Ideation: Kreativtools und Methoden für Designer
Einfallsreichtum lässt sich trainieren, und mit den entsprechenden Methoden und Kreativtools macht das auch noch richtig Spaß!
Kreativtools für Research
Probleme als solche zu erkennen, ist der erste und wesentliche Schritt zu kreativen Lösungen. Erfüllt ein Produkt oder Service einen User Need auf neue und bessere Weise, ist dies meist das Ergebnis von ausführlicher Recherche – eigentlich eine banale Erkenntnis, doch in der Praxis wird dies nicht selten vernachlässigt. In vielen Kundenbriefings müssen Designer das Kunden- oder Nutzerproblem erst Schritt für Schritt freilegen und genau hinterfragen, für wen sie was zu welchem Zweck gestalten oder umgestalten. Leichter geht’s mit Tools wie diesen …

playmobil pro.
Mit dem ab August erhältlichen Spielfiguren-Set lassen sich bestehende oder noch zu implementierende Unternehmensabläufe und Serviceprozesse visualisieren. Playmobil pro soll sich vom Change-Management über den Bereich Kreation bis zur Entwicklung neuer Arbeitsmethoden bewähren. Möglich machen dies unbemalte Playmobil-Figuren, Post-its, Arbeitsrequisiten, Tierfiguren und Kleider, die man den Figuren je nach Funktion »anzieht«. Spielerisch entstehen so Charaktere, die man als Personas verwenden kann – etwa um Gefühle und Befindlichkeiten der User zu veranschaulichen oder Marken-Touchpoints wie Logo, Smartphone-App oder Gerüche und Düfte im Retail nachzustellen. Anders als das seit 1996 existierende LEGO Serious Play, das in vorgegebenen Sets erhältlich ist und eine ausgefeilte Methodik enthält, lässt playmobil pro die Herangehensweise noch recht offen. Hauptsache, das Team versetzt sich in den Nutzer und versteht sein Problem – je neugieriger und offener, desto inspirierter die Ideenfindung. Ein beiligendes Booklet enthält Anwendungsbeispiele, und unter pro.playmobil.com kann man eine Stakeholder Map und andere Vorlagen herunterladen.
www.linkedin.com/company/playmobilpro
IBM Playmobil Case
Mit dem Spielfiguren-Set lassen sich bestehende oder noch zu implementierende Unternehmensabläufe und Serviceprozesse visualisieren. Hier finden Sie einen konkreten Case von IBM zu dem Kreativ-Tool. Zudem können Sie auf der playmobil pro-Seite zusätzliche Vorlagen herunterladen, etwa eine Stakeholder Map. Solange bleiben Anwender auf der LinkedIn-Seite auf dem Laufenden und erhalten regelmäßige Updates und neue Infos rund um playmobil pro.

Question & Empathy
Dieses Tool zur User-Need-Ermittlung stammt vom New Yorker Design- und Strategiestudio Sub Rosa. Es enthält 56 Karten mit Fragen, die sich Kreative selbst stellen sollen, um sich für die konkreten Probleme und Anliegen des Nutzers zu sensibilisieren. Letztlich will Sub Rosa aber viel mehr und mit Question & Empathy ganz allgemein zu sinnerfüllten Gesprächen, Verhaltensweisen, Beziehungen und Erinnerungen anregen.
www.questionsandempathy.com

Empathy Map
Um Nutzerbedürfnisse zu ermitteln, hilft es, neben den üblichen User-Research-Interviews eine Empathy Map auszufüllen, das heißt man versucht, sich in den User hineinzuversetzen. Im Zentrum der Karte steht der Kunde – um ihn herum die vier Felder »Hören«, »Denken & Fühlen«, »Sehen«, »Sagen & Tun«. Diesen ordnet man konkrete Fragen zu, also: »Was sieht, hört, fühlt und denkt, sagt und tut der Nutzer, wenn er unser Produkt verwendet?« Außerdem gibt es die Bereiche »Schmerz« und »Gewinn«, in die man einträgt, welche Painpoints oder Ängste beziehungsweise Vorteile der Nutzer durch Verwendung des Produkts hat. Die Empathy Map geht auf den Berater Dave Gray zurück und wird oft von agilen Teams oder im Design-Thinking-Prozess angewandt.
www.agile-teams.de/empathy-map

Ideen fördern: Buchtipp für Kreative und Führungskräfte

In Michael Venturas Buch geht es ums Fragen, Zuhören und Nachdenken. Es richtet sich an Kreative und Führungskräfte, die empathischer arbeiten und sinnvolle Innovationen fördern wollen.
Michael Ventura: Applied Empathy: The New Language of Leadership. New York (Atria Books) 2018, 288 Seiten, ISBN 978-1501182853
https://wearesubrosa.com/applied-empathy
Hilfe bei der Ideation
Es gibt eine Menge Techniken, um sich Ideen aus dem Kopf zu kitzeln. Ob sie intuitiv zu uns kommen oder im Austausch mit anderen, spielt keine Rolle. Vielmehr geht es darum, zu abstrahieren, frei zu assoziieren, Gedanken neu zu kombinieren oder Metaphern zu finden. Egal für welche Technik man sich entscheidet, bestimmte Regeln gelten bei der Ideengenerierung immer: Kritik, Bewertung, Hierarchie- oder Gefälligkeitsdenken haben hier nichts zu suchen – stattdessen gilt es, möglichst frei, ungehemmt und spontan eigene Einfälle zu notieren, auszusprechen oder zu skizzieren. Zunächst geht es nur um möglichst viele Ideen, um Masse, nicht um Qualität oder Individualität. Auf Ideen von anderen aufzubauen, ist dabei ausdrücklich erlaubt und erwünscht.
Hier präsentieren wir unter anderem verschiedene Sketching-Apps, Bücher und Methoden, die bei der Ideenfindung helfen können.
Kreativitätstechniken & Übungen: Buchtipp für den Agenturalltag

Kreativitätstechniken für den Agenturalltag, unzählige Tipps und inspirierende Übungen finden Sie in Mario Prickens »Kribbeln im Kopf«, das inzwischen zu den Standardwerken in der Kreativbranche zählt.
Mario Pricken und Christine Klell: Kribbeln im Kopf. Mainz (Hermann Schmidt) 2001, 269 Seiten, ISBN 978-3874397117, gratis downloadbar unter www.mariopricken.com/dein-kribbeln-im-kopf
Sketching-Apps
Als Ideationswerkzeuge bieten sich neben Stift und Papier verschiedene Sketching-Apps für iPad und Grafikstift an. Mit Forge kann man scribbeln sowie Notizen, eigene Bilder und Konzepte digital ordnen und synthetisieren. Concepts beruht auf Vektormanipulation, sodass sich jeder Strich sofort anpassen lässt. Gravity Sketch eignet sich, um schnell 3D-Modelle anzufertigen. Diese lassen sich zum Ausdrucken von 3D-Prototypen als OBJ-Datei speichern. Außerdem ist Gravity Sketch auf die Verwendung mit verschiedenen Virtual- beziehungsweise Mixed-Reality-Systemen wie Oculus, Vive und Windows ausgerichtet.
www.buildwithforge.com
https://concepts.app
www.gravitysketch.com

JustSketchMe
Das Sketching-Tool zum Zeichnen und Skizzieren richtet sich an alle, die sich mit dem menschlichen Körpern beschäftigen, also etwa Modedesigner, Comic-Zeichner oder Spieleentwickler. In der App lässt sich das Verhalten von Körpern und ihre Bewegungen in verschiedenen Posen und Beleuchtung erkunden.
Brainwriting, Mindmapping und Ideen-Pingpong
Es gibt leise und laute Techniken, um in kurzer Zeit neue Ideen zu generieren. Brainwriting und Mindmapping geschehen eher leise im Wechsel von Einzel- und Gruppenarbeit – lauter sind dagegen Brainstorming und Ideen-Pingpong, Techniken, die Kreativcoach Mario Pricken empfiehlt. Dabei geht es darum, Ideen auszutauschen und im Dialog weiterzuentwickeln – bestenfalls, bis ein Zustand einsetzt, der einer »kreativen Trance gleicht«. Pricken und Designerin Christine Klell kreierten zu diesem Zweck das Kartenset »Creative Sessions – 96 x Kribbeln im Kopf«. Zufällig gezogene Brainstormingkarten sollen Denkanstöße geben und Denkblockaden lösen.
Mario Pricken und Christine Klell: Creative Sessions – 96 x Kribbeln im Kopf. Kreativitäts- und Denktools für Kreative aus den Creative Industries. 2018, Mainz (Hermann Schmidt), 96 Karten und ein 20-seitiges Booklet
https://typografie.de/produkt/kribbeln-im-kopf-creative-sessions

Marvel Design Thinking Workshop Kit
Erfahrung oder Tätigkeit spielen keine Rolle. Marvel verspricht den Nutzern dieses Workshop-Kits, dass sie nach der Lektüre ihren eigenen Design Thinking Workshop leiten könnten. Die elfseitige Einleitung und 35 Seiten Booklet zum Ausdrucken bekommt man bei Hinterlassen seiner E-Mail-Adresse bei Marvel.
Dazu bietet der Comicverlag die Design and Prototype App an, mit der sich auf Papier entworfene Designs per Foto schnell digitalisieren und weiter bearbeiten lassen. Weiter unten beschreiben wir außerdem die Methode und Hilfsmittel des Trickfilm-Genies Walt Disney.

Thinkertoys
Das Handbuch mit Creative Thinking Techniken stammt von Michael Michalko, einem renommierten Kreativitätsexperten und Autor verschiedener Bestseller. Die optische Täuschung in der Einleitung zum Buch macht Spaß!
Buchtipp: kreative Strategien und Grundhaltungen

Der ganzheitliche Gestaltungsansatz von Thomas und Martin Poschauko vereint Kopf, Bauch, Hand und Computer. Ihr Buch »Nea Machina« beruht auf den über 1000 gestalterischen Arbeiten der Zwillinge, die anschaulich selbst genutzte kreative Strategien und Grundhaltungen beschreiben.
Thomas und Martin Poschauko:Nea Machina. Die Kreativmaschine. Next Edition. Mainz (Hermann Schmidt) 2013, 200 Seiten, ISBN 9783874399111
www.poschauko.de/neamachina
Testen & Optimieren von Ideen
Für ein erfolgreiches Produkt reichen schöne Ideen alleine nicht – sie müssen in der Realität funktionieren. Um Ideen zu hinterfragen und weiterzuentwickeln, gibt es sehr effektive und gleichzeitig unterhaltsame Werkzeuge. Hier sind Flexibilität und Improvisation gefragt, um gewohnte Denkweisen aufzugeben und neue Perspektiven einzunehmen.
Disrupt Cards
Als Parodie auf die Tech-Start-up-Welt von drei Freunden entwickelt, geben die Disrupt Cards Denkimpulse und helfen beim Realitätscheck neuer Ideen. Das Kartenset funktioniert wie ein humorvolles Bullshit-Bingo, in dem man zuerst eine Fragenkarte und dann mehrere Antwortkarten zieht. Das physische Disrupt-Cards-Set verkaufen die Macher seit 2018 nicht mehr. Dafür stellen sie ein PDF zum kostenlosen Download bereit, das Kreative ausdrucken und zu einem Kartenstapel zurechtschneiden können.
https://disrupt.cards



The Tarot Cards of Tech
Anhand von Fragen, die wie beim klassischen Tarot einen Blick in die Zukunft eröffnen, sollen die Tarot Cards of Tech uns helfen, bekannte Lösungen weiterzudenken und neu zu verwenden – gleichzeitig soll ein Abgleich mit der Realität stattfinden. Ausführlich erklären wir das Set auf Seite 33.
http://tarotcardsoftech.artefactgroup.com
Don’t/Do This Cards
Das Kartenspiel von Donald Roos und Anne de Bruijn nutzt das Prinzip der Kopfstandtechnik von Kreativitätsforscher Edward de Bono. Um kreatives Denken anzuregen, dreht man Aufgabenstellungen einfach um, also: »Seien Sie ein Anarchist« und hinterfragen Sie alle Regeln und Methoden. Lautet das nächste Briefing: »Gestalten sie ein Logo«, dann fragen Sie erstmal: »Was ist ein Logo und was ist keines?« So finden Sie ganz bestimmt ein kreatives Schlupfloch, das Sie auf neue Ideen zu außergewöhnlichem Design bringt.
https://todont.co

IdeenSedCards
Mit der IdeenSedCard von Innovationscoach Benno van Aerssen lassen sich Produktideen auf ihre Markttauglichkeit testen. Wie schätzen andere das Businesspotenzial ein? Einfach A3-Blatt ausdrucken, Titelzeile und Beschreibungsfeld ausfüllen, das Blatt kopieren und an »Tester« verteilen. Fünf »Charakterisierungsdisplays«, in die man einen Zeiger hineinmalt, ein Diagramm für das strategische Potenzial, eine Zeitskala für die Realisierungsdauer und ein schriftlich auszufüllendes Feld für »Vermutete Hindernisse und limitierende Faktoren« ermöglichen eine individuelle wie detaillierte Bewertung.
www.ideenfindung.de/IdeenSedCard.html

Walt-Disney-Rollenspiel
Eine charmante Methode, um die Umsetzbarkeit von Ideen zu prüfen und gewohnte Verhaltens- und Denkmuster aufzubrechen, ist das Rollenspiel des NLP-Trainers Robert B. Dilts nach Walt Disney: Ein Träumer, ein Realist und ein Kritiker betrachten und diskutieren ein Problem aus ihrer spezifischen Perspektive. Idealerweise tauschen die Teilnehmer nach einer Runde ihre Rollen. Angeblich beherrschte Walt Disney selbst alle drei Rollen perfekt, und für jede Rolle soll er in seiner Firma einen eigenen Raum geschaffen haben: Der Raum des Träumers war groß, hell, bunt sowie mit Bildern und Slogans geschmückt. Der Realist hatte ein Zimmer mit großem Zeichentisch und allen erdenklichen Hilfsmitteln, um die Träume zu realisieren. Der Kritiker musste in einem kleinen, engen Zimmer die Entwürfe des Realisten beurteilen und bewerten. Um das Disney-Rollenspiel auszuprobieren, genügen aber auch drei unterschiedliche Sitzgelegenheiten jeweils in einer Ecke des Raumes – etwa ein bequemer Couchsessel für den Träumer, ein harter Holzstuhl für den Realisten und ein sachlicher Bürostuhl für den Kritiker.
www.hussted.dk/bibliotek/DisneyPaper.pdf


Buchtipp: Kreativmethoden und Denkwerkzeuge

Ebenfalls inzwischen ein Bestseller, bietet das Buch von Trainer und Berater Florian Rustler einen einfachen und visuell ansprechenden Überblick über Kreativmethoden und Denkwerkzeuge.
Florian Rustler: Denkwerkzeuge der Kreativität und Innovation: Das kleine Handbuch der Innovationsmethoden. Zürich (Midas Verlag) 2019, 9. Auflage, 304 Seiten, ISBN 978-3907100813
www.florian-rustler.de/buecher
The Three Levels of Idea Validation
Nicht nur die Empathiephase wird im Prozess oft vernachlässigt, auch denken viele Designer oft zu früh, sie hätten eine Idee gründlich genug validiert. Es gibt verschiedene Ebenen der Ideenvalidierung, die man kennen sollte. In seinem Medium-Artikel stellt UX Designer Nikolaj Bomann Mertz drei einfache Ebenen vor und erklärt, wie man sie im Designprozess einsetzen kann. Only 3 min read – trotzdem ein kleiner Spoiler:
1. Sagen, etwas zu tun
2. Es tun
3. Es weiter tun
Weitere Artikel rund um das Thema Ideen und Kreativität findet ihr in der PAGE 07.2019, die ihr als PAGE+-Abonnent kostenlos downloaden könnt.



