Mit einer großartigen neuen Dauerausstellung, in der das Szenografiebüro chezweitz auf Licht setzt und begleitet von einem dynamischen Erscheinungsbild von Stan Hema, hat das Jüdische Museum in Berlin wiedereröffnet.
Blick in dem Themenraum »Hall of Fame« Illustrationen: Andree Volkmann, Foto: Yves Sucksdorff
Schon vor dem Eingang der neuen Dauerausstellung des Jüdischen Museums in Berlin begrüßt einen Licht. Buchstaben tanzen über die Treppen, die zum Eingang im zweiten Stock führen und leiten einen hinein in die Schau.
Und Licht wird einen bis zum Ausgang begleiten. Es ist beeindruckend wie hell, abwechslungsreich, leuchtend und mitreißend die neue Dauerausstellung des Hauses ist. Wie einfallsreich sie einen in den Räumen verweilen lässt und miteinbezieht in mehr als ein Jahrtausend deutsch-jüdischer Geschichte.
Der Baum mit seinen Zetteln auf die man seine Wünsche hängen kann, ist geblieben. Er empfängt einen auf den über 3000 Quadratmetern der Ausstellung, die das Berliner Szenografiebüro chezweitz in einen Parcours verwandelt hat, der einen immer wieder fesselt.
Lichtpfeile und Schrift
Mit einer Videoprojektion in der Juden und Jüdinnen aus verschiedenen Ländern erklären, warum sie koscher essen oder eben eben nicht, Rabbiner erzählen, wie sie mit gleichgeschlechtlichen Ehen umgehen oder davon, wie der Sohn zu Halloween statt Süßigkeiten mit Gelatine, Äpfel geschenkt bekam, eine Rabbinerin die unablässige Erneuerung des Glaubens schildert und eine junge Jüdin, wie sie zu Traditionen zurückkehrte.
Es führen Comics durch die jüdische Geschichte, eine Kunstinstallation erzählt von der Schönheit von Schrift, mit Ketten ummantelte Räume laden zum Hören ein, 3D-Brillen führen in zerstörte Synagogen und leuchtende Schriftzüge propagieren Menschenrechte. Und immer wieder scheinen inmitten der Inszenierungen die Elemente der expressiven Architektur von Daniel Libeskind durch.
Damit man in ihr nicht verloren geht, weisen Lichtpfeile einen den Weg, führen anhand erschütternder Zahlen durch Verfolgung und Holocaust. Interaktive ist der Globus, der Fluchtbewegungen projiziert, analog die historischen Praxisschilder auf denen die Titel jüdischer Rechtsanwälte und Notare durchgestrichen sind – und nie verliert die Ausstellung dabei den Faden zur Gegenwart.
Jenseits von Klischees
Amy Winehouse leuchtet, illustriert von dem Berliner Zeichner Andree Volkmann und umgeben von Tucholsky, Jesus, Karl Marx und anderen bedeutenden Persönlichkeiten in der »Hall of Fame«, dazu gibt es den Automaten mit koscheren Gummibärchen – und einen Abschluss der Schau, der nachhallt.
Für ihre Videoinstallation »Mesubin« haben die Filmemacherin Yael Reuveny und der Videokünstler Clemens Walter 50 Menschen Fragen zu ihrem Jüdischsein in Deutschland gestellt.
Sie haben sie nach Wünschen und Ängsten gefragt, nach Witzen oder was ihnen am Jüdischsein am meisten gefällt oder am wenigsten. Es ist ein Panorama durch alle Generationen hindurch, das 12 Minuten lang durch die verschiedensten Lebensläufe führt, sich gegen Klischees stemmt, lustig, interessant – und auch aufwühlend ist.
Vor allem, wenn ein junger Mann erzählt, dass er eigentlich gerne in Deutschland begraben werden möchte. Aber nur, wenn er irgendwann sicher sein kann, dass sein Grab nicht geschändet wird.
Die neue Dauerausstellung wurde am 23. August 2020 eröffnet: Jüdisches Museum Berlin, tägl. 9-19 Uhr. Wegen der aktuellen Pandemie-Situation muss man im Voraus ein Zeitfenster buchen.
Neues Erscheinungsbild des Jüdischen Museum Berlin von Stan Hema
Lichtprojektion auf der Treppe zur Dauerausstellung Foto: Roman März Bild: Hasselblad X1D
Blick in die Installation »Visual Prayer« von Hagit Hollander-Shimoni, Foto: Yves Sucksdorff
Blick in den Epochenraum »Auch Juden werden Deutsche« Foto: Roman März Bild: Hasselblad X1D
Blick auf den Willkommenspunkt und den Themenraum »Tora« Foto: Roman März Bild: Hasselblad X1D