Tim Ahrens, Typedesigner und Webfont-Profi der ersten Stunde, war von der Übernahme überrascht und auch ein wenig geschockt. Angst vor dem, was die Zukunft bringt, hat er trotzdem nicht. Ganz so zuversichtlich sind viele der anderen Typedesigner allerdings nicht.
Vor knapp einer Woche wurde bekannt, dass das US-Unternehmen Monotype den Fontshop gekauft hat. Wir fragten Designer und Typedesigner was ihr erster Gedanke war, als sie von dem Deal hörten und was sie jetzt, ein paar Tage später darüber denken.
Meine optimistische Einschätzung, dass es auch nach der Linotype Übernahme durch Monotype diverse Befürchtungen gab, sich aber bei dem traditionsreichen deutschen Schriftenhaus seitdem wenig verändert hat, muss ich möglicherweise revidieren. Im Impressum der Linotype Webseite wird nicht mehr Frank Wildenberg als Geschäftsführer geführt, sondern der Monotype-General Manager John McCallum. Monotype sagt dazu: »Frank Wildenberg arbeitet nicht mehr bei Monotype und wir suchen gegenwärtig einen Nachfolger für ihn«.
Tim Ahrens, Just Another Foundry, Garching
Zunächst war ich wirklich sehr erstaunt und auch ein wenig geschockt. Grundsätzlich ist es verständlich und richtig, dass die Leute jeder Art von Monopolbildung kritisch gegenüberstehen, egal wie die Rahmenbedingungen oder Pläne sind.
Allerdings habe ich keine Angst vor dem, was die Zukunft bringt. Die Ankündigung, FontShop bleibe ein relativ unabhängiges Unternehmen, halte ich für recht glaubwürdig. Schließlich läuft das bei MyFonts ja auch so, da hat sich seit der Übernahme nichts geändert, soweit ich das sehen kann.
Außerdem fällt mir in diesem Zusammenhang die Übernahme von Typekit durch Adobe ein. Da war das Geschrei auch groß, aber es hat sich doch alles ganz gut entwickelt. In diesem Fall hat sogar die kleinere Firma (Typekit) die größere (Adobe) positiv beeinflusst, zumal Adobe dafür offen war bzw. das neue Denken gezielt eingekauft hat. Jeffrey Veen, der frühere Typekit CEO, ist bei Adobe jetzt in ziemlich hoher Position. Ob das bei FontShop und Monotype so ähnlich laufen könnte, weiß ich nicht.
Man müsste auch einmal genau überlegen, in welchem Bereich Monotype denn nun ein Monopol haben soll. Schriften? Sie haben jetzt fast alle Klassiker und dazu FontFont, aber ich habe das Gefühl, dass die Bedeutung dieser Designs für den Schriftenmarkt immer mehr abnimmt. Bei Webdesignern scheinen die wirklich neuen Designs der letzten 15 Jahre viel beliebter zu sein, obwohl es auch die Klassiker als Webfonts gibt. Ein Monopol für Schriften (Designs) kann man das meiner Meinung nach also nicht nennen.
Bleibt noch die Überlegung, dass Monotype jetzt ein Monopol für den Vertrieb von Fonts haben könnte. Ich denke, falls Monotype diese Position missbrauchen sollte (schlechte Konditionen für Foundries), kommt ein alternativer Vertrieb auf, der kleine Foundries besser unterstützt und schwupps, sind sie alle schnell gewechselt. In diesem Bereich also auch kein Monopol.
Es gibt ja schon länger Überlegungen in der Szene, einen unabhängigen Meta-Vertrieb (so wie Village in groß) aufzuziehen, vielleicht rafft sich jetzt wirklich mal jemand auf. Und dann ist da noch Adobe Typekit, die sich ja schon in den Vertrieb von Desktop-Fonts reintasten. Und Adobe wird wohl eher nicht von Monotype gekauft werden. Fazit: Ein ungutes Gefühl ist auf jeden Fall da, aber man muss die Befürchtungen einmal konkret durchspielen. Die heutige Welt ist zu flexibel, als dass sich eine für unabhängige Foundries untragbare Situation dauerhaft entwickeln könnte. Wir sind nicht machtlos – die Vertriebe hängen mehr von uns ab als umgekehrt.
Göran Söderström, Letters from Sweden, Stockholm
I have to admit, I first felt a bit disappointed. On the other hand, I’m not sure it will make any difference regarding the distribution I already have at FontShop. I guess my reaction was more emotional than rational.
Now a few days later I move on with business as usual. The distributors are only a part of Letters from Sweden. Custom work and sales from our own shop is continuing as usual.
Jakob Runge, Typedesigner, München
Jürgen Siebert hat argumentiert, dass mit der Übernahme eigentlich nur die Romantik verloren gegangen sei. Das sehe ich auch so: Im ersten Moment war ich einfach nur enttäuscht zu hören, das selbst der große FontShop und die FontFonts sich einem noch größeren Anbieter unterordnen; vielleicht auch unterordnen müssen, um im aktuellen Markt bestehen zu können.
FontFont stand – in meiner vielleicht romantisch verklärten Sicht – lange Zeit für das, was viele Schriftgestalter schätzen: Für unabhängige, qualitative Schriften und eine Balance aus professioneller Größe und persönlicher Liebe zum Detail.
Man sollte klar trennen zwischen denen die die Übername geplant haben und denen die im Team bei FontFont arbeiten. Auf das FF vor der Franziska bin ich immer noch stolz. Es steht für eine intensive Arbeit an meiner Schrift mit den Kollegen aus Berlin und ein Produkt das Qualität hat.
Mir geht es also nicht darum die FF Franziska abzubrennen, nur weil sie unterm Strich jetzt zu Monotype und damit zu einem sehr Markt dominierenden Anbieter gehört. Da ich erst Anfang des Jahres den Vertrag mit FontFont unterzeichnet habe wird sie so oder so bis 2024 ein FontFont bleiben. Und diese Zeit werde ich auch zu dem FF stehen und weiter an der Schrift arbeiten.
Die öffentliche Kündigung ist mehr ein Zeichen meiner persönlichen Entrüstung über die Entwicklung im Schriftmarkt, die mir deutlich macht dass ich meine Schriften lieber eigenverantwortlich vermarkten will.
Ironischerweise werde ich dabei nicht ohne die Vertriebskanäle von Monotype – wie MyFonts.com – auskommen, aber ich kann mich zumindest von Fall zu Fall frei entscheiden ob ich dies möchte.
Michael Hochleitner, Typejockeys, Wien
Wir haben das Büro derzeit geschlossen, ich schreibe daher spontan (und überrascht über die Neuigkeiten) vom Seeufer: Monopolisierung ist mit Sicherheit auf den ersten Blick beängstigend. Monotype, Linotype, MyFonts, FontShop. Der Kunde würde theoretisch nur dann nicht bei Monotype kaufen, wenn er direkt bei den Foundries kauft. Dadurch hat Monotype den Markt ganz gut im Griff.
Dirk Uhlenbrock, Erste Liga Büro für Gestaltung, Essen
Als ich die Meldung auf Facebook las gab es eine kurze Schrecksekunde, dann habe ich beide Posts im Fontblog gelesen und Jürgen Siebert spontan zu dem Deal gratuliert, weil ich das Zusammengehen als große Chance für noch mehr hervorragende Arbeit bewerte.
Ein paar Tage später sehe ich das immer noch so, Jürgen hat ja auch noch einmal in einem weiteren Beitrag versucht auf die eher schlechte Stimmung in den sozialen Netzwerken zu reagieren und die Entwicklung und den Beschluss zu erklären. Ich gönne dem Team die neuen Möglichkeiten und glaube an die Sturheit und das Standing, das Fontshop schon ein Vierteljahrhundert bewiesen hat.
Yanone, Designer, Multimedia Artist, Disjockey, Sound System Operator, Dresden
Mir hat es den Boden unter den Füßen weggezogen. Gerade erst hatte ich mich mit der FF Antithesis wieder aus vielen guten Gründen gegen den Eigenverlag und für die erneute Zusammenarbeit mit FontShop International entschieden, die mir weiterhin unabhängiges Arbeiten als Künstler ermöglichen sollte.
Ich hatte mit meinem kompletten Lebensentwurf auf FontShop gesetzt. Ich hatte das nie thematisiert, denn es gab nie einen Grund dazu: Einer der Hauptgründe für die Zusammenarbeit war die Rechtsform von FontShop International. Eine GmbH, keine Aktiengesellschaft. Der Kapitalismus widert mich zutiefst an, da er sehenden Auges unsere Welt zugrunde richtet, und nun bin ich über Nacht gegen meinen Willen auf viele Jahre vertraglich an ihn gebunden. Das ist ein prinzipielles Problem, bei dem mir keiner helfen kann, und kein Mitarbeiter von FontShop und keine Versprechen auf Qualitätserhalt können mich darüber hinwegtrösten.
Dass der neue Eigentümer (dass es Monotype ist, ist mir fast egal) ein ernsthaftes Interesse an Schriften hat, kann mir keiner erzählen. Monotype hat einzig und allein ein Interesse daran, noch mehr Geld zu scheffeln, um die Aktionäre zufrieden zu stellen. Da macht mir keiner ein X für ein U vor. Wer mich kennt, weiß, dass ich bereits u.a. für Google und Linotype gearbeitet habe. Aber das ist einige Zeit her, in der ich einen festen Standpunkt zum Thema entwickelt habe.
Dass FontShop als Team auf Zack bleiben wird, daran hege ich keine Zweifel. Es warten seit einiger Zeit zwei Projekte in Zusammenarbeit mit FontShop auf mich, von denen mindestens eins wahnsinnig interessant und wichtig für mich ist. Aber nun ist diese Zusammenarbeit plötzlich gegen meine Ideale. Ich stehe, wo ich stehe (wo auch immer das ist), weil ich mir immer treu geblieben bin. Möchte ich den Kontakt und die Projekte nicht verlieren, muss ich meine Ideale verraten. Das zerreißt mich, und ich kann jetzt noch lange keine klaren Gedanken dazu finden.
Alex
Eine Insider-Info als Nachtrag: Monopole neigen dazu ihre Marktmacht auszunutzen, zu Ungunsten anderer. Mit dem 1.1.2016 senkt Monotype seine Provision aller Partnerwebseiten von 15% auf 10%. Das heißt, kleine Schriftwebseiten wie unsere fontseek.com (fast 20 Jahre alt) und free-fonts.com bricht damit ein Drittel der Einnahmen weg. Alternativen zu Monopoltype gib es nicht mehr. Die Vielfalt an Webseiten über Schriften wird sicher noch mehr abnehmen. Aber wozu braucht man eine Vielfalt an Webseiten: fonts.com und dafont.com reichen doch aus. Dazu noch Google und Facebook, mehr braucht man nicht 🙁