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Netflix-Serie erzählt unglaubliche, aber wahre Geschichte

Wie Google einer Berliner Agentur Konzept und Technik für Google Earth klaute: Die Fakten hinter der Serie.

© ART+COM

Die vierteilige Netflix-Serie »The Billion Dollar Code« ist sehenswert, auch wenn sie natürlich keine Dokumentation ist, sondern eine spannungsreiche Fiktionalisierung. Die Idee zu dem Film entstand aber zusammen mit den echten Protagonisten – zufällig bei einem Grillabend. 

Damals erzählte Joachim Sauter dem Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg, dass die von ihm mitgegründete Firma ART+COM gerade Google verklagte. Bald war klar: Eine so verrückte David-gegen-Goliath-Geschichte musste verfilmt werden. 

Jetzt ist das Ergebnis da, traurigerweise kann Joachim Sauter selbst – der in »The Billion Dollar Code« Carsten heisst – nicht mehr zuschauen, da er am 10. Juli 2021 noch viel zu jung verstorben ist. 

Der Vierteiler orientiert sich jedenfalls eng an den Fakten. Die Informationen aus stundenlangen Interviews mit den Berliner Digitaldesignern, aber auch die Lektüre Tausender Seiten Prozessakten flossen mit wörtlichen Zitaten in die Verfilmung ein.

 

 

Es geht um ein Projekt aus der frühesten Frühzeit der inzwischen hinlänglich bekannten und vielfach für ihre internationalen digitalen Installationen preisgekrönten Agentur. Anfang der neunziger Jahre entwickelte Art+Com den für die damalige Zeit unglaublich futuristischen, auf dezentral gespeicherten Satelliten- und Luftaufnahmen beruhenden Planetenbrowser Terravision.

Anno 1996 meldeten sie »glücklicherweise, trotz Chaotentum« (wie Joachim Sauter uns mal sagte) ein Patent für das System an, in dem man stufenlos von Gesamt- zu Detailansichten navigieren konnte. Bei der Umsetzung von Terravision hatten die Berliner eng mit Silicon Graphics und deren mächtigen Onyx-Computern gearbeitet. Zwei ihrer damaligen direkten Ansprechpartner machten dann Karriere: Michael Jones wurde Chief Technical Officer bei Google Earth und Brian McClendon Leiter Google Geo Group und Vice President Engineering Google Maps. Nach ihrer Zeit bei Silicon Graphics hatten die beiden den sogenannten Earth Viewer bei der Firma Keyhole ausgearbeitet. Diese wurde von Google 2004 übernommen und lieferte so die Basis für Google Earth.

Kurz darauf wollte Google dann 2006 auch Art+Com aufkaufen oder zumindest deren Terravision-Patent. Die Verhandlungen führten damals zu keinem Ergebnis. 2014 kam es zum Prozess und einer Klage über eine Milliarde Euro, wir hatten seinerzeit natürlich darüber berichtet.

Eine Dokumentation, die die ganze reale Geschichte erzählt, soll übrigens noch als fünfte Episode des Projekts folgen. Hier geht’s zur Erklärung von ART+COM zu der Mini-Serie. 

 

Der Anblick kommt einem sehr bekannt vor – ist aber Terravision von ART+COM aus den 1990er Jahren
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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ohne die Serie bislang gesehen zu haben, denke ich dennoch, es ist sinnvoll, hier auch die Geschichte von Terravision etwas ins Licht zu rücken. Meines Wissens und der eigenen Erinnerung nach, gab es damals diverse Ansätze, aus denen Google sich hätte bedienen können. Und auch Terravision. So hatte auch “Terratools” aus Potsdam, gegründet von Uli Weinberg, derzeitiger Kopf des HPI in Potsdam, an einem solchen Angebot gearbeitet und für enorme Summen Rohdaten von der NASA (oder wer auch immer damals Satelliten im All hatte, die Bilder schossen) eingekauft. Terratools ging pleite, Terravision rödelte auf den teuren Unix-Kästen und wurde wirtschaftlich nichts, Google hatte den längsten Atem und die ruthlessness eines Vanderbilt. Es ist ein wenig wie bei der Erfindung des Telefons: Der Erfolg hat viele Mütter und Väter. Und am Ende gibt es Pioniere und Tycoons. Letztere sacken die Kohle ein, Erstere wird man nicht vergessen.

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