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»Zufälle sind meist auch Chancen«

Alle vier Wochen finden in Hamburg die Creative Mornings statt. Das Juli-Motto war »Serendipity« und zu Gast der Schriftgestalter Albert-Jan Pool. Johannes Erler fasst zusammen.

Als ich nach der Schule entscheiden musste, wie es weitergeht, fand ich gerade Forstwissenschaften spannend, aber mein Abitur war für die­ses Studium nicht gut genug. Fotografie gefiel mir auch, also bewarb ich mich an mehreren Schulen – und wurde jedes Mal krachend abgelehnt.

Zwei Jahre und diverse Absagen später war die Muthesius Hochschule in Kiel meine letzte Option. Würde es auch dort nicht klappen, so nahm ich mir vor, wollte ich was ganz anderes studieren. Ich machte die Prüfung, fiel wieder durch, landete auf dem dritten Nachrückerplatz, konnte aber endlich mein mittelgutes Abi gebrauchen, weil die FH Kiel die letzte deutsche Schule war, die das für diesen Studiengang berücksichtigte. Ich wartete weitere Monate und bekam schließlich den allerletzten Studienplatz. Dann traf ich den Typografen Professor Klaus Detjen, und in mir explodierte etwas. Die Muthesius Schule war mein Ort und Typografie mein Ding. Serendipity.

Serendipity pendelt ein bisschen hin und her zwischen Zufall, Glück, Schicksal und was sich daraus ergibt.

Wikipedia nennt es »eine zufällige Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich als neue und überraschende Ent­deckung erweist«. Vielleicht ist Serendipity aber auch nur ein anderes Wort für: das Leben.

Das mit den glücklichen Zufällen ging auch nach dem Studium so weiter. Und dafür, dass ich zwar immer Ideen hatte, selten aber einen richti­gen Plan, hat alles ziemlich gut geklappt.

Hört man sich Albert-Jan Pools Geschichte an, klingt das sehr ähnlich. Und das häufige Schmun­zeln, mit dem er seinen Vortrag immer wieder un­terbricht, lässt fast den Schluss zu, dass er selbst nicht so richtig begriffen hat, wie er dort landen konnte, wo er heute ist. Da ist zum Beispiel die Ge­schichte, wie er, gerade erst arbeitslos, auf der ATypI 1994 in San Francisco in einem Taxi mit Erik Spiekermann landet, der ihn überrumpelt, für FontShop innerhalb von drei Wochen die DIN zu zeichnen – die dann ein Welterfolg wird. Was für ein Zufall! Was für ein Glück! Und wer Erik kennt, weiß, dass er ein Meister des Moments ist. Das war so nicht geplant. Die Idee mit Albert-Jan Pool kam ihm buchstäblich im Taxi, wetten?

Spürt man aber zwischen den Zeilen von Albert-Jan Pools von ständigen Wendungen bestimmter Lebensgeschichte, erkennt man, dass zu den vielen Zufällen vier Konstanten hinzukom­men:

Können, Begeisterung, Flexibilität und die Fähigkeit, auf andere Menschen zuzugehen.

Und diese Eigenschaften taugen, aus fast jedem Zufall eine gute Geschichte zu machen.

Es ist doch so: In unserem Beruf ist selten etwas planbar, vor allem dann nicht, wenn wir selbst­ständig sind. Projekte dauern selten länger als ein Jahr, zuverlässige Garantien und Verträge sind so gut wie ausgestorben, und »die Wirtschaft« ist wie »das Wetter«: Du weißt nie, wie es morgen wird.

Selbst der Mikrokosmos eines einzigen Tages sieht bei mir abends zuverlässig anders aus, als ich morgens gedacht hatte. Und ich bin kein Cha­ot. Es ändert sich bloß immer. Alles. Ständig.

Früher fand ich das bedrohlich. Hoffte auf Sicherheiten. Wollte meine Ruhe. Heute komme ich ganz gut damit klar, weil ich es akzeptiert habe (okay, das mit der fehlenden Ruhe ist manchmal doof). Und weil ich weiß, dass es weitergeht. Trotz aller Wendungen. Solange ich dranbleibe und gute Arbeit abliefere.

Zufälle sind meist auch Chancen. Serendipity eben.

Und eigentlich liebe ich meinen Beruf genau deswegen. Auf oft verschlungenen Wegen hat er mich über die Jahre in unendlich viele Welten und zu unendlich tollen Menschen entführt. Das Leben, es ist spannend!

Und das nehme ich mit von Albert-Jan Pool: Schmunzeln hilft!

PS: Mal andersrum gedacht: Wer das nicht aushält, nach Sicherheiten, festen Arbeitszeiten und planbaren Perspektiven sucht, der ist in unse­rem Beruf komplett falsch. Mein Ernst.

Hier das Video ansehen:

 

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Johannes Erler ist Partner des Designbüros ErlerSkibbeTönsmann, das die Creative Mornings im Hamburger designxport veranstaltet, und Mitbegründer des Designkollektivs Süpergrüp. Zu den anderen Beiträgen aus »Erlers Thema« geht es hier.

Foto: Robert Grischek











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