Dieses Buch ist ein Solitär, ein kleines Wunder, lyrisch und geheimnisvoll. Kaja Meyer erzählt darin von einem Wurm, von Eiern und fünf Buchten – und von wichtigen Fragen, die man sich stellt. Und das in Zeichnungen und Malerei – und ganz frei.
Es war in einem Kurs, den die Comiczeichnerin, Illustratorin und Professorin Anke Feuchtenberger an der HAW Hamburg gab.
Da spielte sie die »Winterreise« von Franz Schubert. Und auch wenn die Studentin Kaja Meyer die Lieder und die Geschichte anfangs etwas lächerlich fand, änderte sich das, als sie die Strophe hörte:
»Auch du, mein Herz, in Kampf und Sturm
So wild und so verwegen,
Fühlst in der Stille erst deinen Wurm
Mit heißem Stich sich regen!«
Und da sie lange, innige Titel liebt, nannte sie ihr Buchdebüt, das zudem der Abschluss ihres Masterstudiums ist »Was drängst du denn so wunderlich, Mein Herz?«, ein Satz, der aus der Winterreise stammt.
Genauso wie der Wurm, der im Mittelpunkt ihrer Geschichte steht – und dieses Gefühl, das sich in einem regt, das man aber nicht richtig fassen kann.
Zumindest nicht in Worten. In Bildern aber schon.
Denn als auch der Himmel keine Antwort zu seinem Gefühlszustand hat, macht der Wurm sich auf eine Reise.
Und wie im Leben alles in ständiger Veränderung ist, verwandelt auch er sich, löst sich auf, findet neu zusammen. Ist mit großen Comichänden in seinem schick eingerichteten Apartment zu sehen. Und auch die Umgebung verändert sich. Ganz so wie die Stile mit den Kaja Meyer an die fünf Buchten und noch viel weiter führt.
»Mich interessierte, wie viel Unterschiedliches ich innerhalb einer Arbeit erlauben kann, ohne den Faden zu verlieren«, sagte sie Rotopol Press, wo ihr Buch jetzt erschien.
Wie auf einer Bühne inszeniert Kaja Meyer ihre Geschichte, stellt die Protagonist:innen vor: den Wurm, Eier, Himmel, Hexe, Hasen, Kind und das in einer Kinderschrift und auf Linien wie in einem Schulheft und lässt dann Applaus aufbrausen, bevor sich sozusagen ein Vorhang öffnet.
Und wie auf einer Bühne treffen die unterschiedlichen Stile aufeinander, wechseln Bleistiftzeichnungen sich mit Malerei in satten Farben ab und Feinliniertes mit breiten, kräftigen Pinselstrichen, lösen sich Formen auf oder werden scharf umrissen sind gegenständlich und abstrahiert, konkret oder angedeutet und nehmen Gefühle Gestalt an, die sonst nur schwer zu beschreiben sind.
Gleichzeitig entsteht so eine Unklarheit, wie Kaja Meyer sie beschreibt und die Möglichkeit, »dass man in den Bildern das finden kann, was für einen selbst Sinn macht.«
Man muss sich selbst auf die Reise begeben. Auf eine verblüffende und mysteriöse zu sich selbst.
Was drängst du denn so wunderlich, Mein Herz? von Kaja Meyer, 80 Seiten, 16,5 x 24 cm, Farbe, Hardcover. 22 Euro ISBN 978-3-96451-053-2
