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Siebert-Kolumne über falsche Freunde

Zum Jahreswechsel 2022/23 diskutiert die Kreativszene zwei Ent­wicklungen, die nicht ohne Einfluss auf unseren Alltag sein dürften. …

Ein Loch in einer Eisschicht in Form des twitter-Vogels. Im eiskalten Wasser schwimmt ein User des sozialen Netzwerkes
Illustration: Karin Kraemer (www.karin-kraemer.net; @karin__kraemer)
  • Elon Musk überarbeitet auf unberechenbare Weise das Ge­schäfts­modell seines neuen Spielzeugs Twitter und
  • KI-Tools verblüffen mit maschinell generierten Fotos und Texten. Auf beide Entwicklungen haben wir keinen Einfluss. Aber wir können und müssen darauf reagieren, um unsere Berufe und Berufungen erfolgreich zu verteidigen.

Beginnen wir mit Musk/Twitter. Der Fall lehrt uns, dass die sozialen Netze – und ich meine damit alle: von Facebook über Instagram bis TikTok – kein Standbein für berufliche Aktivitäten sein sollten. Verkauft eure Dienstleistung, eure Produkte, eure Trainings nicht ausschließlich über die Plattformen anderer! Nutzt sie zum Baggern und fürs Marketing, aber am Ende der Akquise sollte die eigene Website stehen, auf der das Geschäft stattfindet. Elon Musk hat uns dankenswerter Weise daran erinnert, dass wir stets darauf vorbereitet sein müssen, einen fremden Kanal – freiwillig oder unfreiwillig – binnen weniger Tage verlassen zu können.

Doch auch vermeintlich stabile Plattformen sind unberechen­bar, weil ihre Algorithmen ständig geändert werden, und zwar im Interesse des Betreibers, nicht der User:innen. So entscheidet Instagram ganz allein, welche Inhalte relevant sind und an welcher Position sie in der Timeline auftauchen. Stoßen die eigenen Beiträge auf immer weniger Interesse, liegt das nicht unbedingt an deren Qualität, sondern am Ziel des Betreibers, Inhalte gegen Bezahlung zu pushen. Wer das in Anspruch nimmt, begibt sich auf dünnes Eis: Der Algorithmus wird alles tun, um die Einnahmen zu steigern, also die Inhalte breit streuen. Der Nutzen für die Urheber:innen ist fraglich.

Neben undurchsichtigen Geschäftsmodellen haben soziale Plattformen eine weitere unangenehme Eigenschaft: Sie werden irgendwann gekauft. Besonders heikel ist eine solche Transaktion, wenn dabei geistiges Eigentum den Besitzer wechselt. So hat zum Beispiel Adobe in den letzten zehn Jahren die Portfolio-Plattform Behance (2012), die Microstock-Agentur Fotolia (2015) und die kollaborative Interface-Design-Software Figma (2022) erworben.Der Aufkauf von Plattformen mit IP (Intellectual Property) muss seit Januar 2023 anders bewertet werden. Und damit kommen wir zum Thema KI. Der Krita Foundation, Anbieter einer Open-Source-Grafiksoftware, ist aufgefallen, dass Adobe offenbar KI-Algorithmen unter Zuhilfenahme der Inhalte seiner Nut­zer:in­nen trainiert. Via Twitter teilte Krita den Screenshot einer entsprechenden Voreinstellung im Creative-Cloud-Konto, nach der sich Adobe das Recht vorbehält, die in der Cloud gespeicherten Daten seiner Nutzer:innen zu analysieren, um »Produkte und Dienste weiterzuentwickeln und zu verbessern«.

Theoretisch könnte Adobe mit den Werken professioneller De­signerinnen und De­signer seine generativen KI-Tools trainie­ren, ohne auf Daten im Netz zurückgreifen zu müssen. Wer das nicht möchte, muss dem in den Einstellungen widersprechen und per Klick auf den entsprechenden Button die voreingestellte Zustimmung widerrufen.

Es klingt absurd: Durch das Hosten unserer kreativen Arbeit auf privaten Plattformen oder Clouds füttern wir – aus erster Hand – genau jene Maschinen, die uns demnächst die Jobs streitig machen wollen. Auch das ist ein schlagendes Argument für die eigene Website, auf der man seine Werkschau mit einer Firewall vor Bots schützen kann.

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