Meister der Provokation, Oliviero Toscani, mit neuer Benetton-Kampagne
Ein Aidskranker auf dem Sterbebett, Nonne und Geistlicher, die sich küssen oder kopulierende Pferde: Oliviero Toscani hat mit seinen Benetton-Kampagnen für Furore gesorgt. Auch seine neue wirkt nur scheinbar zahm.
In den Neunzigern hat man sich die Köpfe heiß geredet über die Kampagnen, die Oliviero Toscani für Benetton entwickelte und fotografierte.
Darf man mit einem Aidskranken auf dem Sterbebett, aufgenommen wie ein Heiligengemälde, Werbung für Strickwaren machen? Oder mit der blutverschmierten Kleidung eines gefallenen Soldaten? Und sollte man mit Nonne und Geistlichem, die sich küssen, provozieren?
»Abscheulich« nannte die katholische Kirche die Werbung. Näher gingen da schon die Bilder von drei chirurgisch entfernten Herzen, über denen Schwarz, Gelb, Weiß für die Ethnien stand oder die weißen und schwarzen Hände, die sich ineinanderlegten und immer wieder gab es kunterbunte Kinderscharen. United Colors of Benetton eben.
Jetzt ist der 65-jährige Toscani zu Benetton zurückgekommen. »Eigentlich aber war ich nie weg«, sagt Toscani selbst, denn er ist sehr eng mit Firmenpatriarch Luciano Bennetton befreundet, der selbst in das schwächelnde Unternehmen zurückkehrt. Die Marke wirke wie das einst kommunistische Polen, sagte der 82-jährige Benetton jüngst und man kann gespannt sein, wie das in die Jahre gekommene Erfolgsteam sich schlägt.
Bevor Toscani im Februar 2018 mit einer neuen Imagekampagne auf den Markt kommt, hat er jetzt zwei Motive gelauncht, die nur auf den ersten Blick harmlos aussehen.
In einer italienischen Grundschule hat Toscani 28 Kindern mit 13 verschiedenen Nationalitäten und von vier Kontinenten fotografiert. Und alle sind sie Italiener, sagt Toscani – und wirbt für Integration und gegen die nationalistischen Tendenzen, die sich nicht nur in Italien und vielen anderen Ländern Europas breit machen.
Entstanden ist die Kampagne gemeinsam mit dem Benetton-Forschungszentrum Fabrica, der hauseigenen Kreativschmiede mit Nachwuchs aus der ganzen Welt.
Kenzi Benabdallah, der im Sommer eine Creative Residency in der Fabrica hatte, berichtete für die PAGE von der fruchtbaren Zeit dort.
Abbildungen: © Benetton
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