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Ein Plätzchen für Cookies

Restriktion oder Chance? Unser Kolumnist Jürgen Siebert kommentiert die ePrivacy-Reform.

Foto: Norman Posselt

Cookie-Banner nerven. Doch immer mehr kommerzielle Websites fordern ihre Kunden auf, das »Setzen ei­nes Cookies« per Klick zu geneh­migen. Was bewirken diese digitalen Kek­se noch mal? Auf der Schokoladenseite speichern sie Einkaufszettel und Voreinstellungen, sodass wir uns beim nächsten Besuch wie Stamm­kun­den fühlen dürfen. Weniger süß die Rückseite: Unsere Datenspur landet bei Partnern des Website-Betreibers, die uns mittels Tracking und Targeting zum gläsernen Kunden machen.

Angeblich sind die Bürokraten in Brüssel für die Keks-Zustimmung ver­antwortlich, was aber nur die halbe Wahrheit ist. Als EU-Richtlinie wird dies erst verpflichtend, wenn nationale Gesetze die Vorgabe aufgreifen. In Deutschland ist das bisher nicht ge­schehen. Dass sie viele Unternehmen trotzdem bereits umsetzen, hat drei Gründe: Vorsorge, Transparenz und Google, denn seit 2015 müssen die Nut­zer von Google-Diensten (wie etwa AdSense oder DoubleClick) die Ein­wil­ligung für das Auswerten der Cookies einholen. Ein solcher Banner ist also eigentlich der Hinweis, dass eine besuchte Website unsere Daten an Google weiterreicht.

Tatsächlich arbeitet die Europäische Kommission daran, nervige Cookie-Banner Mitte 2018 komplett abzuschaf­fen. Seit Januar wird die ePrivacy-Reform diskutiert, ein Paket mit Regeln zum besseren Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunika­tion. Damit verfolgt die EU zwei Ziele: das Vertrauen der Menschen in digita­le Services zu stärken sowie die Markt­chancen europäischer Internetunternehmen gegenüber dominierenden Weltmarken zu verbessern, die den Datenschutz lockerer sehen.

In der aktuellen Form verspricht die ePrivacy-Reform ein scharfes Schwert zu werden. Aus Richtlinien wird eine Verordnung, die in den EU-Mitgliedstaaten auch ohne nationale Umsetzungsgesetze greift. Sie soll erstmals auch für sogenannte Over-the-Top-Dienste gelten. Damit sind Text-, Audio- und Videoangebote gemeint, die nicht von den Netzbetreibern selbst kom­men – etwa Telekom, Funk und Fernsehen –, sondern von freien Anbie­tern via Internet, wie WhatsApp (SMS), Skype (Telefonie) oder Netflix (Seri­en). Für Verstöße sieht die EU emp­find­liche Strafzahlungen von bis zu 4 Prozent des weltweiten Umsatzes vor.

Die ePrivacy-Regeln werden sich auf fast alles auswirken, womit im Netz Geld verdient wird. Die einen sprechen vom Ende der Digitalwirtschaft, die anderen sehen eine große Chance für Europa. Besonders die Werbe­industrie ist alarmiert.

Doch was verändert sich konkret? Dienen Cookies nur zum Speichern des Warenkorbs oder zu statistischen Zwe­cken, müssten sie nicht mehr abgesegnet werden. Es gilt die Opt-out-Lö­sung, wonach es ausreichend ist, dass Un­ternehmen in ihren Datenschutzerklärungen darüber informieren. Möch­ten Betreiber aber weiterhin Nut­zungsprofile erstellen, so wird dies künftig ausschließlich nach vorheri­ger ausdrücklicher Zustimmung des Users möglich sein, wobei die EU den Browser zum Pförtner machen will.

Die Soft-Cookies genießen, die bösen Tracking-Cookies abschalten …

So könnten Cookies für Dritte zum Beispiel per Voreinstellung dauerhaft deaktiviert sein. Verbraucher werden sie dann wahrscheinlich nie einschalten, da sie den Komfort der legalen »Soft-Cookies« genießen und das Wir­ken der bösen Tracking-Cookies im Ver­borgenen sowieso nicht vermissen. Viele Geschäftsmodelle der Digitalwirtschaft wären dadurch gefährdet, vor allem die der Adtech-Nervensägen. Sinn­vol­le Empfehlungen und ko­ope­rative Mar­ketingdialoge könn­ten trotz­dem weiterbestehen, zum Beispiel über ein Kunden-Log-in.

Datenschützer weisen auf die Chan­cen der ePrivacy-Novelle hin. Weil die Nutzer in ihren Rechten gestärkt werden und mehr Kontrolle über ihre Daten haben, könnten sie längerfristig das Blockieren von Cookies und Anzeigen lockern. Europäische Ver­mark­ter und Medienunternehmen, die sich kreativ mit der neuen Richtlinie auseinandersetzen, könnten Marktantei­le von internationalen Playern zurück­gewinnen, wenn diese – genervt von den EU-Restriktionen – ihr Aktivitä­ten in Europa reduzieren würden.

Auch wenn es ihm schwerfiel (»ein rigoroser und gewagter Vergleich«): Digital-Experte Dr. Jürgen Galler, Mit­begründer und Geschäftsführer von 1plusX, erinnerte angesichts der EU-Initiative an China, dessen Internetin­dustrie womöglich wegen der »oft kritisierten Regulierung so groß, innovativ und vor allem chinesisch wur­de«. Vielleicht tut auch dem »alten Europa« eine EU-Netzbremse gut, weil sie die lokale Digitalwirtschaft beflügelt.

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