Die Briten erklären dem Übergewicht den Kampf – mit App, einer Kampagne, aber auch Werbeverboten. Vorbild für Deutschland?
Das Video, in dem Boris Johnson auf Twitter zeigte, wie er zum Abnehmen mit seinem Hund spazierengeht (was zwischen Hund und Herrchen nicht immer einvernehmlich geschieht), kennt inzwischen wohl jeder Brite. Und natürlich gab es dazu natürlich jede Menge fiese Twitter-Kommentare (»to be fair…it does look like he’s gone down a cup size«).
Aber Aufmerksamkeit, wie auch immer geartet, kann hier nur hilfreich sein. Der Tweet ist der Startschuss einer nationalen Kampagne gegen das weltweit verbreitete Übergewicht, das sich in der Coronakrise als Riesenproblem erweist. In Großbritannien sind 36 Prozent übergewichtig, nochmal 28 Prozent gelten mit einem BMI über 30 sogar als fettleibig.
Losing weight is hard but with some small changes we can all feel fitter and healthier.
If we all do our bit, we can reduce our health risks and protect ourselves against coronavirus – as well as taking pressure off the NHS.
Die ganze Nation wird sehen, ob Johnson selbst auf Dauer seine guten Vorsätze in die Tat umsetzt … Wie das gehen könnte, zeigt ein Spot von MC Saatchi, der auf die Kampagnen-Website Better Health hinweist. Die Stimme des Sprechers in dem Filmchen erinnert irgendwie an den Premier, ob das wohl Zufall ist? Ebenfalls auffällig – und das ist erklärtermaßen gewollt – wendet sich der Spot stark auch an die nichtweiße Community, die in Großbritannien ebenfalls besonders von Covid-19 betroffen ist.
Werbeverbote gegen Junkfood
Die Briten haben viel vor. So findet sich auf der Website des National Health Service NHS eine natürlich kostenlose Abnehm-App für iOS und Android, die in Zusammenarbeit mit der The British Dietetic Association entstand. Gleichzeitig will man den Herstellern von Junkfood das Leben schwerer machen, unter anderem mit einem Verbot von TV-Werbung vor 21 Uhr. Sechzig Prozent der Nahrungsmittel, die zwischen 18 und 21 im englischen Fernsehen beworben werden (wenn besonders viele Kinder und Jugendlich zuschauen), enthalten zu viel Fett, Zucker und/oder Salz.
Tatsächlich muss angesichts von 1,9 Milliarden Übergewichtigen weltweit wohl etwas passieren. Singapur hat dies Jahr als erstes Land Werbung für die übertrieben süßen Getränke verboten, die auch hierzulande einer der mächtigsten Treiber der in vieler Hinsicht gesundheitsgefährenden Zuckersucht sind.
In Großbritannien wird natürlich mächtig um das Werbeverbot gestritten, das gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch für die Werbebranche und die TV-Sender höchst ungelegen kommt. Trotzdem ein Vorbild für Deutschland? Die Grünen-Sprecherin für Gesundheitsförderung, Kirsten Kappert-Gonther, hält den Zeitpunkt für genau richtig, um auch hier Junkfood-Werbung zu verbieten, wie sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte. Diverse Medien berichteten über die Forderung.
Was das Übergewicht angeht, sieht es in Deutschland jedenfalls nicht viel anders aus als auf der Insel. Jeder vierte Erwachsene ist mit einem BMI von über 30 stark übergewichtig, also adipös, wie die Statistik zeigt.