Dank des Rap-Stars Drake ist André Hellers legendärer Vergnügungspark Luna Luna in Los Angeles wieder auferstanden – mit Karussells von Jean-Michael Basquiat, Keith Haring, Roy Lichtenstein oder David Hockney und originalem Grafikdesign.
Die lächelnden Halbmonde, das Logo des legendären Vergnügungsparks Luna Luna mit dem André Heller die Hamburger:innen 1987 verzauberte, begrüßen einen jetzt inmitten von Lagerhallen, Studios und Trailern in einem Gewerbegebiet in Downtown Los Angeles. Kunterbunte Figuren von Keith Haring tanzen die Zäune dort entlang, eine aufblasbare knallrote »Dream Station« lädt zum durchgehen ein, bunte Fahnen flattern – und das alles wird untermalt mit herrlich antiquierter Jahrmarktmusik.
Mehr als 35 Jahre haben die Karussells, Spiegelkabinette und Jahrmarktbuden von Künstlern wie Jean-Michel Basquiat, von Roy Lichtenstein, Keith Haring, David Hockney, Kenny Scharf, Salvador Dali, von Rebecca Horn oder Sonia Delaunay verschnürt und vergessen in Schiffscontainern irgendwo in einer verlassenen Gegend in Texas gelagert.
Und so unglaublich schon die Entstehungsgeschichte von Luna Luna war, die in den 1970er-Jahren in Wien begann, ist auch die Wiederentdeckung des Vergnügungsparks.
Legendäres Hamburger Spektakel
1974 hatte der Österreicher André Heller, Sänger, Poet und Friedensaktivist, Mit-Gründer des Circus Roncalli und Direktor von Spektakeln wie Flic Flac, gemeinsam mit Savador Dali und Sonia Delaunay, der Regisseur Ingmar Bergman und dem Schriftsteller Henry Miller erste Ideen gesammelt.
Ein illusterer Kreis, der viel Fantasie und wenig Geld hatte und so brauchte es 13 Jahre, um Luna Luna zu realisieren. Und das schließlich mit einer millionenschweren Unterstützung der Zeitschrift Neue Revue des Hamburger Bauer Verlags, die 1987 ihr vierzigstes Jubiläum feierte.
250.000 Besucher kamen auf die Moorweide nahe der Hamburger Universität, traten durch Sonia Delaunays riesiges Eingangstor, das sie mit leuchtenden, abstrakten Mustern bemalt hatte, fuhren zu Miles-Davis-Klängen auf Jean-Michel Basquiats kunstvoll gestaltetem Riesenrad (Bild oben), irrten durch Roy Lichtensteins Glaslabyrinth, drehten sich auf Keith Harings Kinderkarussell im Kreis und ließen sich von David Hockneys verwunschenem Baum ebenso berauschen wie von Salvador Dalís Spiegeldom.
Einige Wochen später war das Spektakel vorbei, noch im selben Jahr brach die Börse zusammen – und alle Versuche, den Vergnügungspark an einem anderen Ort noch einmal neu zu beleben, verliefen im Sand.
Packende neue Inszenierung
Mehr als 30 Jahre später erfuhr erst der New Yorker Creative Director Michael Goldberg der Something Special Studios von dem eingemotteten Vergnügungspark und schließlich der Rap-Star Drake, der 100 Millionen Dollar in das Projekt investierte.
»Als ich das erste Mal von Luna Luna hörte, war ich hin und weg«, zitiert ihn die New York Times. »Es ist eine so einzigartige und besondere Art, Kunst zu erleben und eine großartige Idee, die das tut, was wir am meisten lieben: Menschen zusammenzubringen.«
Wie das geht, ist noch bis zum Frühjahr in Downtown LA zu erleben. In Industriehallen, in deren die restaurierten Fahrgeschäfte wieder aufgebaut wurden und mit einer Dramaturgie wechselnder Spotlights wieder zu Leben erweckt werden, eigens komponierte Klänge von Philip Glass das Labyrinth von Roy Lichtenstein untermalen oder Jazzklänge von Miles Davis das rotierende Riesenrad von Basquiat. Ganz so, wie der New Yorker Maler es einst für Hamburg konzipiert hatte.
Interessierter Blick zurück
Überhaupt wird die Historie großgeschrieben, der Blick zurück auf die Weltausstellung in Chicago, wo auf dem ersten Riesenrad überhaupt 1893 in nur sechs Wochen fast eine halbe Million Menschen fuhren. Es wird an den ersten Luna Park erinnert, der 1903 in Coney Island eröffnete. Daran, dass dort die Postkarte erfunden und schnell zu einem beliebten Souvenir wurde. Dass die Künstlergruppe Cabaret Voltaire sich 1916 im Schweizer Exil mit Aufführungen gegen den Ersten Weltkrieg stemmte, Salvador Dali 1939 auf der Weltausstellung in New York sein Venus Funhouse installierte und Andy Warhol Anfang der Sechziger die Pop-Art erfand – und dass das alles dazu beitrug, dass schließlich André Hellers Idee von Luna Luna entstand.
An das einstige Luna Luna in Hamburg wird mit Bildern und Filmen erinnert, originales Merchandise und Plakate von Roy Lichtenstein, von Georg Baselitz und Keith Haring werden gezeigt, Modelle und sogar die Container, die bis heute nach und nach ausgepackt werden und die Fundstücke restauriert.
Nach und nach kommen neue Fahrgeschäfte hinzu, die mechanischen Puppen von Jim Whiting hängen bereits an einer Stange, das Liebesthermometer von Rebecca Horn ist aufgebaut und auch das Anti-Kapitalistische Pamphlet von Josef Beuys, das Fantasie und Kreativität als wichtigstes Kapital beschwört.
Wenn das Glas bruchsicher ist, kann man dann auch durch das Labyrinth von Roy Lichtenstein irren. Die Karussells allerdings kann man nicht benutzen. Auch nach der Restaurierung sind sie zu fragil und entsprechen auch den heutigen Sicherheitsstandards nicht.
Ungebrochener Zauber
Auch wenn man die Karussells nicht benutzen kann, weht jede Menge Magie durch die Hallen. Denn so kitschig der Titel »Forgotton Fantasy« vielleicht auch wirkt, ist es genau das, was man dort spürt. Wie die Kunst, die sie sind, werden die einzelnen Attraktionen in den dunklen Hallen anleuchtet, drehen sich somnambul und werden von Musik untermalt.
Dazwischen leuchten kantige Fantasie-Figuren von Kenny Scharf auf, flattern Windbilder der Hamburger Künstlerin und Grafikdesignerin Monika GilSing hoch oben über den Köpfen, hört man Glöckchen aus der Heiratskapelle klingen und zwischen all dem toben Kinder durch die Gegend.
Schon wird überlegt, ob Luna Luna nicht durch die USA touren könnte. Als eine erste Station ist New York angedacht. Und wer weiß, ob es die »Forgotten Fantasy« dann nicht noch weiter hinaus in die Welt zieht und es sie womöglich noch einmal nach Hamburg verschlägt.
Schließlich hatte der damalige Direktor der Hamburger Kunsthalle, Werner Hofmann, gesagt, dass so ja vielleicht das Museum der Zukunft aussehen könnte.
Und vielleicht ja auch die Zukunft der Kunst, in der alle Disziplinen zusammen fließen, es keinen Unterschied mehr gibt, ob das Entstandene frei oder angewandt ist, sondern einzig die Fantasie zählt. Wie das geht, hat Luna Luna bereits 1987 gezeigt.
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