Im Auftrag der iF Design Foundation führte René Spitz eine internationale Untersuchung der Designlehre durch – mit teils ernüchternden Ergebnissen
Angenommen, eine neue Designhochschule soll gegründet werden – wie sollte diese aussehen? Diese Ausgangsfrage lag einer umfassenden Untersuchung der iF Design Foundation zugrunde, für die unter anderem zwischen März 2019 und Februar 2020 vier internationale Hearings mit Lehrenden und Studierenden abgehalten wurden. Die Ergebnisse dieser Diskussionsrunden sowie vorangegangener Forschungen dokumentiert der Band »Designing Design Education. Weißbuch zur Zukunft der Designlehre« (2021, av edition). Professor René Spitz, Leiter des Studiengangs Media Design an der Rheinischen Fachhochschule Köln und Vorstandsmitglied der iF Design Foundation, war maßgeblich verantwortlich für die Studie und moderierte die Hearings vor Ort. Wir sprachen mit ihm über internationale Übereinstimmungen und Unterschiede und fragten ihn nach seiner Vorstellung eines idealen Designstudiums.
Sie haben die Hearings in Gmund, Pasadena, Kyoto und Johannesburg geleitet. Gab es etwas, bei dem sich alle Teilnehmenden einig waren?
René Spitz: Große Einigkeit gab es – etwas zugespitzt – bei der Aussage: Was in der Designlehre momentan passiert, genügt nicht. Sie muss sich radikal ändern, und wir sehen niemanden, der übergreifend daran arbeitet. Überall spielte die gesellschaftliche Verantwortung eine zentrale Rolle. Design ist nun mal Teil jener industriellen Systeme, die aktuell zu großen Problemen führen. Deshalb können wir uns nicht einfach zurücklehnen und weitermachen wie bisher. Wir wollen unsere Fähigkeiten nicht mehr dafür einsetzen, den nächsten Stuhl oder die nächste Kampagne zu gestalten, sondern wir wollen die Gesellschaft dabei unterstützen, Probleme nachhaltig zu überwinden, und zwar auf allen Ebenen. Natürlich wird Design allein nicht die Welt retten, aber ein gewisser utopischer Anspruch gehört zum Berufsbild – und macht einen Teil seiner Attraktivität aus.
Es gab regionale Unterschiede in der Themensetzung. In Pasadena beispielsweise lag ein Schwerpunkt auf Programmierung und KI, in Johannesburg wurde viel über die Dekolonisation der Designlehre diskutiert.
Man kann festhalten, dass es keinen einheitlichen »International Style« in der Designlehre mehr gibt – wie noch im 20. Jahrhundert. Was in Pasadena passt, funktioniert nicht zwangsläufig auch in Johannesburg. Jede Kultur und Gesellschaft hat auf dieselbe Frage andere Antworten. Diese Unterschiede wurden aber nirgendwo als Problem wahrgenommen. Vielmehr ergibt sich daraus die Möglichkeit, voneinander zu lernen – idealerweise lebenslang. Wäre es nicht toll, wenn Hochschulen so eng kooperieren würden, dass Studierende an mehreren Orten gleichzeitig lernen könnten? Das müsste nicht mal international sein, auch bei uns hat ja jede Hochschule ihre Schwerpunkte – man könnte zum Beispiel parallel in Münster, Wuppertal, Köln und Aachen Design studieren.
Das klingt nach einer großen organisatorischen Herausforderung.
Wenn wir von Design Thinking eines gelernt haben, dann ist es das, dass man für so gut wie alles innerhalb von wenigen Tagen praktikable Lösungen finden kann. Wenn man es denn will.