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Die schönsten neuen Pixelschriften!

Ein bisschen retro und richtig cool: Pixelfonts erleben ihr Comeback. Wir stellen neue Interpretationen des Genres und inspirierende Anwendungen vor

Jutebeutel in lila, auf der mit der Pixelschrift "Kemco Pixel" der Satz "Grow your Way" geschrieben ist.
Font: Kemco Pixel von Jayvee D. Enaguas, Logo: OHMY

Schulterpolster, Karottenhosen, Popperfrisuren und Collegeschuhe mit Troddeln – modisch gesehen waren die 1980er Jahre eine ziemliche Katastrophe. Schöner war da die Entwicklung in der Typografie: Mit »Super Mario Bros« oder »Pac-Man« kamen Computerspiele auf den Markt, die coole Pixelfonts nutzten. Ebenso wie vie­le andere Videogames aus den 70er, 80er und 90er Jahren. Ob für »Space Invaders«, »Donkey Kong« oder »Marble Madness« – unglaublich, was für kreative Lösungen Typedesigner:innen dem strengen 8-mal-8-Pixel-Ras­ter abtrotzten. Toshi Omagari brachte dazu 2019 das Buch »Arcade Game Typography« heraus, das 250 solcher Pixel­alphabete vorstellt.

Auch außerhalb von Videogames begannen Gestal­ter:innen ab den 80ern, Pixelfonts zu entwickeln. Sie waren auf den niedrigauflösenden Bildschirmen der damaligen Zeit oft besser lesbar als auf Vektoren basierende Schriften. Zu den Pionieren gehörte Zuzana Licko, Mitgründerin der Kultfoundry Emigre. Ihre Lo-Res-Familie entstand 1985. Es folgten so bekannte Schriften wie Sevenet des Schweden Peter Bruhn, Silkscreen von Jason Kottke aus den USA, Mini 7 des britischen Typedesigners Joe Gillespie und viele, viele mehr.

 

Alles kommt irgendwann wieder: Junge Frauen tragen Jeans, die bis knapp unter die Brust reichen, und auch Pixelfonts feiern ein Comeback. Vielleicht weil wir uns in Zeiten von Retinadisplays nach etwas Unperfekt­heit sehnen. Oder weil man beim Gestalten mit Pixelfonts wunderbar nostalgisch und sehr digital zugleich sein kann. Einige dieser neuen alten Schriften halten sich an ein ebenso strenges oder gar strengeres Raster wie ihre Vorgänger. Andere wiederum interpretieren das Genre freier, Pixel erscheinen nicht nur quadratisch, son­dern auch als Herzchen, Sterne oder in verschie­dens­ten geometrischen Formen.

Dass Brands wie die Web3-Plattform Pixels solche Schriften in ihrem Auftritt nutzen, ist naheliegend. Immer wieder aber sieht man sie auch in ganz anderen Zusammenhängen, denn Pixelfonts lassen sich spielerisch, aber auch seriös einsetzen und machen einfach Spaß. Gerade in Kombination mit Vektorfonts können sie ei­nem Design das gewisse Etwas verleihen.

Billboard für die Web3-Plattform Pixels
Pixelfonts findet man oft in Anwendungen, die explizit digital wirken sollen. Wie bei der Web3-Plattform Pixels, deren Identity inklusive Logo das britische Design- und Technologiestudio OHMY gestaltet hat.

Visual Identity von Dreams mit dem Pixelfont Lo-Res von Zuzana Licko

Pixelfont Lo-Res von Zuzana Licko
Aber auch in anderen Auftritten, etwa dem des Concept-Stores Dreams in L. A. (Design: Studio Elana Schlanka aus Pittsburgh; Font: Lo-Res von Zuzana Licko) …

Wortlogo der Brauerei Omaka mit dem Pixelfont VP Pixel von von Val Kalinic

Bierdose von Omaka mit dem Pixelfont VP Pixel von von Val Kalinic
 … dem der Brauerei Omaka in Stockholm, entwickelt von Stockholm Design Lab (Font: VP Pixel von von Val Kalinic) …

Logotype des Versicherers Kudo mit Pixelautos, entworfen vom Londoner NB Studio

Alte Frau mit Pixelflügeln for den Versicherer Kudo, entworfen vom Londoner NB Studio
… oder des Versicherers Kudo, dessen Logotype das Londoner NB Studio entworfen hat.

Pixelfonts: Das sind die spannendsten Interpretationen

1. Analo Grotesk

  • Designer Alessio Pompadura, Massimiliano Vitti, 2019
  • FoundryDue Studio
  • Schnitte 1
  • Preis rund 50 Euro

Analo Grotesk verbindet die Stärke eines Rasters mit der Essenz einer Groteskschrift. Hört sich ziemlich streng an. Alessio Pompadura und Massimiliano Vitti von Due Studio aus Perugia warfen die Ordnung allerdings bei einigen Quadraten über den Haufen – eine Art Pixelaufruhr. Bei der Gestaltung von Pixelfonts ist es ja so, dass die Beschrän­kungen, denen man dabei unterliegt, wichtige Entscheidungen auf der Konstruktionsebene bestimmen. Platziert man ein Modul auf die eine oder andere Weise, kann derselbe Buchstabe lesbar oder unlesbar werden. Bei Analo Grotesk bestand die Herausforderung darin, unter­schiedliche formale Entscheidungen zu treffen, damit die Glyphen sowohl in Groß als auch in Klein funk­tionieren. Das ist Pompadura und Vitti sehr gut gelungen. Analo Grotesk ist in nicht zu kleinem Fließtext erstaunlich gut lesbar und hat trotzdem einen ganz eigenen Charakter. Und eine Reihe schöner Icons gibt es auch.

Pixelfont Analo Grotesk von Alessio Pompadura und Massimiliano Vitti in einer Broschüre

Verschiedene Bildzeichen in dem Pixelfont Analo Grotesk von Alessio Pompadura und Massimiliano Vitti

Anwendungsbeispiel des Pixelfonts Analo Grotesk von Alessio Pompadura und Massimiliano Vitti für einen Fließtext

2. Low Def

  • Designer Daniel Brokstad, 2022
  • FoundryMyFonts
  • Schnitte 5
  • Preis rund 100 Euro

Daniel Brokstad ist ein norwegischer Grafikdesigner und Illustrator, der auch Schriften entwirft. Nach seinem Studium am Royal Melbourne Institute of Technology und einigen Jahren in norwegischen Agenturen, reiste er als Freelancer durch die Welt und landete schließlich in New York bei Sagmeister & Walsh. Nach vier Jahren dort (bis 2019) gründete er Brokstad, sein eigenes De­signstudio. Vier Schriften hat er bislang entworfen, Low Def ist die illustrativste von ihnen und interpretiert das Genre Pixelfonts etwas freier. Der Name steht für »Low Defini­tion«, die Pixel erscheinen leicht geglättet und laufen ineinander – wie in der Darstellung auf alten Röhrenmonitoren. Low Def gibt es in den fünf Schnitten Extra Narrow, Narrow, Regular, Wide und Extra Wide, die Familie bietet jede Menge Möglichkeiten für kreative Gestaltung, wie Daniel Brokstad auf seiner Website zeigt.

Plakate mit der Schrift Low Def von Schriftgestalter Daniel Brokstad

Schnitte der Schrift Low Def von Schriftgestalter Daniel Brokstad

3. Convulse Variable

  • DesignerinDaytona Mess, 2022
  • Schnitte 3 statische und 1 Variable Font
  • Preis rund 50 Euro

Daytona Mess, mit bürgerlichem Namen Anne-Dauphine Borione, faszinieren die Möglichkeiten, die sich in einem einfachen Quadrat verbergen. Außerdem schätzt sie die Einschränkungen, die ein Raster bietet – da war die Gestaltung einer Pixelschrift logische Konsequenz. Kürzlich versuchte die in Paris lebende Gestalterin, eine Schrift mit quadratischen Pixeln so generativ wie möglich und mit so wenig Schritten wie möglich in eine Schrift mit runden Pixeln umzuwandeln. Das Ergebnis heißt Convulse Variable und erschien letztes Jahr zu Halloween. Am liebsten würde Daytona Mess ihren Font mal in Bewegung sehen – gern in einem Horrorfilm. Wer Convulse Variable haben möchte, schreibt ihr eine E-Mail.

Pixelfont Convulse Variable von Daytona Mess

4. Pixel Pattern

  • Designer Manuel Viergutz, 2021
  • FoundryTypo Graphic Design
  • Schnitte 11
  • Preis rund 15 Euro

Seit Einführung der Spielkonsole Super Nintendo ist Manuel Viergutz aus Berlin ein Fan von Games und digitalen Pixelwelten. 2022 entschied sich der Type- und Grafikdesigner, selbst einen Pixel-font zu entwerfen und in seinem Schriftverlag Typo Graphic Design zu veröffentlichen. Pixel Pattern bietet 11 Schnitte und über 100 dekorative Extras wie Icons, Pfeile, Symbole oder Emojis. Da ist für jede Website, jedes Plakat oder Editorial Design etwas dabei.

Pixelfont Pixel Pattern von Manuel Viergutz

5. Pixel Castle

  • Designer Leonhard Katschner, 2022
  • Foundry Brave Type
  • Schnitte 1
  • Preis Freefont

In Berlin betreibt Leonhard Katschner seine Foundry Brave Type, in der er momentan sechs Retail Fonts und drei Freefonts anbietet. Jede seiner Schriften soll einen ganz eigenen Charakter haben – da war es nur eine Frage der Zeit, bis auch mal ein Pixelfont an der Reihe war. Pixelcastle entstand 2022 unter dem auch sehr schönen Arbeitstitel Rüpelraster. Anfang 2023 stellte Leonhard Katschner den Font auf seiner Website zum kostenlosen Download zur Verfügung. Wenn er entsprechende Rückmeldungen bekommt, möchte er Pixelcastle gerne ausbauen. Also schnell den Font herunterladen, vielleicht gibt es dann auch noch mehr dieser wunderbaren Type-Sample-Plakate.

Pixel-Fraktur Puxelcastle von Leonhard Katschner

6. Ikat

  • Designerin Lipi Raval, 2022
  • FoundryFuture Fonts
  • Schnitte 1
  • Preis rund 15 Dollar

Die indische Typedesignerin Lipi Raval erlegte sich bei der Gestaltung ihrer winzigen Ikat strenge Regeln auf: Die x-Höhe sollte lediglich 3 Pixel betragen. Dafür musste sie die Buchstaben ganz schön abstrahieren. Die größte Schwierigkeit bestand denn auch darin, gestalterisch konsistent zu bleiben. Die beste Lösung für eine Glyphe im vorgegebenen Raum war nicht zwingend auch diejenige, die am besten zu den anderen passte. Um hier die richtige Balance zu finden, tüftelte die Schriftgestalterin, die 2017 an der KABK in Den Haag ihren Type-Media-Master machte, an einigen Zeichen ganz schön lange herum. Inspiriert ist ihre Schrift von den gleichnamigen Textilien aus Indien. Bei dieser Webtechnik wird das Garn vor der Verarbeitung teilweise eingefärbt und die Motive haben häufig geometrische, pixelartige Motive. Ikat gibt es fürs lateinische und thailändische Schriftsystem.

Pixelfont Ikat von Lipi Raval

7. Pixel Grid

  • Designer Martin Činčár, 2021
  • FoundryCaron twice
  • Schnitte 200 statische, 36 Variable Fonts
  • Preis rund 145 Euro

Um alle Möglichkeiten der Pixel-Grid-Familie auszuloten, muss man sich ein bisschen Zeit nehmen. Martin Činčár, Gründer der Foundry Caron twice in Prag, gestaltete nicht weniger als 200 statische Schnitte und 36 Variable Fonts. Es gibt drei Arten der Rasterauflösung (S, M, XL) und zwölf Varianten der einzelnen Segmente: darunter klassisch quadratische oder runde Pixel, aber auch farb- und tintensparende Formen für den Druck, Herzen oder Wellen. Das alles in Stärken von Thin bis Bold – kein Wunder, dass Činčár sechs Jahre mit der Entwicklung der Pixel Grid beschäftigt war. Nostalgische, an die Computerästhetik der 80er Jahre erinnernde Artworks lassen sich mit ihr ebenso gestalten wie moderne.

Pixelschrift Pixel Grid von Martin Činčár

Pixelschrift Pixel Grid von Martin Činčár

8. Neue Pixel

  • DesignM35, 2022
  • Schnitte 3
  • Preis rund 160 Dollar

Die Designagentur M35 aus Sydney suchte für ein Projekt nach einer perfekt zur Helvetica passenden Schrift, die eine zeitgemäße, verspielte und digitale Ästhetik vermitteln sollte. Da sie nichts Geeignetes fanden, beschlossen die Kreativen, selbst einen solchen Font zu gestalten. Nach anderthalb Jahren war Neue Pixel in den Schnitten Regular, Round und ­Ultra fertig und ist jetzt für jedermann zu kaufen.

Pixelfont Neue Pixel von M35

Dieser Artikel ist in PAGE 05.2023 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.

PDF-Download: PAGE 05.2023

Designmethoden und -prozesse in der Praxis ++ Comeback der Pixelschriften ++ ENGLISH SPECI-AL Jessica Walsh ++ Designsystem für Scania ++ Making-of: UX-Redesign bei Wikipedia ++ Um-weltfreundlich verpacken: Tipps & Ideen ++ Creative AI in Agenturen

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