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»Es kann nie genug Medien geben, die die Stimmen von marginalisierten Menschen zentrieren«

Die Herausgeberinnen von »Hear Me Out!« Ellen Gabriel und Whitney Bursch über die Rolle von Kommunikationsdesign im Rassismusdiskurs

In »Hear Me Out!«, das Ellen Gabriel (links) und Whitney Bursch (rechts) vor allem für BIPoC gestaltet haben, befassen sich 20 Artist of Color mit ihren Erlebnissen von Alltagsrassismus und struktureller Benachteiligung in unserer Gesellschaft.

Alle Künstlerinnen und Künstler in »Hear Me Out!« beantworten in dem Buch ein paar kurze Fragen zur Person, wir haben drei davon aufgegriffen und sie den Herausgeberinnen gestellt, außerdem wollten wir von den Illustratorinnen wissen, welche Rolle Kommunikationsdesign im Rassismusdiskurs spielen kann.

Was wurde für euch durch Wokeness ruiniert?
Whitney Bursch: Für mich war es das Schwerste, enge Beziehungen zu aktualisieren und zu hinterfragen, ob die andere Person wirklich antirassis­tisch ist. Jetzt kann ich keine Freundschaft vertiefen, ohne geprüft zu haben, ob diese Person auch bereit ist, mei­ne Würde und die anderer marginalisierter Menschen zu respektieren, denn das ist Wokeness im Grunde genommen für mich.
Ellen Gabriel: Für mich wird normale Freizeitgestal­tung ruiniert. Das merke ich besonders, wenn ich Medien wie Filme, Podcasts und so weiter genießen will. Ich möchte auch einfach lachen und mich entspannen, ohne dass Witze auf meine Kosten oder auf Kosten anderer marginalisierter Personen gemacht werden. Sobald man erst mal gemerkt hat, wie tief Rassismus, Sexismus, Ableismus et cetera in un­se­rer Gesellschaft verankert und normalisiert sind und sich in allen Aspekten unserer Kultur ausbreiten, wird es zu einer Herausforderung, überhaupt so ein Medium zu finden.

Was oder wer inspiriert euch?
Uns inspiriert Internet-Aktivismus, weil er nahbar und interaktiv ist und sich um Inklusion und Intersektionalität bemüht. Zu unseren Favoriten zählen Podcasts wie »Feuer & Brot« und »Kanackische Welle« oder Instagrammer wie @wirmuesstenmalreden, @zuerstschwarz, @ffabae oder das Onlinevideoformat »Softie«. Uns inspirieren Menschen, die laut sind, also die sich trauen, etwas zu sagen und zu widersprechen, wenn etwas Problematisches in ihrem Beisein gesagt oder getan wird, selbst wenn es unangenehm wird. Wir sind begeistert von Menschen, die sich bemühen, ihr Umfeld zu verändern und dafür die Ressourcen nutzen, die sie haben.

Was empowert euch?
Ganz klar andere BIPoC, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie wir, die reflektieren und hinterfragen, was uns passiert. Es ist schön, Gesprächs­part­ner*innen zu haben, bei denen man sich nicht rechtfertigen muss. Es ist heilend, im Beisein von Men­schen zu sein, denen es ähnlich geht. Auch ohne über Rassismus zu reden, erfahren wir dadurch eine Selbstverständlichkeit, die wir sonst nicht genießen.

Welche Rolle spielt Kommunikationsdesign im Rassismus-Diskurs?
Kommunikationsdesign und Illustration können Iden­tifikation gestalten, zu den Aufgaben von Gestaltung gehört es, antirassistisches Bildmaterial zu produzieren und mehr Repräsentation und Erzählraum für People of Colour zu schaffen. Dabei ist wich­tig, Personen nicht klischeebehaftet und fetischisiert darzustellen, sondern mit Würde und Respekt und den Betroffenen eine Plattform zu geben, auf der sie offen über Rassismus sprechen können. Letzten En­des müssen Betroffene diese Medien gestalten und nicht diejenigen, die von Rassismus profitieren.

Wokeness Der Begriff leitet sich ab vom englischen woke und beschreibt das Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit und Rassismus in unserer Gesellschaft.

Ableismus kommt von dem englischen able und bezeichnet Behindertenfeindlichkeit.

Intersektionalität 
Den Fachbegriff prägte die US-amerikanische Juristin Kimberlé Crenshaw, um die Verknüpfung ver­schie­dener Formen von Diskriminierung zu beschreiben, zum Beispiel wenn schwarze Frauen Erfahrungen von Benachteiligung und Abwertung machen, denen weder schwarze Männer noch weiße Frauen ausgesetzt sind.

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