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Klassiker und Newcomer: TYPO Berlin 2010

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estandene Größen und spannende Entdeckungen: Die TYPO Berlin 2010 bietet ein gut gemischtes Programm.

Am Ende flogen leere Chipstüten, jede Menge zusammengeknülltes Papier, ein Stofftier und sogar ein Schuh auf die Bühne und dazu buhte das Publikum Julian Smith lautstark aus. So endete der erste Tag der TYPO Berlin. Allerdings war es kein Eklat, sondern geschah auf Aufforderung des 23jährigen Regisseurs und Klick-Millionärs aus L.A., der den Protest mit seinem iPhone filmte und umgehend online stellte. Quasi eine Live-Kostprobe seiner Arbeitsweise, die auf gespielten Witzen und schrägen Situationen basiert, die Smith mit Freunden nachstellt. Furios sein app-Film, der das iPhone in eine Personenwaage, einen Schwangerschaftstest, einen Hammer oder eine Gürtelschnalle verwandelt. Albern, wenn er mit seiner Katze über den Abwasch spricht. Bleihaltig, wenn er sich über die Aussprache des Wortes »milk« lustig macht – und ein lustiger Fake, wenn er vor den Juroren der Castingshow »Britains got Talent« einen unmöglichen Rap vorträgt. Seine Message: die Ideen die man hat müssen weder besonders innovativ noch einzigartig sein, man muss sie einfach umsetzten. Very american – und dabei sehr unterhaltsam!

YouTube-Star Julian Smith wird beworfen – und filmt sich dabei

Das war auch Design-Legende Carlos Segura der, untermalt von Musik, nicht zum ersten Mal durch sein Leben und sein Werk flanierte. Von lustigen Arbeiten wie der Cartype-Seite inklusive der Abteilung »I park like an idiot« mit unmöglich abgestellten Fahrzeugen, Charity-Work und den großartigen Katalogen für die Fotoagentur Corbis, in denen Fotografien assoziativ neben einandergestellt werden: Ein Porträt von Kurt Cobain, der sich in den Kopf schoss neben das von Charlton Heston, dem Vorsitzendem der amerikanischen Waffenliga NRA.

Carlos Segura mit einer Dia-Show seiner phantastischen Kataloge

Frank Schomburg von nextpractice, der für seinen erkrankten Kollegen Peter Kruse einsprang, erklärte warum im Internet »der Schwanz beginnt, mit dem Hund zu wedeln«. Heißt, wie User den Inhalt bestimmen, wie sie mit der Komplexität des Netzes umgehen und wie sich im Internet die Macht von der Anbieter-Seite auf die Nachfrage-Seite verschiebt. Eine Beobachtung, die Schomburg mit vielen Beispielen untermalte – von der Greenpeace-Kampagne gegen Nestlé, die mit ihren Rodungen in Indonesien die Lebenswelt von Orang-Utans zerstört, dem carrotmob, der Unternehmen durch gebündelte Einkaufsaktionen für Nachhaltigkeit belohnt und der ansteigenden Zahl der Blogger, die sich in 200 Millionen Blog weltweit zusammenfinden, 54% von ihnen täglich!

Candy Chang, Amerikanerin mit taiwanesischen Wurzeln, beim Ausflug


Frischer Wind wehte erneut am Freitagmorgen. Nachdem der Medienkünstler Joachim Sauter spektakuläre Projekte für das Naturkundemuseum Berlin oder das BMW Museum München vorstellte, betrat Candy Chang die Bühne. »Hi, I’m Candy« – und »stellen sie sich meinen Vortag wie eine kleine Märchenstunde vor«, begrüßte sie das Publikum – und nahm es mit zu einer Reise um die Welt. Nach Johannesburg, wo sie ein Projekt über Friseursalons macht, nach Helsinki, wo sie wohnt, nach New York, wo sie gelebt hat – und sich auf vielfache Weise mit dem öffentlichen Raum beschäftigt, mit Privatssphäre, dem Miteinander, dem Antlitz von Städten und den Gesellschaftsstrukturen, die sich darin formen. Für eine Zeitschrift entwarf Chang gerade ein Aufhänger für Wohnungstüren, der mit Sprüchen wie »Do disturb« zum nachbarschaftlichen Miteinander aufruft, an einer großen Pinnwand hat sie Bewohner eines New Yorker Stadtteils aufgefordert zu hinterlassen, wie lange sie wo wohnen und wie viel Miete sie bezahlen und so ein soziologisches Diagramm erstellt. Für die Straßenhändler New Yorks, die von willkürlichen Restriktionen der Polizei malträtiert werden, die ihnen orbitante Strafen verpasst, wenn ihr Stand zu weit auf den Bürgersteig ragt oder ihre Verkaufsgenehmigung nicht deutlich an der Jacke zu sehen ist, hat sie eine Hilfsbroschüre entworfen. Changs »Street Vendor Guide« ist übersichtlich, grafisch leicht verständlich, in mehreren Sprachen verfasst, sozial engagiert, sehr stylish – und ein großartiges Projekt. Sehen Sie Abbildungen dazu in unserer Bildergalerie.

Candy Chang heute bei ihrem Vortag »Street Vendirs, Stencils and Neighbors«


Andere Höhepunkte werden folgen: Surfer und Designer David Carson steht später auf dem Programm, und und und …

Weitere Artikel zur TYPO Berlin 2010 auf PAGE online hier.

Foto ganz oben: New Yorker Straßenhändler mit Candy Changs Hilfsbroschüre

Typo Berlin 2010. Candy Chang »Street Vendirs, Stencils and Neighbors«
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