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Motion Design in der Praxis

Im bunten Studio von DELI Creative Collective mitten im Hamburger Schanzenviertel entstand ein Projekt für die Stadtwerke Düsseldorf, das alle Aspekte des Motion Designs in sich vereint.

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Vogelperspektive: Vom oberen Stockwerk aus lässt sich das bunte Treiben in dem ehemaligen Schafstall beobachten.

Ein lebensgroßes Schaf aus Hart­plas­tik ist der einzige Hinweis darauf, dass die­ses Gebäude mal vor langer, langer Zeit ein Schafstall war. Heute ist die Halle direkt ne­ben der Bullerei von Starkoch Tim Mälzer eine Hochburg des Motion Designs, nämlich das sympathische Studio von DELI Cre­ative Collective. In dem durch verschie­denfarbige Wände auf den ers­ten Blick ziemlich wild gegliederten Raum – hin­ter dem sich ein ausgeklügeltes Farb­kon­zept von Interior Designer Ole Grön­woldt verbirgt – arbeiten insgesamt 24 Festangestell­te. Dazu kom­men oft Freelancer, wenn viel zu tun ist.

Hoch über dem Erdgeschoss schwe­ben Flächen, auf denen auch Regisseur Michael Reissinger und Kreativdirektorin Yvonne Inlund arbeiten. Hier entstan­den die ers­ten Entwürfe für ein Projekt, das mit spa­ßigen kleinen Charakteren, Low-Poly-Figu­ren, 3D- und Fotoelementen, Realbildern, 2D- und 3D-Typoanimation geradezu archetypisch für die Arbeit eines Motion De­signers steht, wie Michael Reissinger uns erklärt. Der gelernte Grafikdesigner ist seit den Anfangstagen für die Kreation des auf Post-, Digital- und Tonproduktion spezialisierten Studios ver­antwortlich.

»Es ist ganz wichtig, immer auf Machbarkeit zu achten. Sonst geht es einem wie den Machern von ›Life of Pi‹, die bei der Oscar-Verleihung verkündeten, dass sie bankrott sind« Martin Klauder, Geschäftsführer bei DELI Creative Collective in Hamburg

Bei DELIs so vielseitigem Motion-Design-Projekt ging es um eine praktische App der Stadtwerke Düsseldorf, die nicht nur mit Energieberatung, sondern auch mit einem bunten Mix aus Informationen übers Düsseldorfer Stadtleben aufwartet, von Kultur bis Fußball. Auch Hilfe bei der Park­platzsuche wird geboten. Ein animier­ter Werbeclip sollte möglichst kurzweilig die vielen Features der Stadtwerkzeug-App erklären.

Briefing und erste Ideen

Wie häufig bei derartigen Produktionen waren nicht die Stadtwerke selbst DELIs Auftraggeber, sondern deren Düsseldorfer Kre­ativagentur Butter – Werbeagenturen arbeiten in solchen Fällen meist mit spezia­lisierten Motion-Design-Studios zusammen. Eine der ersten Ideen des Teams: Ein Mann sitzt auf einer Bank, zückt das Handy und zeigt all die tollen Funktionen der Stadtwerke-App, als würde er die zahlrei­chen Werk­zeuge eines großen Schweizer Taschenmessers vorführen. »Wir haben der Agentur erste Entwürfe dazu vorgelegt, aber es war bald klar, dass die Person im Spot viel zu wichtig würde«, so Reissinger. »Also besannen wir uns auf den klassischen konzentrierten Look vor grünem Hintergrund, mit dem Butter auch sonst für die Stadtwerke arbeitet.«

 

Motion Design bei Deli Creative – Stadtwerke Düsseldorf App Bild 1
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Motion Design bei Deli Creative – Stadtwerke Düsseldorf App Bild 2
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Motion Design bei Deli Creative – Stadtwerke Düsseldorf App Bild 3
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Die Anfänge: Mit einem von Pascal Reitz gezeichneten Story- board sowie Styleframes begann das Projekt
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Motion Design: Storyboard
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Funktioniert auch analog: Elemente aus dem Spot kamen in einer Plakat­kampagne zum Einsatz
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Auf der Galerie: Auf einer Ebene oben im Raum schweben die Arbeitsplätze der Motiondesigner
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Die Kreativen von DELI entwickelten ers­te Styleframes, in denen Smartphone und App im Mittelpunkt stehen. Das Handy scheint wie ein überbordendes Allzweck­werkzeug aufzuploppen, heraus schwebt das Fortuna-Stadion, aus dem ein Fußballer dem User entgegenspringt, um einen gekonnten Fallrückzieher zu landen. Im Vor­dergrund wandert ein wie von Hand illustrierter Ticker durchs Bild. Der Ansatz gefiel Butter, sodass DELI weitere Bildide­en für andere Features entwickelte: Veranstaltungstipps, Parkplatzfinder, Energieberatung. Daraus entstand ein Storyboard, das auf der Stelle inhouse ge­zeich­net wurde – und zwar von Motion Designer Pascal Reitz.

»Wir brauchen Allrounder. Premiere, After Effects, Cinema 4D und Illustrator zu beherrschen, ist Voraussetzung« Martin Klauder, Geschäftsführer bei DELI Creative Collective in Hamburg

Dabei mussten die Gestalter von vornherein an unterschiedliche Anwendungen des Spots denken. Außer auf Regionalsen­dern, im Kino, im Düsseldorfer Fußballstadion und auf der Stadtwerke-Website sollten einzelne Abschnitte auch im Fahrgast-TV von Straßen- und U-Bahnen funktionieren. Was aus dem Telefon rausgeflogen kam, musste also auch immer dort wieder verschwinden, um kurze, in sich ab­ge­schlos­sene Vignettenfilme entstehen zu lassen.

Eine zu­sätzliche Herausforderung: Auf den Mo­nito­ren der U-Bahn sowie im Stadion sollten die Clips ohne Ton laufen – sie mussten also so plakativ sein, dass sie auch stumm funktionierten. Zudem soll­ten Motive aus den Filmen auf City-Light-Pos­tern zum Einsatz kom­men. Also galt es für die Motiondesigner schon während der Arbeit daran zu denken, dass die entstehenden Bilder druckfähig sein mussten. Denn normalerweise arbeiten sie mit sehr viel niedriger aufgelösten Dateien, als dies im Print­bereich der Fall ist.

Motion Designer von Anfang an dabei

Schon in der Konzeptionsphase des Stadtwerkzeug-Clips gab es erste Animationstests mit Cinema 4D. Fünf Motiondesigner lieferten die Zutaten für die Styleframes, die Yvonne Inlund und Michael Reissinger für die Präsentation beim Kunden bauten. Wichtig war hier DELIs Produktionsexpertise: Nur Profis können abschätzen, ob die Entwürfe auch innerhalb des Budgetrahmens umzusetzen sind. »Als Mood zei­gen Kunden einem manchmal Filme, die zehnmal so viel gekostet haben, wie sie selbst ausgeben können«, sagt Martin Klau­der, einer der beiden Geschäftsführer bei DELI Creative Collective und als Producer fürs Projektmanagement zuständig. »Es ist also wichtig, immer auf Machbarkeit zu achten. Sonst geht es einem wie den Machern von ›Life of Pi‹, die bei der Oscar-Verleihung verkündeten, dass sie bankrott sind.«

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Auf dem Filmset: Kreativdirektorin Yvonne Inlund und Regisseur Michael Reissinger beim Dreh im Studio von Impossible Filmproductions.

Designvorgaben gab es keine – außer der Hausfarbe der Stadtwerke, die die Mar­kenverbindung herstellt. Und so konnte DELI »einen Kessel Buntes an­rühren«, so Reissinger, »ein Potpourri, das auch visuell die Vielfalt der App unterstreicht. Typo­gra­fisch haben wir eine wilde Mischung aus Grotesk- mit Schreibschriften und 3D-Typo zusammengestellt, für die Type-Gestalter einem sonst bestimmt auf die Finger hauen würden. Aber da alles auf dieser grünen Bühne spielt, gibt es immer eine visuelle Klammer.«

Besonderen Charme geben dem Spot die trickrei­chen Verbindungen zwischen der Animation und den Händen der Models. So fährt etwa ein Auto einer Fin­ger­bewegung folgend eine Parkhausrampe hoch und findet – natürlich dank App – einen schönen Parkplatz. »Beim Dreh muss man schon wissen, was für eine Interaktion da stattfindet«, erklärt Martin Klau­der. »Na­türlich ist die Animation dann noch nicht fertig, es gibt nur ein Rohgerüst, damit man weiß, wann das Model welche Fingerbewegung machen muss. Auch vom Timing her müssen die Bewegun­gen auf die Länge der Vignette passen.« Gedreht wur­de bei Impossible Films, einer Hamburger Filmproduktion, mit der DELI öfter zusammenarbeitet.

»Da alles auf dieser grünen Bühne spielt, gibt es immer eine visuelle Klammer« Michael Reissinger, Geschäftsführer bei DELI Creative Collective in Hamburg

Insgesamt dauerte die Arbeit rund acht Wochen. 19 Leute waren in wechselnden Konstellationen am Werk inklusive Kame­ra­mann, Beleuchter, Producer und Stylis­tin bei Impossible Pictures. Besonders die fünf beteiligten Motion Designer waren gut ausgelastet. »Einer baut das Stadion, das an­schließend wiederum animiert wer­den muss«, zählt Michael Reissinger am Beispiel Esprit arena auf. »Dazu kommt je­mand, der das Stadion auf die Hände der Person trackt, die es bewegt. Die Spieler wer­den in Cinema 4D gebaut und geriggt, das heißt mit einem Skelett versehen, damit sie sich bewegen und zudem den Ball kicken können. Das macht wieder eine an­de­re Person. Und dann gibt es noch je­man­den, der diese ganzen Dinge zusammenbringt, also das Compositing und not­wendige Retuschen macht.«

Technische Voraussetzungen

Videoschnitt, 3D-Animationen, Special Effects, Com­positing – Motiondesigner müs­sen viele ausgesprochen komplexe Softwarepakete beherrschen. »Wir brauchen Allrounder«, sagt Martin Klauder. »Pre­mie­re, After Effects, Cinema 4D und Illustrator zu beherr­schen, ist Voraussetzung.« Hinzu kamen bei dem Projekt für die Stadtwerke Düsseldorf noch die Visual-Effects-Programme Autodesk Flame und Nuke, die DELI fürs Compositing einsetzt. Schließlich müssen die unterschiedlichen Animationen und Spezialeffekte noch in ein Bild montiert werden – da ist viel Rechenleistung im Spiel.

Zur Abnahme kommen die allermeist­en Kun­den persönlich vorbei. Letzte Än­de­rungswünsche kann der Motion Designer direkt vornehmen und dank leis­tungs­star­ker Rechner gleich ausspielen. Ganz schnell und unkompliziert, sodass keine weiteren Abnahme-Termine nötig sind. Und dazu gibt’s noch ein Mittagessen von der hauseigenen Köchin. Kein Wun­der, dass die Kunden gern bei DELI vorbeischauen.

Tools und Einblicke: Ausschnitte aus der Arbeit der DELI-Motion-Designer am Stadtwerkzeug-Spot

Low-Poly-Arrangement in Cinema 4D
Das Düsseldorfer Fußball­sta­dion ist erst von außen zu sehen und dreht sich dann einmal um eine Querachse, wobei das Fußballfeld auf erdigem Grund erscheint. Statt einzelne Zuschauer herauszuarbeiten, erscheinen diese als kleine Ovale, um Masse zu visualisieren. Auch die Spieler sind im Low-Polygon-Stil erstellt, denn einen realistischen Fußballspieler zu modeln, wäre extrem aufwendig. Die Low-Poly-Figu­ren sind ansprechend und reichen in der Kürze der Zeit völlig aus, um das Erlebnis Fußball zu vermitteln.
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Veranstaltungskalender in Cinema 4D
Wie in einem Karussell werden um die Realbildebene der beiden Personen in einem 3D-Raum Visuals für diverse Events herumgeführt. Darunter Fotos im Cut-and-Paste-Stil, eine ähnlich wie das Stadion auf erdigem Untergrund aus »Holz« modellierte Theaterbühne sowie ein in 3D erschaffener Drache, der für das beliebte Chinafest Düsseldorf steht.
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Abendstimmung dank After Effects
Mit einer Drehbewegung schafft der Drache einen dynamischen Übergang zur Szene mit der Discokugel. Die war wie alles andere bei Tageslicht gefilmt, also musste sie in After Effects in eine Abendstimmung gebracht werden. Außer­dem strahlt die Kugel ein Fließlicht ab, das auch auf den Arm und das Kleid der Frau wirkt, die man mit entsprechenden Lichteffekten versah.
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Platzhalter-Animation in Cinema 4D
Das Storyboard sah vor, dass die Frau mit einer kreisenden Bewegung ihres Fingers das kleine rote Auto wie eine Marionette in eine Parklücke führt. Dafür entstand vor dem Dreh eine grobe Cinema-4D-Animation mit Platzhaltern – man spricht hier von Blocking, weil man eine Art rudimentäre Bauklötzchen animiert. Auf dieser Basis studierte die Schauspielerin ihre Bewegungen ein. In der finalen Animation wird dann nach dem Dreh alles verfeinert. In diesem Bild hat der Motion Designer die virtuelle Kamera eingeblendet. Sie sorgt dafür, dass Perspek­tive und Fluchten passen, sodass ein harmonischer Gesamteindruck entsteht.
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Richtiges Timing mit Nuke
Ein Screenshot aus der Effekt- und Compositing-Software Nuke. Auch in dieser Vignette passieren eine Menge Sachen: Der Grundriss baut sich auf, eine LED-Leuchte erhellt eine Stehlampe, eine Badewanne fährt hoch, füllt sich mit Schaum und läuft irgendwann über, et cetera. Die sogenannten Nodes im Schema rechts zeigen wie ein Signalplan an, wann was passiert und wie die Dinge miteinander in Wechselwirkung stehen.
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Roboter-Modelling in Cinema 4D
Kein anderes Bild steht so lange wie der Abbinder, der aber des­- wegen keineswegs ganz statisch sein darf. Der kleine Roboterarm, der am Ende des Spots unten links eine Leuchte hält, bewegt sich ganz leicht. Er wurde entsprechend filigran in Cinema 4D gemo­delt – einschließlich der Fähigkeit, einzelne Gelenke zu drehen. Ohne Liebe fürs Detail geht es eben nicht im Motion Design.
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