vor etwa 15 Jahren nahm mich ein Freund mit in so ein High-Fidelity-Studio, wo man Musikanlagen feinster Qualität zu gröbsten Preisen bestaunen kann. Dort saß er dann selig vor gigantischen Boxentürmen, die durch daumendicke Kupferkabel mit glänzenden Endstufen und Equalizern kommunizier­ten. Ich jedoch interessierte mich mehr für einen winzi­gen Kasten, der etwas abseits stand und ganz anders aussah. »Das!«, raunte mir der gewiefte Verkäu­fer zu, »Das ist der heiße Scheiß! Ich sag nur: Reduktion!« Und dann erklärte er mir, dass ein japanisches Genie aus diesem Gerät einfach alles ausgebaut hät­te, was da angeblich reinmuss (Kondensatoren, Drahtbrücken, Platinen), auch die Kabel maximal verdünnt hätte und siehe da: Der Sound, der aus dem Hi-Fi-Zwerg perlte, war genauso brillant wie nebenan bei meinem Freund. »Weil«, so der Fachmann, »die Mu­sik nicht so viele Widerstände überwinden muss.« Das leuchtete mir sofort ein. Und ich beschloss, dass Verzicht und Reduktion die Zukunft seien.

An diese Geschichte muss ich seitdem immer wie­der denken. Auch, als ich jetzt das neue VW-Logo sah.

Und ohne mich auch nur eine Sekunde mit den Hintergründen dieses gewaltigen Relaunchs beschäftigt zu haben, sah ich in diesem Sinne – Verzicht, Reduk­tion – plötzlich die Zukunft der Mobilität. In einem Logo! Und das meine ich nicht ironisch.

Hirn.

»Fridays for Future«, Abgasskandal, Klimaziele, CO2-Steuer, Wirtschaftsstandort Deutschland, E-Mobilität: Die Auto-Buzzwords fliegen uns gerade wie Schrapnelle um die feinstaubverstopften Ohren. Alles! muss! anders! Einerseits sofort, andererseits aber bitte nicht zu heftig. Dieses dauerstressige Paradoxon implodiert in der News-Zeile, dass »trotz Klimadiskussion der Trend zum SUV in Deutschland ungebrochen ist«. Und zwischen der Nachricht, dass nun auch noch Porsche einen tonnenschweren E-Boliden über die Straßen jagen will, und Christian Lindners Menetekel eines »autoritären Ökologismus« suche ich nach einer Lösung, die den notwendigen Verzicht mit gewohntem Komfort verbinden kann (wenn das überhaupt geht) – und entdecke das neue VW-Logo: leicht, schlank, transparent. Die visuelle Antithese zum SUV-Irrsinn. So lese ich es. So muss es gedacht sein. Und wenn so die Mobilität der Zukunft aussähe, fände ich dies erst mal spannend.

Hand.

Flat und dünner machen ja gerade alle, aber das W aus dem Kreis zu lösen und quasi zum Schweben zu bringen ist eine brillante Idee, weil es der sicht­bare Schritt nach vorn auf der Schwelle der mobilen Zeitenwende ist (in diesem Sinne wäre das oft er­wähn­te Logo von 1967 eben keine Lösung gewesen). Und ja, vielleicht sind die runden W-Ecken und der ziem­lich dünne Kreis diskutabel, doch wer in nächs­ter Zeit mal wieder hinter einem VW im Stau steckt, dem wird das alte Logo in seiner durchhängenden Bräsigkeit vorkommen wie der Schlussakkord auf den ollen Benziner.

Das New-Volkswagen-Corporate-Design als Gan­zes (Farbkonzept, Bildwelten, Schrift, Gestaltungsraster) finde ich allenfalls gelungen, doch das Logo transportiert aus einer schlauen Handwerklichkeit und dem Trick mit dem W ein modernes Mindset auf kleinstem Raum.

Herz.

Ich verstehe nichts von Autos, und den Fetisch Auto habe ich nie begriffen, aber ich sehe natürlich, dass die Zukunft der Mobilität ein Thema ist. Wenn nun VW seine großspurigen Versprechun­gen wahr machen und mit dem ID.3 so etwas wie die zeitgemäße, umweltverträgliche Variante von Käfer oder Golf gelungen sein sollte, dann finde ich das eine gute Nachricht (Warum heißt das Ding eigentlich so pseudomodern ID.3 und nicht Hannah oder Lina?). Das Logo jedenfalls weist in diese Richtung. Denn so wünsche ich mir moderne Mobilität: leicht, praktisch und effizient im Energieverbrauch. Das Lo­go setzt solche Fantasien frei, und für den Moment möchte ich gern daran glauben, dass sie wahr werden. Mehr kann ein Logo nicht leisten.

PS: Soeben erreicht mich das Gerücht, dass VW mut­maßlich auch noch nach Offenlegung des Die­sel-Skan­dals »Schummel-Software« in neue Modelle mit der Euro-­6-Abgasnorm eingebaut haben soll. Tja …

Johannes Erler ist Partner des Designbüros EST ErlerSkibbe­Tönsmann in Hamburg, Mitglied im Art Directors Club Deutschland, Juror in zahlreichen Designjurys, Autor von Büchern über Design und Moderator der Designkonferenz TYPO Berlin | © Foto: Robert Grischek

 

 

 

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich erlaube mir auch einen Kommentar. Wichtig dabei: Ich verstehe eher wenig von Design, dafür aber etwas von Autos und auch High End Audio. Das alte, dreidimensionale Logo strahlt Wertigkeit und Liebe zum Detail in vielen Facetten aus, aber auch eine gewisse Schwere. Fett irgendwie. Das neue Design wirkt wie Retro in Richtung der Ur-Version von 1937, die ein Porsche-Mitarbeiter entwarf. Facettenlos, maximal reduziert, mager, platt. Das Schweben der Buchstaben verstehe ich nicht, das muss was für Insider sein. Irgendwie ist das für mich so inhaltsleer wie die ganze Aktion an sich. Aber Claqueure gibt es immer, egal wie skurril etwas sein mag. Leider ist Show heute wichtiger als Inhalt. Bem.: Niemand möge sich angegriffen fühlen – dies ist meine Meinung, die nicht jeder teilen muß. Ich respektiere andere Sichtweisen.

  2. Flat und Clear – Gut und Schön. Aus meiner Sicht hat das neue Logo doch gravierende Schwächen: 1.: Die Linienstärke des umgebenden Kreises ist dünner als die der Typo. 2.: Die abgerundeten Ecken des W. Hierdurch wirkt es unruhig und nicht stimmig – sogar instabil. Attribute, die ich mit VW nicht in Verbindung bringen möchte (aber auch durch das Dieselthema tue). Insofern passt es wieder.

  3. Deshalb ja auch der letzte Satz in meinem Text!

  4. Aus gestalterischer Sicht denke ich das mit dem neuen VW-Logo alles richtig gemacht wurde. Klar könnte man an dem einen oder anderen Detail herumkritisieren, aber da geht es dann nur um Marginalien. Auch der Zeitpunkt der Einführung des neuen Corporate Design könnte besser nicht sein. Das eigentliche Problem wird jedoch ersichtlich, wenn man das Corporate Design in Kombination mit Corporate Behaviour und Corporate Communication, also die gesamte VW Corporate Identity betrachtet. Die Tatsache, dass der VW-Konzern den Dieselskandal nie wirklich aufgearbeitet hat, lässt das neue Corporate Design wie eine Greenwashing Maßnahme wirken. Unterstrichen wird dies durch die erneuten Anschuldigungen das VW immer noch manipulierte Software in Dieselfahrzeugen einsetzt. Von daher gesehen trägt VW‘s neues Corporate Design eher zu einer Verschlechterung des Corporate Image bei. VW sollte deshalb ganz dringend an der eigenen Unternehmenskultur, am Verhalten (Corporate Behaviour) und an der Art wie sie kommunizieren (Corporate Communication) arbeiten. Erst wenn Corporate Identity und Corporate Image wieder in Einklang sind wird auch das neue Design seine volle Wirkung entfalten können.

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