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»Nichts erweitert den Horizont mehr als Auslandserfahrung«

Sabina Hesse ist seit 2017 Kreativdirektorin bei Crispin Porter + Bogusky in Los Angeles. Wir fragten sie, was die Arbeit dort von unserem deutschen Kreativmarkt unterscheidet – und warum sich der Sprung über den Teich lohnt.

Seit Frühjahr 2017 ist Sabina Hesse Kreativ
direktorin bei Crispin Porter + Bogusky in Los Angeles. Vorher arbeitete sie bei Heimat in Berlin. In diesem Jahr übernimmt sie den Juryvorsitz beim deutschen ADC Junior Award.

War es schon immer Ihr Traum, irgenwann
einmal in den USA arbeiten?

Sabina Hesse: Lustigerweise war es gar nicht mein Traum, sondern der meines Verlobten. Ich spür-te irgendwann den Drang nach Veränderung, ohne aktiv nach etwas Neuem zu suchen. Ich dachte nur: »Mensch, jetzt ist aber auch mal gut mit Deutschland!« Kurze Zeit später kam tatsächlich das Angebot von Crispin Porter + Bogusky.

»Mensch, jetzt ist aber auch mal gut mit Deutschland!«

Haben Sie sofort Ja gesagt?

Anfangs fühlte es sich unwirklich an und L.A. wie das Ende der Welt. Dann flogen wir zum Gespräch dorthin, und schnell wurde klar: Hier zu arbeiten ist eine wahnsinnige Chance. Man müsste schon mindestens irre sein, um nicht Ja zu sagen. Dass das Angebot ausgerechnet von Crispin Porter + Bogusky kam, deren Arbeiten ich seit Jahren begeistert verfolge, spielte dabei natürlich eine Rolle. Ich hatte die Chance, einen der Agenturgründer – Chuck Porter selbst – kennenzulernen, der nicht nur brillant, sondern auch wahnsinnig nett und lustig ist. Es hat einfach alles gepasst, und ich denke nicht, dass ich bei einer anderen Agentur so schnell Ja gesagt hätte.

Hatten Sie davor schon Auslands-erfahrungen gesammelt, etwa während des Studiums?

Ich studierte ein Jahr Malerei an der Akademie für Bilden-de Künste Bukarest – für mich nicht wirklich Ausland, da ich in Rumänien geboren bin. Dieses Jahr würde ich locker als eines meiner besten einstufen. Nichts erweitert den Horizont mehr als eine Zeit im Ausland, wenn man diese mit offenem Her-zen und Augen bestreitet. Vor allem als Kreative braucht man ständig neue Eindrücke und Impulse.

Inwiefern unterscheidet sich das
 Arbeiten in den USA von dem in einer deutschen Agentur?

In den Staaten ist alles mehr am Business orientiert: Lösungen für Businessprobleme zu finden kommt vor Kreativität. Außerdem geht alles viel schneller, Dinge ändern sich von einem Tag auf den anderen, die Timings sind teilweise irre – und Kündigungsfristen quasi nicht existent. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen, aber letztlich führt es dazu, dass der Anspruch sehr hoch ist und man wahnsinnig viel lernt.

Man spricht überhaupt sehr gerne über positive Dinge, anstatt Probleme durchzukauen, was die allgemeine Stimmung immens hebt.

Paradoxerweise sind die Menschen hier wesentlich entspannter und besser gelaunt, was am Ende zu einem freudvollen Arbeitsalltag führt. Interessant finde ich auch, dass man sich viel mehr auf die guten Ideen konzentriert, statt lange darüber zu debattieren, weshalb eine Idee doof ist. Man spricht überhaupt sehr gerne über positive Dinge, anstatt Probleme durchzukauen, was die allgemeine Stimmung immens hebt.

War es schwierig, eine Arbeitserlaubnis 
zu bekommen?

In meinem Fall nicht, da Crispin Porter + Bogusky sich darum gekümmert hat. Um ein Arbeitsvisum wie dieses zu bekommen, muss man außergewöhnliche Exzellenz in der Branche nachweisen können. Das geschieht durch gewonnene Preise, Vorträge, Presseartikel, Mitgliedschaft in relevanten Kreativclubs, Jurymitgliedschaft bei Award-Shows sowie Empfehlungsschreiben von international agierenden Menschen in der Branche. Das klingt nach viel – und das ist es auch. Darum an dieser Stelle ein Tipp an alle, die einmal in die USA wollen: Sammelt zeitig alles ein und legt jeden Award, den ihr bekommt, sauber in einem Ordner ab!

Was würden Sie Nachwuchskreativen noch raten, die Berufserfahrung in den USA sammeln wollen?

Man sollte schon früh so international wie möglich denken, was Ideen und Insights angeht. Selbst mit der lustigsten Astra-Kampagne wird man es schwer haben, in den USA zu punkten. Und internationale Awards helfen natürlich auch.

Ein Tipp an alle, die einmal in die USA wollen: Sammelt zeitig alles ein und legt jeden Award, den ihr bekommt, sauber in einem Ordner ab!

Möchten Sie irgendwann zurück nach Deutschland?

Falls wir je den Drang verspüren sollten, nach Deutschland zurückzukehren, werden wir dem folgen. Momentan gibt es in diesem Land jedoch viel zu viel zu entdecken, als dass wir darüber nachdenken würden.


Wie es deutschen Kreativen geht, die für den Job in die USA gegangen sind, beleuchten wir in PAGE 03.2018. In der Ausgabe, die hier im Shop erhältlich ist, sind Erfahrungsberichte und Interviews zu lesen – unter anderem mit einem Designer bei Instagram im Silicon Valley, Freelancern in New York oder einer Kreativdirektorin in Los Angeles.

Außerdem gibt es Tipps zur Vorbereitung auf einen eigenen USA-Aufenthalt. Visums-Tipps haben wir hier zusammengestellt. Und hier verraten Felix Richter und Alexander Nowak, Executive Creative Directors bei der New Yorker Agentur Droga5, von ihren Erfahrungen. 

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