Die Peter Schmidt Group unterstützt das ghanaische Start-up WashKing mit dem, was sie am besten kann: Design. Dabei lernen die Gestalter:innen viel über afrikanische Gewohnheiten, Marken und Codes
WashKing-Gründer Dieudonne Kwame Agudah vor einer gebrandeten Toilette
In Ghana hatten 2020 gerade mal 14 Prozent der Bevölkerung Zugang zu sicheren, hygienischen Toiletten – fast 5,5 Millionen Menschen verrichteten ihr Geschäft im Freien. Das fördert die Verbreitung von Krankheiten und ist vor allem für Frauen nachts gefährlich. Das Start-up WashKing, 2016 von Sanitäringenieur Dieudonne Kwame Agudah gegründet, will etwas dagegen tun und vertreibt umweltfreundliche, bezahlbare Toiletten für Einzelhaushalte, Viertel und Institutionen. Allerdings fehlte WashKing bislang ein professionelles Corporate Design, das es nicht nur im Markt hervorhebt, sondern auch das Zugehörigkeitsgefühl innerhalb des Unternehmens steigert.
Die Toiletten von WashKing wandeln Fäkalien mittels eines Kompostsystems in Biodünger um und müssen nur alle fünf Jahre geleert werden
Hier kommt die Peter Schmidt Group ins Spiel, die durch den Projektpartner Impacc auf WashKing aufmerksam wurde. Impacc ist eine gemeinnützige Organisation, die mithilfe von Spenden in sozial und ökologisch nachhaltige afrikanische Start-ups investiert, um so Arbeitsplätze und lokales Wachstum zu schaffen. Im Rahmen des regelmäßigen Agentur-Events »Friday Show« stellte Till Wahnbaeck, Mitgründer und CEO von Impacc, im Oktober 2021 seine Organisation und einige der unterstützten Projekte vor.
»Das war sehr beeindruckend. Wir wollten sofort helfen – eben mit dem, was wir können: Design und Branding«, sagt Norbert Möller, Executive Creative Director bei der Peter Schmidt Group. Er bot seine Unterstützung für WashKing an, weil ihn das Thema faszinierte. Gemeinsam mit Designerin Xenia Schwarz, Design Director David Driscoll und unter Mitwirkung weiterer Kolleg:innen machte er sich daran, ein Branding zu gestalten, das für Wiedererkennbarkeit und hoffentlich weiteren Geschäftserfolg sorgt.
Ursprünglich wollte das Team 2021 zum Kick-off nach Ghana reisen, was jedoch wegen Corona nicht möglich war. Also startete die Zusammenarbeit wie so oft in den vergangenen zwei Jahren rein virtuell. Das klappte erstaunlich gut: »Die erste Präsentation lief über Dieudonnes Handy. Er war irgendwo unterwegs und die Verbindung riss immer wieder ab. Da dachte ich noch: Mal gucken, ob das was wird. Aber es hat dann alles ziemlich gut funktioniert«, erzählt Norbert Möller.
Gemeinsam mit dem Gründer erarbeitete das Team eine Brand Story, die vornehmlich auf dem Konzept des »Social Climbing« aufbaut: Der Besitz einer eigenen Toilette erhöht den sozialen Status. Statt rationaler Argumente wie Hygiene und Sicherheit rückte der emotionale Zugang in den Mittelpunkt. »Der soziale Aspekt ist für die Menschen vor Ort enorm wichtig, wurde aber bisher im Branding kaum berücksichtigt«, so Möller. Der neue Claim »Own your Throne« zielt genau darauf ab – und wird ergänzt durch eine Krone auf dem Anfangsbuchstaben der neuen Wortmarke.
Ein elektronisches Schloss und aufladbare Schlüsselkarten ermöglichen es den Nutzer:innen, die Anschaffungskosten mit 10 Cent pro Zugang abzubezahlen. Für sein Konzept wurde Dieudonne Kwame Agudah schon mehrfach international ausgezeichnet
Westliches Design mit lokalen Bezügen
Im Gegensatz zum bisherigen Erscheinungsbild, das aus vielen Farben und einem schwer lesbaren Logo bestand, ist das neue Branding sehr aufgeräumt und reduziert. Mit den Markenfarben Apricot und Ozeanblau sowie einem ergänzenden Pattern-System unterscheidet es sich kaum von Designs, wie wir sie kennen. Und das ganz bewusst: »Dieudonne ist gut informiert über europäische und amerikanische Marketingtrends. Er legte Wert auf ein internationales Design, das man auch in anderen Märkten außerhalb Ghanas nutzen kann«, so Norbert Möller.
Erste Entwürfe mit starken Bezügen zu afrikanischer Gestaltung lehnte der Gründer ab. Das neue Design sei nun zwar von der ghanaischen Symbolsprache Adinkra inspiriert, zugleich aber sehr abstrakt, damit es überall funktioniert, so Möller. Die Designer:innen gestalteten zunächst Flyer, Broschüren und Poster. »Das Start-up hat nicht viel Geld für Werbung, weshalb wir uns auch Guerilla-Marketing-Konzepte überlegt haben. Und als Gastgeschenk haben wir dem Team T-Shirts und Baseball-Caps mit dem neuen Logo mitgebracht.«
Das Designteam gestaltete Flyer, Broschüren und Poster. Da das Start-up nicht viel Geld für Werbung hat, gehören zu dem Kommunikationskonzept auch Guerilla-Maßnahmen
Hands-on-Branding vor Ort
Im Mai 2022 konnten Norbert Möller, Xenia Schwarz und David Driscoll endlich nach Accra reisen und Dieudonne Kwame Agudah persönlich kennenlernen. Auf dem Plan für den viertägigen Aufenthalt standen eine Brainstorming-Session, Feldrecherche sowie ein freier Tag zum Erkunden der Umgebung. »Man muss einfach vor Ort sein, um die Umstände wirklich zu verstehen, in dem unser Design Anwendung finden soll. Wir wollten prüfen, ob die Codes, die wir in Hamburg entwickelt haben, auch in Ghana funktionieren«, so Möller. Die Gespräche mit WashKing-Kund:innen bestätigten, dass die eigene Toilette eine enorme Bedeutung für Sicherheit, Autonomie und sozialen Stand hat. Auch bei den primären Markenfarben hatte die Peter Schmidt Group offenbar ein gutes Händchen: Als das Team gemeinsam mit einem lokalen Maler eine der Toiletten beispielhaft per Stencil mit dem neuen Marken-Pattern versah, fanden sich in der unmittelbareren Umgebung apricotfarbene Häuserwände mit blauen Fensterrahmen.
Perfekt angepasst: Die Markenfarben von WashKing – Apricot und Ozeanblau – sind im Stadtbild von Accra keine Seltenheit
Norbert Möller fiel bei dieser Reise vor allem die Abwesenheit werblicher Gestaltung auf: »Es gab so gut wie keine Werbung oder Branding. Restaurants bestanden aus einfachen Bretterbuden und servierten das Essen auf Plastiktellern mit Plastikbesteck – alles sehr pragmatisch.« Allerdings sei die bunte Bemalung der Behausungen auffällig gewesen. Insofern passen die Toiletten im WashKing-Look gut in die Umgebung, sie heben sich aufgrund ihres Branding-Musters aber auch ab. »Die Kund:innen können natürlich selbst entscheiden, ob sie ihre Toilette bemalt haben möchten. Es sind auch dezentere Farbkombinationen möglich«, erklärt Norbert Möller.
Bei seinem Besuch in Accra bemalte das Team von der Peter Schmidt Group gemeinsam mit einem lokalen Maler mittels Stenciltechnik eine Toilette im WashKing-Muster. Designerin Xenia Schwarz ließ es sich nicht nehmen, die Farbwerte zu checken. Ein ungefährer Wert wäre aber auch okay …
Insgesamt sei das Pro-bono-Projekt sehr bereichernd gewesen, so der Designer. »Es war toll, bei dem Besuch in Accra tiefer in die Kultur einzutauchen. Und natürlich tat es gut zu sehen, wie stolz das WashKing-Team auf sein neues Design ist.« Die Peter Schmidt Group begleitet und berät das Start-up weiterhin, im Gespräch sind unter anderem Materialien für neue Verkäuferinnen und Verkäufer, die es derzeit einstellt. Ein anderes Team der Agentur arbeitet bereits für ein weiteres von Impacc gefördertes Start-up. Sicherlich eine gute Abwechslung zum alltäglichen Agenturgeschäft!
Zum Abschied schenkte Dieudonne Kwame Agudah dem Team einen hölzernen Elefanten – das Tier ist das Markenzeichen der AgenturStolzes Team: WashKing-Gründer Dieudonne Kwame Agudah, Designerin Xenia Schwarz, Design Director David Driscoll und Executive Creative Director Norbert Möller
Der Artikel ist in PAGE 09.2022 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.
Demokratie gestalten ++ Werkschau-Brandings ++ ENGLISH SPECIAL Kingdom & Sparrow ++ Ukrainische Kreativszene ++ Typo für komplexe Daten ++ Webdesign: Flowers for Society ++ Social Design: Branding für WashKing ++ Offices für New Work