
Trend Clean up: Spannende Designs für Reinigungsmittel
Wie und womit man putzt, wird derzeit zum Ausdruck von Stil- und Umweltbewusstsein. Der Markt für Reinigungsmittel steht damit vor einer Revolution – und bietet spannende Aufgaben für Gestalterinnen und Gestalter. Wir zeigen, wie man das Putzen ganz im Zeichen von Nachhaltigkeit aus der Schmuddelecke befreit
Reinigungsmittel: Revolution des Marktes
Putzen kann vieles sein. Arbeit, notwendiges Übel, Zwangsstörung oder Selbstverständlichkeit, Self-Care – und jetzt auch Lifestyle. Hunderte neue Produkte überschwemmen passend dazu den Markt. Fernab des üblichen LSD-Styles voll grellbunter toxischer Vibes, der einem bis heute im Drogerieregal entgegenschreit, sind sie meist in sanften Farben gehalten, die, statt an Erdöltenside zu erinnern, auf ihre ökologischen Inhaltsstoffe verweisen.
»Der Markt für Reinigungsmittel steht vor einer Revolution«, sagt Judith Goldstein, die im LA-Hipster-Stadtteil Highland Park vor ein paar Monaten ihren Store Luca eröffnet hat, den sie eine »giftfreie und abfallarme Alternative zu kommerziellen Drogerien« nennt. Ähnlich wie Biolebensmittel die Food-Branche grundlegend verändert haben, schwappe die Nachhaltigkeit jetzt auf die Putzmittelbranche über. Die Nachfrage sei enorm und der Markt explodiere.
Putzmittel vom Kreativdirektor
Einer, der den Trend zum nachhaltigen Putzen früh erkannt hat, ist Reda Jouahri aus Rotterdam. Nach seinem abgebrochenen Kunststudium arbeitete er als Stratege in einer Agentur, schliff sein Talent in Benettons legendärer Kreativschmiede Fabrica, die lange unter der Leitung von Oliviero Toscani war, und wurde Kreativdirektor bei Premium Inc., einer niederländischen Fair-Fashion-Company. Vor zwei Jahren brachte er Kinfill auf den Markt, Reinigungsmittel, die zu 100 Prozent aus biologisch abbaubaren Inhaltsstoffen bestehen und in schicken, schlichten wiederverwendbaren Glasflaschen verkauft werden.

Das Logo, das auf der Schrift Portrait von Berton Hasebe basiert, gestaltete Jouahri selbst und stellte gleichzeitig den Grundsatz auf, bei Kinfill nie Menschen beim Putzen zu zeigen. Statt mit Anstrengung verbunden zu werden, soll sein Brand für Lifestyle stehen – und damit erreicht er immer mehr Menschen. Den Weg aus dem Kinfill-Onlineshop in ausgesuchte Regale in Kosmetikläden und der noblen Kaufhauskette de Bijenkorf begleitete die Londoner Kreativagentur Two Times Elliott mit einem brandneuen Packagingsystem, das nicht nur visuell, sondern auch in der Nachhaltigkeit Standards setzt.

Marketinginstrumente: Pflege statt Natur
Um die braunen E-Commerce-Verpackungen, von denen Kinfill noch einen großen Bestand hat, zu nutzen, entwickelte Two Times Elliott eine schicke Papierhülle, die darüber gezogen werden kann und mit einem Kennzeichnungssystem versehen ist, das so clean wie aufschlussreich ist. In einer fein aufeinander abgestimmten Informationshierarchie werden die wichtigsten Vorteile des Mittels hervorgehoben und machen es den Verbraucher:innen einfach, sich zu orientieren: Produkt- und Dufttyp sind aufgeführt und der vollständige Inhalt der Schachtel.
Für Two Times Elliott steht Kinfill für »Modern Care«. »Wir sehen ständig, wie Marken Worte wie ›Natur‹ oder ›natürlich‹ verwenden. Aber was bedeutet das? Und ist das heute überhaupt noch ein Alleinstellungsmerkmal?«, sagen die Kreativen aus London. »Sollte nicht alles natürlich sein? Diese Begriffe werden zu oft zu Marketinginstrumenten, anstatt als Grundpfeiler des Lebens betrachtet zu werden.« Das Unternehmen Kinfill hätte die Natürlichkeit des Produkts von Anfang an als Selbstverständlichkeit betrachtet und stattdessen auf Pflege gesetzt – für den Planeten, das Zuhause und für die Person, die die Mittel nutzt.
Packagings: Für Natur sensibilisieren
Die Marke Ocean & Forest entstand aus wissenschaftlicher Expertise. Sie wurde von vier Forschern von Universitäten in Houston, in Illinois und im chinesischen Tanjin aus den Bereichen Physik, Chemie und Materialwissenschaft entwickelt. Sie setzen auf natürliche Inhaltsstoffe, auf aktiven Sauerstoff – und den riesigen chinesischen Markt. Der ist nicht gerade bekannt für seine Nachhaltigkeit. Doch das Erscheinungsbild der Designerin Iris Fan aus San Francisco soll für die Schönheit der Natur und für ihren Schutz sensibilisieren. Und das in zarten Meeres- und Waldtönen, mit Mustern, die an Steine und Blüten erinnern, und mit einem Ampersand, das ganz prominent im Zentrum der Identity steht – und für die Verbindung von Mensch und Natur. Die Verpackungen aus recycelten Materialien sind nachfüllbar und werden online auf Taobao angeboten und vor Ort in der jungen Kaufhauskette KKV.

Ähnlich verträumt schön ist auch das Erscheinungsbild von Atmo Home aus Berlin. In zarten Eiscremetönen, Sprühflaschen aus recyceltem Aluminium und Tabs, die in Wasser aufgelöst werden, plädiert es für nachhaltiges Putzen und den Kampf gegen den Klimawandel. Die Lieferanten sind lokal, die Preise versucht man, niedrig zu halten, und zudem kollaboriert Atmo Home mit verschiedenen Organisationen. Dazu gehört etwa das Eden Project in Cornwall, das sich für Wiederaufforstung und die Bekämpfung der Armut einsetzt.

Refills und Bling-Bling
Das B-Corp Meliora Cleaning, von zwei Umwelttechnikern in Chicago gegründet, setzt auf Transparenz. Seit sie während ihres Masterstudiums Inhaltsstoffe von Haushaltsreinigern und Waschmitteln untersuchen wollten und feststellten, dass diese oft gar nicht vollständig aufgeführt sind. Von ihrem ersten Produkt an, einer Pflanzenseife für die Handwäsche von Textilien, führen sie die natürlichen Inhaltsstoffe direkt auf der Vorderseite ihrer Packagings auf. Dazu gehören neben Kartons auch Blechdosen, wie man sie von Farben kennt, in denen Waschmittel und Scheuerpulver angeboten werden. Refills kommen in Papiertüten, Industriegrößen in Eimern, die zurückgeschickt werden können. Unter »Nerd Alert« gehen sie auf ihrer Website zudem in die wissenschaftlichen Tiefen der Inhaltsstoffe.

Doch nicht nur in der Mitte der Gesellschaft ist das neue Putzen angekommen, sondern auch im Luxussegment. Schlendert man durch die Parfumabteilung des KaDeWe, an Bulgari und an Gucci vorbei, landet man plötzlich in der »Droguerie« von Diptyque. Zwischen den eleganten Duftkerzen des Pariser Parfumhauses findet man dort jetzt Essigreiniger, der nach Lavendel, Feige und Zeder duftet, oder Geschirrspülmittel, das Hände und Teller mit Akzenten von Orangenblüte, Mandarine und Basilikum umweht. Mit ökologisch verträglichen Inhaltsstoffen hergestellt und in nachfüllbaren Glasflakons präsentiert, bringen sie einen Hauch von Luxus in den Haushaltsschrank. Und das liegt nicht nur an dem bekannten Diptyque-Braun und dem klassischen Etikett, in dessen Mitte jetzt ein zart illustrierter Staubwedel prangt. Sondern auch an dem stolzen Preis von 35 Euro pro Produkt. In so luxuriösem Schaum haben sich Putzlappen bisher noch nicht gerekelt.
»Dein Zuhause sollte nicht nach ätzenden Putzmitteln riechen«
Judith Goldstein verbindet in ihrem Luca Store in Los Angeles das Bedürfnis nach schadstofffreien Putz- und Reinigungsprodukten mit entsprechender Expertise. Und beides ist gefragt. Wir haben uns um 11 Uhr morgens, als ihr Store gerade geöffnet hat, dort getroffen. Dann sei noch nicht viel los, wie sie sagte. Von wegen. Aber wir haben die zahlreichen Unterbrechungen sportlich genommen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Putzmittel zu verkaufen?
Judith Goldstein: Ich habe Allergien und die synthetischen und chemischen Stoffe in den Reinigungsmitteln sind mir auf die Gesundheit geschlagen. Als ich tiefer in das Thema eintauchte und nach Alternativen suchte, war schnell klar, dass es vielen anderen auch so geht. Schließlich ist das, was du über deine Haut aufnimmst, in 20 Sekunden in deinem Blutkreislauf. Als ich angefangen habe, nur noch Ökoreiniger und -kosmetik zu kaufen, war das ziemlich mühsam. Deshalb habe ich bald von einem Laden geträumt, wo das alles gebündelt ist und es eine gute Beratung gibt.
Beim Reinkommen fällt sofort auf, wie gut es hier riecht.
Dort, wo man sich aufhält, und erst recht da, wo man lebt, sollte es unbedingt gut riechen. Dass den Menschen das immer wichtiger wird, sieht man an den vielen Duftkerzen, die auf den Markt kommen. Aber auch ohne sie sollte dein Zuhause nicht nach diesen ätzenden, scharfen Putzmitteln riechen, sondern sanft und natürlich.
Und dabei nachhaltig sein.
Unbedingt. Vor zwanzig Jahren, als die Leute begannen, ein Bewusstsein für Biolebensmittel zu entwickeln, haben sie schnell gemerkt, dass eine Ökotomate nicht nur gesünder ist, sondern auch besser schmeckt. Die Revolution, die das in der Lebensmittelbranche ausgelöst hat, findet jetzt in der Kosmetik- und Reinigungsmittelbranche statt. Sie geht jetzt erst richtig los, und eines Tages wird sich keiner mehr vorstellen können, dass er mal mit Mitteln geputzt hat, die sein Kind vergiften könnten, wenn es etwas in den Mund steckt, oder den Hund, der etwas vom Boden aufleckt. Oder dass man von Tellern isst, die mit chemischen Mittel gereinigt wurden.
Schaut man sich hier im Laden um, scheint auch das Design der Produkte wichtig zu sein.
Absolut. Mit Hippies, die Ökoprodukte zusammengemischt haben, die nach Kernseife rochen und in Marmeladengläsern abgefüllt wurden, haben sie nichts mehr zu tun. Mittlerweile ist die Käuferschicht viel breiter gefächert und die Produkte und ihre Macher auch. Heute kann man durchaus ein humanitärer Hedonist sein, die Umwelt schützen und sich gleichzeitig für Mode und Design interessieren. Ganz so wie ich.
Wie haben sich die Hersteller verändert?
Vor zehn Jahren waren Unternehmer:innen vor allem reiche weiße Leute oder große Firmen, die das nötige Startkapital hatten. Mit den heutigen Finanzierungsmöglichkeiten und weit mehr Kund:innen steigen zunehmend jüngere Leute, People of Color oder Latinas in das Business ein. Zudem gibt es immer mehr Marken, die ausschließlich von Frauen betrieben werden. Bei Kosmetik und auch Reinigungsprodukten sind es satte 95 Prozent.
Es gefällt mir, dass Haushaltsreiniger hier ganz gleichberechtigt neben Kosmetik stehen.
Für mich gibt es da keinen Unterschied. Denn alle diese Produkte sagen etwas darüber aus, was dir wichtig ist. Ein Bestseller bei uns ist ein Block Geschirrseife. Er ist sehr ästhetisch, zero-waste und zeigt jedem, dass du ein bestimmtes Bewusstsein hast. Vielleicht ist das sehr L. A., aber hier ist es wichtig, das auch nach außen zu tragen.
Gibt es bestimmte Kriterien für die Reinigungsmittel, die Sie verkaufen?
Als Erstes checke ich auf der Website der Environmental Working Group, die jeden Inhaltsstoff eines Produktes prüft, wie toxisch es ist. Die Non-Profit-Organisation bewertet sie auf einer Skala von eins bis fünf. Beim Packaging halte ich kompostierbare Verpackungen aus organischem Abfall für die besten. Gleichzeitig achte ich darauf, dass die Produkte möglichst lokal hergestellt sind. Genauso wichtig ist aber auch die Unternehmenskultur. Gibt es Beschwerden vom Personal oder ist jemand unhöflich, dann führen wir das Produkt nicht. Für mich gehört das alles zusammen.

Dieser Artikel ist in PAGE 10.2022 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.