Raum ist relativ: Public Private Hanoi
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eeindruckender Blick in das Labyrinth der Hauptstadt Vietnams: »Public Private Hanoi« von André Lützen.
Im Asien herrscht eine ganz andere Auffassung von Raum. Viel enger ist er dort, viel offener wird er genutzt. Man drängelt aneinander vorbei, schiebt sich über die Bürgersteige, man klemmt sich in eine Ecke, um in Ruhe seine Nudelsuppe zu essen – oder schlägt sein Bett hinter einer Werkzeugbank auf, inmitten von Autoersatzteilen, im Schoß der Familie und unter den Porträts der Ahnen. Wie die Großmutter Bao Pham, eine der vielen Menschen, die der Fotograf André Lützen (*1963 in Hamburg) 2009 und 2010 in Hanoi beobachtet und fotografiert hat.
Immer nachts ist er losgegangen, hat sich durch die Wohnviertel gezwängt und die Straßen entlang, die sich in der Dunkelheit in ein einziges großes Geschäft verwandeln, in denen die winzigen Wohnungen bis auf den Asphalt schwappen und Innen und Außen aufgehoben ist.
»Eine visuelle Erzählung entlang der Grenzen der Dokumentarfotografie« nennt Lützen seine Arbeit selbst. Präzise, phantastisch ausgeleuchtet, intensiv, intim, dann wieder ironisch, nie exotisch und immer ganz exakt an der Grenze zwischen Privatheit und Öffentlich fängt er ein Lebensgefühl ein, das in der westlichen Welt unbekannt ist, in der so viel Wert auf Privatsphäre gelegt wird, darauf, sich zurückzuziehen – und zwar hinter geschlossener Tür.
»Public Private Hanoi« ist eine Reise, die auf viele Weisen fasziniert: in ihrer Motivauswahl, der Atmosphäre, in Licht und Farbe und in ihrer Fähigkeit, eine ferne Welt so nahe zu bringen.
André Lützen: Public Private Hanoi. Heidelberg (Kehrer Verlag) 2010, 112 Seiten/73 Farbabbildungen. Deutsch/Englisch. 39,80 Euro.
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