PAGE online

Siebert-Kolumne: Mehr ist mehr

Im letzten Teil seiner Kolumne, schreibt Jürgen Siebert über das neue Burberry-Branding und davon, was ein gut gefüllter Werkzeugkoffer mit Brandelementen wert ist. 

Illustration über Fashion Logos: Eine Figurr steht aus einem Meer aus gleichen Tüten. Nur eine sticht hervor und die Figur beugt sich neugierig über die Tüte. Aus ihr sprühen Funken und Konfetti.
Illustration: Karin Kraemer | www.karin-kraemer.net | @karin__kraemer

Als das britische Fashionlabel Burberry am 6. Februar sein neues Branding vorstellte, glaubte man, ein hörbares Aufatmen zu vernehmen, sowohl in der Designcommunity als auch in der Modebranche. Dabei lag die letzte Überarbeitung der Markenidentität nicht mal fünf Jahre zurück, damals unter der Artdirektion von Peter Saville.

Saville hatte keine schlechte Arbeit geleistet, aber er traf mög­licherweise die richtigen Entscheidungen zur falschen Zeit: ein schlichtes, neutrales Logo aus einer geometrischen Sans, dazu ein historisierendes TB-Monogramm (TB = Thomas Burberry). Die Kritik biss sich am nüchternen Logo fest, das die Serie der gesichtslosen Redesigns von Yves Saint Laurent, Balenciaga, Balmain, Gucci, Valentino und Calvin Klein fortsetzte. All diese Marken kennzeichneten bis zu ihrem Refresh unverwechselbare Logotypen. Innerhalb von zwei Jahren sahen plötzlich alle gleich aus. Die Vorher-nachher-Grafik ging als Running Gag viral und wurde für viele Markenberater das Musterbeispiel für »So nicht!«.

Der neue Burberry-Look, entwickelt unter dem Kreativdirektor Daniel Lee, wird von der Marke als »eine moderne Interpreta­tion des britischen Luxus« und »ein neues Kapitel« angekündigt. Das Ritter-Bildzeichen – ein echter Blickfang – basiert auf einem historischen Burberry-Symbol, das als »Equestrian Knight Design« bekannt ist und 1901 einem offenen Designwettbewerb entsprang. Und die Burberry-Logotype hat endlich wieder Serifen. Die Hoffnung vieler Modefans, darunter des Streetwear-Blogs Highsnobiety: »Es sieht so aus, als ob die Welt der Luxusmode die Ära der faulen, minimalistischen Sans-Serif-Logos ein für alle Mal hinter sich lassen könnte.«

Die Rückkehr zu etwas Traditionellem war zu erwarten, da Lee von 2018 bis 2021 Bottega Veneta leitete, eine italienische Luxusmodemarke, die 2001 aufgrund einer Logo-Panne vor der Insolvenz stand. Das 1966 gegründete Modehaus wurde mit dem Slogan »When your own initials are enough« erfolgreich, der den Verzicht auf Markenlogos an den Produkten betonte. Als Ende der 1980er Jahre die Umsätze zurückgingen, schmückte man die Kollektion unverhofft mit einem BV-Logo, was die Marke nicht rettete. Erst als der deutsche Designer Tomas Maier ab 2002 die sichtbaren Logos von den Produkten entfernte und stattdessen das unverkennbare Flechtmuster als Markenzeichen etablierte, erholte sich Bottega Veneta.

Etablierte Markenattribute über Bord zu werfen bedeutet immer, mühsam aufgebaute Werte zu vernichten und einer Marke die Klaviatur zu rauben, um auf neue Branchentrends zu reagieren.

Gerade im Zeitalter von Social Media und Multichannel-Marketing ist ein gefüllter Werkzeugkoffer mit Brandelementen Gold wert. Wer seine Marke gnadenlos entblößt, bis nur noch ein Sans-Logo und ein Monogramm übrig sind, wird visuell sprachlos.

Oft kommt vonseiten der Unternehmen das Argument, dass die mobile Welt nur kleine Aktionsflächen biete, wo schnörkellose, reduzierte Lösungen am besten performen. Felix Damerius, Creative Director bei der Peter Schmidt Group, hält solche Rechtfertigungen für vorgeschoben: Es sei die billigste Lösung, die am wenigsten Aufwand mache, aber auch keine Freude verbreite. »Die Screens auf jedem Smartphone sind beeindruckend hochauflösend, und wir diskutieren über den Einsatz von KI im Gestaltungsprozess – da will ich nicht hören, dass die beste digitale Lösung das ›Minimum Viable Product‹ sei!«, schreibt er in einem »Horizont«-Gastbeitrag.

Gerade von den Big Playern der Modebranche dürfen wir beeindruckende visuelle Auftritte erwarten. Die Etats dafür sind vorhanden. Nicht weniger Design ist die Lösung, sondern mehr. Wir wollen von Marken, die Kreativität feiern, visuell verführt werden. So wie das Louis Vuitton aktuell mit der Yayoi-Kusama-Kampagne macht.

 

In eigener Sache: »Die besten Ideen kommen mir ja stets morgens beim Rasieren. So auch heute . . . wobei mir diese Idee sicherlich  auch schon vor Monaten oder Jahren hätte kommen  müssen«, eröffnete Jürgen Siebert seine Mail, in der er schrieb, dass er seine Kolumne in neue, junge Hände legen  wolle, und fährt fort: »Ohne jetzt pathetisch werden zu wollen: Es war mir eine Ehre, so lange dabei sein zu dürfen . . .«. Die Ehre liegt ganz auf unserer Seite! Es war uns stets eine große Freude, den Gründungschefredakteur als Freund an unserer Seite zu wissen. Herzlichen Dank, Jürgen! Auf weitere Artikel in PAGE und auf PAGE Online! Das PAGE-Team

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren