Christian Büning beantwortet Fragen von Gestaltern. Thema hier: Kann ich nach dem Studium Geld von Freunden und Bekannten einfordern?
Mendi, 24: Ich bin bald fertig mit meinem Designstudium und möchte mich dann selbstständig machen. Neben dem Studium übernehme ich jetzt schon ab und zu Aufträge – meist aus dem Bekanntenkreis, für den ich Einladungen oder Hochzeitskarten gestalte. Weil es ja Freunde sind, habe ich nie viel Geld dafür genommen. Jetzt denke ich manchmal schon, dass das so nicht weitergehen kann. Aber wie soll ich für etwas Geld verlangen, was bisher immer günstig oder umsonst war?
Christian Büning:
Liebe Mendi, viele Designer haben genau wie Sie im Freundes- und Bekanntenkreis gezeigt, was sie können. Wie ein Musiker sammeln Sie erste Erfahrungen und Referenzen in einem privaten, wohlmeinenden Umfeld. Sie überlegen nun, wie Ihre Gestaltung Ihren Lebensunterhalt finanzieren kann. Für die Lösung brauchen Sie eine Extraportion Fingerspitzengefühl, denn Sie müssen Ihren Freundeskreis behutsam, aber deutlich mit Ihrer neuen Kalkulationsweise konfrontieren.
Als Studentin hatten Sie reduzierte Lebenshaltungskosten, Ihre Hauptbeschäftigung war das Designstudium. Sie können Ihre bisher günstige Leistung daher als Freundschaftsdienst oder als Eigenwerbung mit Berufsanfängerbonus einstufen. Den Schutzraum Studium werden Sie bald verlassen – das heißt für Ihre Kalkulation, dass Sie künftig Risiken und Steuerforderungen absichern müssen und keine studentischen Vergünstigungen, zum Beispiel bei der Kranken- oder Pflegeversicherung, kein BAföG und keine Unterstützung durch die Eltern mehr in Anspruch nehmen können. Wenn Sie von Ihrer Gestaltung leben möchten, bedeutet das für Bekannte und Freunde zwangsläufig, dass Ihre Dienste keine Geschenke oder Fast-Geschenke mehr sein können.
Kommunizieren Sie daher unmissverständlich, dass Sie bald mit Ihrer Gestaltung Geld verdienen müssen und bezahlte Projekte dann Vorrang haben werden. Sie handeln nicht aus Bosheit so oder weil aus Ihnen ein eiskalter Kapitalist geworden ist, sondern ganz einfach, weil Sie Ihre Miete zahlen müssen und eine Schwäche für Nahrungsmittel haben. Ihre Freunde und Bekannten werden dafür sicher Verständnis haben – andernfalls sollten Sie möglicherweise einen Moment über Ihre Freundschaften nachdenken. Überlegen Sie sich auch, ob Ihre Energie in Projekten mit wenig öffentlicher Resonanz sinnvoll investiert ist. Musiker, die zu lange auf Hochzeiten gespielt haben, werden selten für die große Halle gebucht.
Christian Büning ist Inhaber des Büro Büning Informationsgestalter und Gründer des Werkstoff Verlags. Er ist Autor der BDG Gründerfibel und schreibt in der PAGE monatlich für Designunternehmer. Im BDG engagiert er sich für faire Märkte und professionelle Teilnehmer, seit 2011 in der Funktion als Präsident. Er ist leidenschaftlicher Fan von schematischen Zeichnungen und kann sich oft stundenlang nicht zwischen der Unit und der Droid Sans entscheiden. Christian Büning lebt und arbeitet in Münster – mit Fahrrad, natürlich.
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