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Generativer 3D-Druck-Editor: Algorithmen bändigen mit SimpSymm

Christoph Bader und Dominik Kolb entwickelten einen intuitiv bedienbaren Skulpturengenerator für druckbare 3D-Objekte, der so manchen Künstler neidisch macht

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»Das Besondere an unserer Software ist, dass man mit ihr auf explorative Art und Weise relativ schnell komplexe Formen entwerfen kann«, beschreibt Dominik Kolb das Projekt SimpSymm, das er zusammen mit Christoph Bader umgesetzt hat. »Diese Formen kann man nicht von Hand fertigen, aber man kann sie mit einem 3D-Printer ausdrucken – ohne dass man sich mit 3D-Modelling- und -Authoring-Tools wie Cinema 4D auskennen müsste.« Technisch betrachtet handelt es sich bei SimpSymm um einen von Bader entwickelten Algorithmus, dem die beiden ein in­tu­i­tiv bedienbares User Interface spendiert haben. Darü­ber lassen sich die Parameter des Algorithmus und so die Form der Objekte verändern. »Wir ent­wer­fen generative Systeme, die Formen für den 3D Druck erzeu­gen«, charakterisiert Kolb den Ansatz, den die zwei mit ihrem Designstudio deskriptiv seit 2010 verfolgen.
Aber gibt es nicht schon ähnliche generative Sys­teme? Nervous System et­wa, das von zwei MIT-Absolventen gegründete Stu­dio für generatives Design, bietet ebenfalls ein Sys­tem an, um individualisierte Accessoi­res zu erstellen. »Dort erzeugt ein Algorithmus aber jeweils nur eine bestimmte Form, etwa einen Ring, während bei uns ein und derselbe Algorithmus viele verschiede­ne Formen hervorbringen kann«, erklärt Dominik Kolb. Auch betrachten er und Chris­toph Bader ihre Anwendung eher als experimentel­les Kunstprojekt denn als kommerziellen Service.

»Wenn der generative Prozess zu automatisiert abläuft, fühlt der Nutzer sich zu wenig beteiligt und nimmt das Ergebnis als beliebig wahr«

Mit SimpSymm ist es den beiden Designern auf je­den Fall gelungen, Design und Informatik auf beson­ders intuitive und technisch ausgereifte Weise zu verbinden. Dabei ist nicht nur das Bedienungskonzept gut gelöst, die mit dem Tool generierbaren Skulptu­ren bestechen darüber hinaus durch ihre Vielgestaltigkeit und Differenziertheit. Im Ok­tober 2014 wurde das Projekt beim animago Award als Bes­te Interaktive Produktion prämiert.

Konzeption des Algorithmus
Als Bader und Kolb im Herbst 2013 mit der Arbeit an dem Skulpturengenerator begannen, erstellten sie zuerst einen Kriterienkatalog für ihren Algorithmus. Damit die Ergebnisse druckbar sind, müssen die Mo­delle bestimmte technische Bedingungen er­füllen: Sie dürfen keine Überschneidungen aufweisen, sie müssen eine geschlossene Oberfläche besitzen und zudem orientierbar sein, das heißt, man muss Innen und Außen unterscheiden können.
Neben diesen (druck-)technischen Anforderun­gen sollte der SimpSymm-Output aber auch ästhetischen Ansprüchen genügen.
»Wir hatten in einer Studie gelesen, dass komplexe Objekte, die symmetrisch gestaltet sind, als formschön empfunden wer­den«, erklärt Bader. Neben Sym­metrie trage aber auch Komplexität zur Attraktivität eines Gegenstands bei. »Weil komplexe Objekte Strukturen aufweisen, die auf den Betrachter interessant wirken.« Zudem sollte der Algorithmus ein hohes Maß an Expressivi­tät zulassen, also viele verschiedene Objekte erstel­len können. Dabei soll­ten die visuellen Merkmale der Eingangs­objekte wie harte Kanten oder weiche Formen stets erhalten bleiben. Und schließlich sollte der gesam­te Gestaltungsprozess stabil sein.

Vom Algorithmus zum Schieberegler
Um dem Anwender die Möglichkeit zu geben, Einfluss auf die Gestaltung der Skulptur zu nehmen, identifizierten Christoph Bader und Dominik Kolb Parameter, die er verändern können soll. »Wenn man den generativen Prozess zu automatisiert ablaufen lässt, besteht die Gefahr, dass der Nutzer sich zu wenig beteiligt fühlt und das Ergebnis als beliebig empfindet«, erklärt Kolb. Zugleich kann man aber auch nicht alle Parameter zur Verfügung stellen, denn dann wird der mühsam erar­beitete Kriterienkatalog unter Umständen sabotiert oder das Objekt sogar zerstört. »Wir haben daher versucht, die Parameter zu finden, die den gerings­ten Schaden anrichten«, so Bader.

 

Die Lösung bestand darin, einen reduzierten, zu­sammengefassten Satz an Parametern freizugeben, der mehrere Werte steuert. Die Wertepaare ermittelten die beiden durch ausgiebiges Trial-and-Error. »Man spielt mit dem Prozess, interagiert mit ihm und kann so informierte Entscheidungen darüber treffen, was man dem User zugänglich macht«, erklärt Bader. »Den Algorithmus haben wir zunächst mathematisch formuliert und bei der Implementierung der Software die mathematische Formulierung in Regeln umgesetzt«, ergänzt Kolb. Die komplexen Rechenoperationen übertrugen sie dann in ein Interface mit Drag-and-drop-Funktionalität und Schiebereglern – Instrumente, die vielen Usern aus anderen Anwendungen bekannt sein sollten. »Auch das Interface ist letztlich durch Experimentieren ent­standen«, berichtet Dominik Kolb. »Die Steuerelemente haben wir ständig ergänzt und neu gruppiert. Wenn wir die Software einer breiteren Masse zur Verfügung stellen, wird es vermutlich noch ein Rede­sign geben.« Die mit Visual Studio 2013 erstellte Anwendung läuft auf allen Endgeräten mit Windows 8.1, wie zum Beispiel den Surface-Pro-Tablets.

Ausgefeilte 3D-Skulpturen
Das Interface bietet dem User zunächst mehrere Grundformen an, auf die der Algorithmus ange­wen­det wird. Nachdem man dem Objekt ein Mate­rial, also eine Oberflächenstruktur (»Basic«, »Grey«, »White« oder »Shiny«), zugewiesen hat, kann die Transformation beginnen. Über den »Roll«-Button konfiguriert der Anwender die Werte für die erste Manipulation (»Seed«), die das Objekt verändern, sobald er es auf die Arbeitsfläche Mitte bewegt.

»Um g­­­­­­­enau zu erklären, welche Parameter wir verändert oder wie wir es angestellt haben, dass das Objekt jederzeit druckbar bleibt, müsste ich zu viel über den Algorithmus selbst verraten«

Zentrale Stellschraube von SimpSymm ist der »Generation«-Regler. Er verändert die Komplexität des Objekts. Je weiter man ihn nach rechts schiebt, umso öfter wird der Algorithmus auf das Objekt angewendet. Die beiden Regler »Extend-Initial« und »Extend-Incremental« definieren, wie stark sich die Skulptur mit zunehmender Generation ausbreitet. Der dritte Regler in dieser Reihe – »Deformation« – bricht die Symmetrie der Objekte.
Hat der Nutzer die grundlegende Gestalt des Objekts festgelegt, kann er mit den Einstellungen »Rotation« und »Offset« entlang der drei Achsen x, y und z noch etwas Feintuning vornehmen und die Struktur modifizieren. Die Silhouette bleibt dabei erhalten. Detaillierter möchte Kolb den Algorithmus nicht beschreiben. »Um g­­­­­­­enau zu erklären, welche Parameter wir verändert oder wie wir es angestellt haben, dass das Objekt jederzeit druckbar bleibt, müsste ich zu viel über den Algorithmus selbst verraten«, hält er sich bedeckt – Designer-Betriebsgeheimnis. Alle Regler lassen sich in beliebiger Reihenfolge bedienen – so lange, bis man ein Objekt auf dem Bildschirm hat, das einem gefällt. Dann könnte man es in eine druckfähige Vorlage exportieren und bei einem Anbieter seiner Wahl produzieren lassen.

Viele Optionen, zu wenig Zeit
Was mit SimpSymm geschehen soll, darüber sind sich Christoph Bader und Dominik Kolb noch nicht so ganz im Klaren. Nachgedacht haben sie aber schon über eine Ausstellung inklusive Demonstration der Software, bei der die Besucher Skulpturen erstellen und drucken könnten. Allerdings ist die Produktions eines Objekts nicht ganz billig, je nach Anbieter und Objekt fallen mindestens 80 Euro an. »Möglicherweise lässt sich das Projekt über Crowdfunding finanzieren«, überlegt Kolb, der gerne auch Kooperationspartner ins Boot holen würde. Zudem braucht ein solches Projekt intensive Vorbereitung und gutes Marketing.
Für beides haben die Masterstudenten aktuell keine Zeit. Zum einen wollen sie ihr Studium vorantreiben, zum anderen gibt es andere, nicht weniger attraktive Optionen. »Aufgrund des explorativen Charakters unserer Software kommt man auf viele Formen, die man allein nicht hätte entwerfen können«, erklärt Bader. Diese Fähigkeit ist für eine Reihe von Branchen interessant, unter anderem Architek­ten. Auch die israelische Designerin und Archi­tektin Neri Oxman, Professorin für Media Arts and Sciences am MIT Media Lab, ist auf Dominik Kolb und Christoph Bader aufmerksam geworden und hat die beiden Designer für ein gemeinsames Projekt gewonnen. Aber auch wenn noch so vieles offen ist, soll ihr Kunstprojekt, da sind sich die beiden sicher, in einem gebührenden Rahmen abgeschlossen werden.

 

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