u ihrem zehnten Geburtstag hat sich »Neon« einen Komplettrelaunch gegönnt – einschließlich einer großen, fetten App. Art-Direktor Jonas Natterer hat uns alles erklärt.
Mit neuem Logo, neuem Layout, neuer Typo, neuem Alles ging »Neon« letzte Woche an den Kiosk. Dazu gibt’s jetzt eine App, die alle digitalen Produkte unter ein Dach bringt: Redaktionsblog, Community und eine (beim ersten Mal kostenlose!) Tablet-Version des Magazins. Dabei ist der Look ein bisschen cooler, ein bisschen weniger kuschelig geworden als früher. Alle Details im Interview.
Kommen wir erst zum Printheft. Welche Überlegungen gab es für die visuelle Überarbeitung?
Als »Neon« von zehn Jahren gegründet wurde, war es ein junges Magazin mit einem klassischen, fast retroartigen Aufbau. Die Typografie sollte ein Gefäß für jegliche Art von Texten sein, das Layout sollte den Geschichten unparteiisch gegenüberstehen. Wir wollten das wieder herstellen, aber es frischer machen und ein Layout schaffen, das noch mobiler auf die Texte eingeht. Auch auf die kurzen Formate, die sich verstärkt im Heft finden.
Und um das zu schaffen, haben Sie sich für Futura und Times als Schriften entschieden?
Es war ein langer Prozess. Wir haben wahnsinnig viel ausprobiert, aber immer wieder gemerkt, dass Schriften nicht neutral waren oder nur eine sehr kurze Halbwertszeit haben. Wir wollten eine neue Welt schaffen, die länger hält. Und mit sehr wenigen Schnitten alle Off- und Online-Formate umgestalten.
Ging es dabei darum, medienübergreifend einen einheitlichen Look zu kreieren?
Die Gestaltung des E-Mags hat keinen Einfluß auf das Printdesign genommen, sondern ist zeitgleich passiert. Während ich mit Ji-Young Ahn [Stv. Art-direktorin] am Heft gearbeitet habe, hat Manuel Kostrzynski parallel die ersten Seiten fürs E-Magazin gestaltet. Natürlich überlegt man da, welche grafischen Mittel für beide Medien tauglich sind. Im Heft verzichten wir ja weitestgehend auf Hilfsmittel wie Linien oder Flächen. In der App dagegen braucht man ein gewisse Symbolwelt.
Das neue Logo ist ebenfalls aus der Futura.
In den kleinen, feinen Schnitten hat das Futura-N diese Spitzen, die bei grösseren Schnitten normalerweise gekappt werden. Uns hat aber gerade diese Zackigkeit gut gefallen.
Die man vergrößert jetzt im Logo bewundern kann. Im Heft ist die Typo auch ein wenig zackig.
Wenn man so besessen wie wir ist, keine großen Variationen von Textgrößen zuzulassen, dann bekommt das eine gewisse Holzigkeit, die uns sehr gut schmeckt, aber nicht zu gefällig ist. »Neon« ist wie ein Typ, der gut aussieht, gerade weil er eine grössere Nase hat. Viele Lifestyle-Magazine klonen sich nur gegenseitig. Da wollen wir uns nicht hinbegeben, aber wir machen auch kein Magazin für eine Randgruppe.
Wird sich die Bildwelt verändern?
In den letzten Jahren wurden nach und nach Bildwelten abgeschafft, von denen ich gespürt habe, dass sie inzwischen in der Werbung angekommen sind. Früher gab es oft noch stark inszenierte Fotografie a la Kaurismäki oder Still Lifes, wo der Leser genau sehen konnte, wie das hergestellt wurde. Aber irgendwann konnte man das da draußen auf allen Kanälen sehen. In der Titelgeschichte gab es jetzt zum Beispiel Studiofotografie kombiniert mit 3-D-Illustration.
Tolle Bilder! Wird man das jetzt öfter in »Neon« finden?
Für unsere nächste Titelgeschichte wird Sebastian Haslauer Stills bauen, fotografieren und dann mit 3D-Elementen versehen. Aber jedes Thema braucht seinen eigenen Stil. Für die aktuelle Geschichte über Leute, die masturbieren, haben wir die typische warme »Neon«-Fotografie genutzt. Und wir werden auch weiterhin internationale Reportagen selbst produzieren.
Wie sehr unterscheidet sich die digitale Ausgabe von der gedruckten?
Das E-Mag ist keine geschrumpfte »Neon«, sondern hat viele Features, die nur in der App funktionieren. Da gibt es Bildergalerien und eigens erstellte Videos, Leute lesen ihre Texte selbst vor oder tragen noch eigenes Bildmaterial bei etc. Übrigens erhalten Abonnenten kostenlos Zugang zur digitalen Ausgabe. Ein etwas günstigeres reines Digitalabo gibt es auch. Blog und Community lassen sich in der App grundsätzlich kostenlos nutzen. Und in beiden kann man direkt in der App Kommentare schreiben.
Digital ist die »Neon« aufs Hochformat festgelegt. Warum?
Wir haben natürlich auch ein Querformat oder ein fluid layout ausprobiert, aber das Hochformat war am besten lesbar. Unser erster Anspruch ist, dass die Texte schön dastehen, dass es saubere Umbrüche gibt, kein Nebeneinander von Texten, in dem Leser sich zurechtfinden muss.
Ganz schön aufwändig, das Heft für die digitale Variante umzulayouten?
Wir layouten eigentlich nicht um, sondern layouten neu, weil wir den gleichen Anspruch an das E-mag wie an das Printmagazin und davon nicht bloß eine skalierte Version wollen. Zum Beispiel haben wir uns gefragt, wie wir Fließtexte unterbrechen, um kleinere Nebentexte einzufügen. Das findet jetzt häufig mit Pop-ups statt, weil es die grösste Klarheit bietet.
In der Community sind auch kritische Kommentare zu lesen, vor allem zum Redesign der Community selbst. Zum Beispiel der strahlend weiße Hintergrund scheint viele zu stören.
Wir konnten bestimmte Dinge nicht testen, bevor wir vor einer Woche live gegangen sind. Wo die Funktionalität noch nicht so gut ist, sind wir dabei nachzubessern. Gerade in der Community fühlen sich die Leser wie zuhause, weil sie sie selbst mit ihren Texten und Bilder gestalten. Wir freuen uns, dass sie emotional so eng mit der Site verbunden sind, dass sie auf Änderung eben auch stark reagieren. Nachdem jetzt alle Teile von »Neon« zusammengeführt wurden, gibt es sicher Stellen, wo man noch nachlegen und Einzelteilen Charakter verleihen kann. Aber die Community wurde gestalterisch in den letzten Jahren kaum gepflegt. Wir sind froh über das befreiende Gefühl nach dem Relaunch – ähnlich wie wenn man einen Kleiderschrank ausgemistet hat.
Jonas Nattere, Ji-Young Ahn und Manuel Kostrzynski am Wochenende vor der Oberhafenkantine in Hamburg, wo sie anläßlich der Lead Awards waren. Da »Neon« wohl bald von München nach Hamburg zieht, werden sie in Zukunft vermutlich öfter hier sein …
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