Wir sprachen mit Niklas Frings-Rupp und Ina Behrendt über die digitale Transformation der Hamburger Kreativenschmiede und die Erwartungen der Gen Y an ihre künftigen Arbeitgeber.
Foto: Roman Raacke
Sie können nicht nur »Ad«: Die Geschäftsführer Niklas Frings-Rupp, Mitgründer der Miami Ad School Hamburg, und Ina Behrendt, seit diesem Frühjahr dabei und für alles Digitale zuständig, über ihre Vorstellungen einer zeitgemäßen Ausbildung für die Kreativgrößen von morgen – und darüber, wie man es an ihre Schule schafft, sei es als Student oder Dozent.
PAGE: Auf der Website der Miami Ad School wird das »Ad« immer wieder durchgestrichen und abwechselnd durch Idea, Design, Code, Strategy und Social Media ersetzt. Ist das ein Zeichen für die Weiterentwicklung?
Niklas: Diese Öffnung in alle Themengebiete entspricht unserem Selbstverständnis als Innovations- und Kreativschule. Unser Fokus liegt nicht nur auf Handwerkszeug für eine spezielle Sparte, sondern auf ganzheitlicher Problemlösungskompetenz. Wir bieten dabei unseren Studenten auch den Bachelor- und Masterabschluss in Kooperation mit der Steinbeis University of Innovations an. Nach nur drei bzw. zwei Jahren haben unsere Absolventen eine akkreditierte Ausbildung und können nach dem zweiten Jahr direkt ins Berufsleben starten.
Ina: Wir richten uns sowohl an die Werbe-Interessierten, als auch an die gesamte Industrie. Ob Agentur, Start-Up oder Unternehmen – gute Kreative sind heute überall gefragt.
Ob Agentur, Start-Up oder Unternehmen – gute Kreative sind heute überall gefragt
Wie verändert die digitale Transformation eure Schule?
Ina: Wir haben zum Beispiel am Curriculum geschraubt, neue Inhalte aufgenommen und weitere Lehrer engagiert, die in der digitalen Welt zuhause sind. Wir sind nun viel stärker im Feld UX/UI-, Interactive-, Digital-Design sowie Information Architecture, Prototyping und Design Thinking aufgestellt. Auch Social Media und Content spielen eine große Rolle.
Niklas: Zudem haben wir unser Seminar-Angebot für Werbeagenturen und Unternehmen im Digital-Bereich weiter ausgebaut.
Müssen alle Schüler ein Stück weit coden können?
Ina: Sie müssen das Grundverständnis für Front- und Back-End-Coding haben, daher ist es bei uns auch ein Pflichtfach. Grundsätzlich bilden wir zum Copywriter und zum Art Director aus. Natürlich muss ein Texter keinen Advanced Coding Kurs machen. Er wechselt dann zum Thema Digital Content Strategies und fokussiert sich auf Storytelling fürs Web, Content Marketing, Blogging, etc. Jeder bekommt die Ausbildung, die für ihn, seine Talente und den Markt draußen die richtige ist.
Niklas: Wir glauben, dass ein guter Kreativer neben seiner Kernkompetenz alle Werkzeuge bedienen können oder sie zumindest kennen muss.
Inwieweit deckt ihr Handwerkszeug ab?
Ina: Nach einem Jahr sind die Schüler fit für den Joballtag, da wir alle Grundlagen vermittelt haben: von Software-Skills wie Photoshop und Illustrator, über Konzepte und Textmechanismen, Fotografie und Motiondesign. Dann schicken wir sie raus in die Unternehmen, die mit uns kooperieren und die in New York, Miami, Sao Paolo, Tokyo und vielen anderen Metropolen sitzen. Sie wechseln alle drei Monate den Standort und arbeiten als Praktikanten auf echten Projekten in großen Kreativagenturen oder Unternehmen und studieren nebenbei weiter. Wir nennen das: »The real world is your classroom.«
»The real world is your classroom«
Kommen eure Studenten direkt von der Schule oder haben die meisten schon Erfahrungen?
Niklas: Wir haben vier verschiedene Gruppen, die ungefähr gleich groß sind: Die einen kommen direkt aus der Schule und sind oft Autodidakten. Andere haben bereits etwas wie Kommunikationsdesign studiert und wollen ihre Kenntnisse vertiefen. Dann gibt es die kompletten Quereinsteiger, die aus ganz anderen Bereichen kommen. Und schließlich solche, die bereits in Agenturen arbeiten und merken, dass sie nicht so vorankommen, wie sie es sich gewünscht hatten und hungrig sind auf mehr.
Persönlichkeitsentwicklung ist auch ein wichtiger Aspekt der Ausbildung. Wie integriert ihr das?
Ina: Wir bieten die Klasse Presentation Skills und Personal Coaching an. Hier werden die Schüler unter anderem von einem Stand-Up-Comedian dafür ausgebildet, freudvoll auf der Bühne zu stehen und zu präsentieren – ohne das geht’s in keinem Kreativjob! In den Praxisquartalen stellen sie dann spürbar fest, wie sich durch die Ausbildung ihre Kraft und Persönlichkeiten weiter entwickelt haben und wie sie davon profitieren.
Man hört immer wieder, dass eure Absolventen etwas arrogant seien.
Niklas: Vielleicht ist es eher Stolz. Natürlich sind unsere Schüler stolz darauf, bei ihrer Ausbildung an verschiedenen Orten der Welt gearbeitet zu haben. Und bei welcher anderen Ausbildung gibt es schon echte Awards, die man gewinnt? Viele unserer Schüler halten nach ihrer Ausbildung einen ADC-Nagel oder Cannes-Löwen in der Hand. Darauf können die Schüler stolz sein, das ist kein Fehler.
Das Studium an der Miami Ad School ist harte Arbeit. Warum lohnt sich das?
Niklas: Zum einen hat fast jeder unserer Absolventen nach dem Studium einen Job sicher – na gut, zu 98%. Viele lernen hier, dass ihre eigenen Möglichkeiten viel höher liegen als sie dachten – und sie finden heraus, wozu sie fähig sind.
Viele lernen hier, dass ihre eigenen Möglichkeiten viel höher liegen als sie dachten – und sie finden heraus, wozu sie fähig sind
Ina: Die Studenten treffen unglaublich viele professionelle Mentoren und arbeiten mit ihnen zusammen. Das sind Connections fürs Leben und für den beruflichen Erfolg unbezahlbar!
Privaten Akademien wird oft vorgeworfen, dass die Praxisorientierung auf Kosten der künstlerischen Freiheit geht.
Niklas: Wir wollen, dass die Schüler lernen, dass sie zur Lösung einer Aufgabe beitragen. Das hilft im Jobmarkt – und dafür präparieren wir unsere Schüler weit besser als eine Schule, bei der es nur um zügellose Freiheit geht oder semesterlang am Jobmarkt vorbei unterrichtet wird.
Wohin wollen eure Absolventen? Wie hoch stehen Agenturen (noch) in ihrer Gunst?
Niklas: Das ist total gemischt. Einige Studenten wollten schon immer zu einer bestimmten Agentur, andere wollen unbedingt mit einer bestimmten Person zusammenarbeiten und wieder andere suchen nach einer bestimmten Aufgabenstellung. Einer unserer Absolventen ist zum Beispiel ein totaler Sneaker-Nerd und arbeitet heute als eine Art Raritäten-Scout für eine Sneaker-Marke. Dabei bringt er nicht nur die Passion, sondern auch das Handwerk und die Denke mit, die er hier gelernt hat. Und die braucht letztlich jedes Unternehmen heutzutage.
Gibt es irgendwelche Arbeitgeber-No-Gos für die Absolventen?
Niklas: Nein, eigentlich nicht. Worauf aber alle achten: Mit wem arbeite ich zusammen und wie ist die Struktur? Sie haben eine ganz gute Vorstellung davon, was sie von einem guten Arbeitsumfeld erwarten. Dabei geht es nicht um Work-Life-Balance, sondern um die Aufgaben, an denen man arbeitet. Denn das haben alle mittlerweile begriffen: Vor der Ehe wird oft wahnsinnig viel versprochen und der Alltag sieht dann ganz anders aus.
Unsere Absolventen haben eine ganz gute Vorstellung davon, was sie von einem guten Arbeitsumfeld erwarten
Ina: Generell sucht sich die Generation Y mehr Mentoren, vernetzt sich anders und weiß dadurch besser, was sie will – und fordert das auch ein. Genau das wollen wir mit unseren Praxisquartalen erreichen: Dass die Schüler Partner kennenlernen, an denen sie sich reiben können, um weiter zu wachsen. Sie sollen hungrig sein.
Apropos Hunger: Worauf achtet ihr noch bei potentiellen Bewerbern?
Ina: Eine gewisse Grundkreativität muss natürlich vorhanden sein, aber das wichtigste ist, dass sie wirklich Spaß an der Sache haben und motiviert und engagiert sind.
Niklas: Unser Motto ist: Du brauchst nicht gut zu sein. Wir machen Dich gut! Uns kommt es vor allem auf die Motivation an. Daher ist es nicht schwer, bei uns aufgenommen zu werden. Wir beraten auch Bewerber, bei denen es nicht ganz reicht. Es gibt dann keine Absage, sondern die Aufforderung an einem Teil der Bewerbung noch mal zu feilen. Meist klappt es dann. Wir zeigen auch hier schon, dass wir helfen wollen, besser zu werden.
Viele Agenturen sind an der Zusammenarbeit mit euch interessiert – zum Beispiel als Dozenten. Was muss man dafür mitbringen?
Niklas: Wir beschäftigen keine Profs, die vor zwanzig Jahren ihre letzte große Idee gemacht haben und nur noch olle Kamellen erzählen. Bei uns arbeiten nur die Dozenten, die noch mit beiden Beinen im Job stehen und sich einmal in der Woche die Zeit nehmen, bei uns zu unterrichten. Das sind zum Beispiel Agenturchefs wie Gerrit Gley und Timm Weber sowie renommierte, vielfach ausgezeichnete Top-Kreative und Designer wie Sascha Hanke von Kolle Rebbe und Götz Ulmer, der Kreativ-Vorstand von Jung von Matt.