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Du kannst keine Marke sein

Unser Kolumnist Jürgen Siebert geht den Widersprüchen des Begriffs Personal Branding auf den Grund

Jürgen siebert, Sieberts Fundstücke
© Norman Posselt

Das englische Wort »Personal« – in Kombination mit einem Objekt oder einer Tätigkeit – verursacht hierzulande oft Missverständnisse. Als Mitte der 1980er Jahre der PC populär wurde, nannte ihn die eine Hälfte der Deutschen »Personal Computer« (englisch ausgesprochen), die andere Hälfte verwendete das ein­ge­deut­schte »Personalcomputer«. Und genauso unterschiedlich, wie man sie aussprach, wurden sie auch eingesetzt, ja sogar Be­triebs­sys­tem und Design schienen diesem Verständnis zu folgen. Die PC-Welt spaltete sich: auf der einen Seite die ziemlich unpersönlichen Personalcomputer für Angestellte und Beamte, auf der anderen die Personal Computer für kreative Geister, die dann einen Apple- oder Atari-PC vor sich stehen hatten.

Der Begriff »Personal Branding« ist ebenfalls mit zwei Bedeutungen belegt, sogar international. Als der Unternehmensberater Tom Peters diese Methode 1997 in einem »FastCompany«-Artikel erstmals beschrieb, hatte er »die Marke als Person« im Sinn, also das Prinzip, einem Brand Persönlichkeit oder Mensch­lich­keit zu geben, anstatt ihn wie ein statisches Regelwerk zu verwalten. Es ging Peters nicht um Selbstvermarktung. In der englischen Wikipedia wird »Personal Branding« heute jedoch als die Praxis beschrieben, Menschen und ihre Karrieren wie Marken zu behandeln. Glücklicherweise steht am Anfang des Beitrags der Vermerk: »This article appears to contradict itself.«

Also: Personal Branding im Sinne einer Ich-AG ist das Vermarkten einer Person, während das Personal Branding von Unternehmen als persönliches Marketing verstanden sein will. Wel­che Auffassung ist richtig? Oder können beide Deutungen paral­lel existieren, so wie Personalcomputer und Personal Computer?

Sollte es tatsächlich so etwas wie Ich-Marken geben, fallen einem spontan Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Mahatma Gandhi oder Muhammad Ali ein oder, um jüngere Beispiele ins Spiel zu bringen, vielleicht Barack Obama, Steve Jobs oder Dirk Nowitzki. Neben ihrer Bekanntheit verbindet sie, dass sie Großartiges auf ihrem Feld geleistet haben. Trotzdem haben sie sich nicht vermarktet oder als Marke verstanden. Selbst wenn sie in der Werbung auftauchen, wie Dirk Nowitzki für ING: Die Bank ist die Marke, und Dirk Nowitzki ist Dirk Nowitzki, der im ING-Spot eine Rolle spielt.

Marken streben maximale Anerkennung an, indem sie um eine Idee herum eine Identität konstruieren. Marken sind nicht echt, sie sind künstliche, seelenlose Persönlichkeiten, die andere davon überzeugen sollen, dass sie toll sind. Branding basiert also auf einer Identitätskrise. Branding kreiert Produkte. Der Mensch ist aber kein Produkt.

Falsch verstandenes Personal Branding ist kein Weg, um sich als Mensch für eine bestimmte Rolle zu positionieren. Wer so ver­sucht, einen bestimmten Ruf aufzubauen oder nennenswer­te Einnahmen zu erzielen, zäumt das Pferd von hinten auf. Anerkennung und ein gutes Gehalt sind Ergebnisse, keine Ziele. Ein persönliches Ziel kann nur sein, zu lernen, sich auf die eigenen Fähigkeiten und den eigenen Stil zu fokussieren. Mit einem Wort: Authentizität.

Wer erleben möchte, wie Menschen dabei scheitern, sich als Marke zu positionieren, braucht nur durch die sozialen Netze zu flanieren, vor allem Instagram. Auffälligstes Merkmal einer miss­glückten Selbstvermarktung ist das Etikett »Person des öffentlichen Lebens«. Solche Personen gibt es tatsächlich, aber die müs­sen es nicht in ihre Vita schreiben. Alle anderen nennen sich »Influencer«. Vielleicht wird dieser Begriff ja irgendwann einmal als der missglückte Versuch eines Personal Branding in die Geschichte eingehen.

Vielleicht wird der Begriff Influencer einmal als der missglückte Versuch eines Personal Branding in die Geschichte eingehen.

 

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich muss dem Artikel in einem wesentlichen Punkt widersprechen: Branding kreiert keine Produkte. Branding schafft Identität und im Idealfall verleiht es einem Unternehmen auch Sinn. Beides ist auch für Einzelunternehmer wichtig, wenn sie Produkte und Leistungen anbieten wollen, die auf allen Ebenen Wert schaffen und nicht einfach nur in die Welt gesetzt werden, weil man es kann.

  2. Schwachsinn!
    Natürlich kann man eine Marke sein.
    Meine Lehrerin hat damals gesagt “wenn ihr Grafikdesigner seit, dann seid ihr Dienstleister und keine Künstler”

    Wer so denkt hat nur ein eingeschränktes Vorstellungsvermögen oder ist einfach nur alt.

    Geht mal mit der Zeit.

  3. Ich stimme dem bedingt zu, weil ich die Marke in Teilbereichen anders definiere. Eine Marke sollte mit Leistungen und bestimmten Attributen verbunden sein, die, einmal gelernt, seltenst hinterfragt werden.
    Und ich gebe auch Recht bei der Beurteilung dieser sogenannten Influencer und den Personen des öffentlichen Lebens. Marke ist man nicht, Marke wird man. Ein grossartiger Photographer ist gerade gestorben. Und er stand als Marke für außergewöhnliche Fotografie. Peter Lindbergh. Davor verschied Karl Lagerfeld. Auch er war eine Marke, wie zu Lebzeiten Coco Chanel oder Christian Dior. Aber Sie haben recht. Die Luft ist irre dünn. Und was diese Menschen ausgemacht hat, war eben nicht nur ihre Leistung. Davon ist die heutige Generation weit entfernt und wird auch niemals wieder dem nahe kommen. Es fehlt die “innere Eleganz”. Die Demut und Bescheidenheit.

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