Acht Tage haben Studierende der Universität für angewandte Kunst Wien in Mexico City verbracht und entstanden ist ein Buch, das mitreißend und ungeheuer kreativ über ihre Arbeit und ihre Reise erzählt.
Kurz vor dem Abflug fragte sich Matthias Spaetgens, Partner bei Scholz & Friends und Professor an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, dann doch »Warum tue ich mir das an?«. Nach Mexico City zu fahren und das mit einer Gruppe von fast 50 Personen, die meisten davon unter 25.
Natürlich war die Neugier auf die unbekannte Stadt, auf das Neuland, das zu betreten war und »Mexico City als weißes Blatt Papier« zu sehen, »vor dem Kreative mitunter Angst haben«, schließlich größer.
Wie aufregend und anregend die Reise war, die Spaetgens gemeinsam mit Uta Jugert, Dozentin für Kommunikationsdesign und Kreatives Schreiben und mit Studierenden der »Klasse für Ideen in Grafik und Werbung« antrat, zeigt die Publikation »Wurf/ Nr. 3 Mexico City«.
Über das Visuelle hinaus
In Illustrationen, Zeichnungen, Fotografie, Objekten haben die Studierenden umgesetzt, wie sie die dortige Kultur und Kreativszene erlebt haben, die Tempel von Teotichuacán, Murals von Diego Riviera und David Siqueiros, das legendäre Haus von Mexikos Stararchitekten Louis Barragán oder Frida Kahlos Casa Azul. Sie haben Trotzkis Urenkelin getroffen, Grafikdesigner, Kreativdirektoren und Studierende der Academia Mexicana de Creatividad.
Und vor allem haben sie auch geschrieben. In Sessions vor Ort, die Uta Jugert initiierte, haben sie ihre Erfahrungen nicht mehr nur über die Wahrnehmung, sondern auch im Schreibprozess konkretisiert. Sie haben sich unter die Oberfläche des Gesehenen getastet und so einen neuen Zugang zu ihrer Kreativität geschaffen.
Die Reflektion, die dadurch entstand, macht »Wurf/ Nr. 3 Mexico City« so spannend und interessant.
Schreibend gestalten
Ihr Buch ist eine Momentaufnahme voller persönlicher Eindrücke. Es führt fotografisch durch die Stadt, über Märkte und an Typografie entlang, zu moderner Architektur und Madonnen, an Agaven und Essensständen vorbei, an denen die dünn geschnittenen, frittierten Kartoffelchips mit Chili und Limone verkauft werden, zu Mariachi und Mülltonnen in der Tempelstadt Teotichicán.
Die entstandenen Projekte setzen sich mit der Energie auseinander, die auf unterschiedliche Weise durch die Stadt fließt, mit dem Rassismus gegenüber den Indigenen, mit dem Licht, das »in Mexiko Farben macht, die ich so noch nicht kannte und sogar die Schatten bunt färbt.«
In der Geschichte »Día de Muertos«, die von der Erfahrung erzählt, dass die Kamera nicht funktionierte und der Film unbelichtet blieb, wird deren Titel zu einem launigen, geschickten Wortspiel und die begleitenden Malereien zu dem Versuch, die Erinnerung auf andere Weise festzuhalten – und gleichzeitig darüber nachzudenken, wie viel Wirklichkeit Fotografie überhaupt transportiert. In anderen Projekten geht um die Rolle als Tourist, um eigene Privilegien und eine viel zu kurze Fahrt im Bus mit Musik auf den Ohren.
In Zeichnungen und Rezepten wird dem Geschmack traditioneller, mexikanischer Süßigkeiten und auch eines Kitkat-Riegels nachgegangen, denn dort wird doppelt so viel Zucker wie in Europa verwendet. Andere Arbeiten drehen sich um ein Porträt Mexikos, das nicht zeigen möchte, wie es dort aussieht, sondern wie es sich dort anfühlt, um Schatten, von denen es in so einem sonnigen Land so viel mehr gibt und es wird auch davon erzählt »How I Tried To Leave My Comfort Zone Without Getting An Anxiety Attackt«.
Denn darum ging es auf der Reise. Sprungbrett für Neues zu sein und den Mut der kreativen Geister zu bestärken, wie es im Vorwort heißt.
»Wurf/ Nr.3 Mexico City«, 248 Seiten und die dritte Ausgabe des Magazins der Klasse, 48seitiger Fototeil, Texte und 22 Kapitel, in denen Studierende auf jeweils acht Seiten zu ihrem selbstgewählten Thema gearbeitet haben. ca. 20 Euro
Die Publikation ist u.a. bei der Wiener Buchhandlung Erlkönig (erlkoenig@vinylin.at), bei Do you read me?! in Berlin und Pro qm, ebenfalls in Berlin, zu bestellen.
Aufmacherfoto oben (Cover): © Coco Lobinger