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Siebert-Kolumne: Design mit Worten

Weil Text und Sprache eng mit dem Denken verknüpft sind, sollte das Schreiben den gesamten Kreationsprozess begleiten meint unser Kolumnist Jürgen Siebert

Illustration Karin Kraemer
© Karin Kraemer, www.karin-kraemer.net | www.instagram.com/karin__kraemer

Das Schreiben ist wahrscheinlich die meistmissachtete De­signdisziplin. Jeffrey Zeldman, Designer und Unternehmer (A List Apart) aus den USA, erinnerte seine Berufskolleginnen und -kollegen einst auf Twitter: »Der Inhalt geht dem Design voraus. Design ohne Inhalt ist kein Design, es ist Dekoration.« Und Text ist Inhalt in Reinform.

Weil Text und Sprache eng mit dem Denken verknüpft sind, sollte das Schreiben den gesamten Kreationsprozess begleiten, von der Idee, den Skizzen, den Prototypen bis hin zur Präsentation. Spätestens bei der ersten Produktvorstellung wird klar: Worte sind die Basis einer gemeinsamen Sprache zwischen Designer und Nichtdesigner. Anders als Literat:innen sind Gestal­ter:in­nen in der angenehmen Situation, ihr Werk im Kontext beschreiben und beglaubigen zu können.

Visuelle Bausteine sprechen zwar für sich selbst, aber sie erzählen nicht die ganze Geschichte. Das wird schnell übersehen, wenn Designer- und Auftraggeber:innen über längere Zeit im engen Austausch sind. Natürlich ist es ein Vorteil, nicht über ­jedes Detail diskutieren zu müssen. Doch blindes Verständnis führt nicht automatisch zu verständlichen Ergebnissen. Schreiben und das Überprüfen außerhalb der eigenen Blase machen ein Kommunikationsdesign rundum verständlich. Dabei geht es nicht um endlose Abhandlungen: Meist reicht eine Seite mit präzise formulierten Gedanken.

Gestalter:innen haben oft das Bedürfnis, mit Jargon und hoch­trabender Sprache zu zeigen, dass sie mehr können, als »Dinge schön machen«. Statt ihr Werk aus Sicht der Nutzer:innen zu präsentieren, stellen sie Begriffe wie »minimalistisch«, »ikonisch« oder »edgy« in den Raum. Klar, das klingt cool, aber was bedeutet es für den Nutzen eines Designs? Isoliert betrachtet sind das hohle Floskeln.

Beim Sprechen über Design muss stets klar sein, wen man erreichen möchte: andere Designer-, Auftraggeber- oder Be­nutzer:innen? Jede dieser Gruppen erfordert eine angemessene Ansprache. Wer das nicht beachtet, verliert sich schnell in privaten Ansichten, leeren Behauptungen oder abstrakten Aus­sagen, die niemanden wirklich interessieren.

Schreiben ist Design mit Worten. Es ist die gleiche Präzision und Detailgenauigkeit gefordert wie bei der Entwicklung eines gut funktionierenden Produkts oder User Interfaces. Dieter Rams reduzierte die Regeln für gutes Design einst auf zehn Thesen, von denen sich fünf auch auf das Schreiben anwenden lassen:

1 Gutes Design ist ehrlich. Ein guter Text ebenfalls. Dabei geht es weniger darum, die Wahrheit auszusprechen, als vielmehr darum, ehrlich zu sich selbst zu sein. Wenn sich der ­eigene Anspruch mit dem Ergebnis deckt, kann dieses nicht besser werden.

2 Gutes Design macht ein Produkt verständlich. Wie ein guter Text: keine Floskeln, keine sprachlichen Verzierungen, keine Buzzwords.

3 Gutes Design ist so wenig Design wie möglich. Fasse dich kurz. In der Kürze liegt die Würze.

4 Gutes Design ist ästhetisch. In der Disziplin »Text & Schreiben« ist das eine Medaille mit zwei Seiten, einer inhaltlichen und einer optischen. Letzteres sollte visuellen Ge-stalter:innen leichtfallen, denn Folien, Bilder und Typografie sind ihr täglich Brot. Sprachliche Ästhetik resultiert aus kurzen Sätzen und einer präzisen Wortwahl. Das führt unmittelbar zu:

5 Gutes Design ist unaufdringlich. Es geht um das Erreichen und das Überzeugen der Adressat:innen. Auf keinen Fall manipulieren und überwältigen, stattdessen charmant, humor­voll und gewinnend schreiben. Und emotional: In dir muss bren­nen, was du in anderen entzünden willst.

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