Grundsätzlich prägten auch in diesem Jahr wieder detailreiche und aufwendige Letterings das Bild. Die aktuelle Weltlage und Donald Trump spiegelten sich nur gelegentlich in den Artworks der TDC Communication Design 2017 Gewinner wider. Zum Beispiel bei Mark Fox und Angie Wang aus San Francisco (designisplay.com): In Anlehnung an das von Jesse Reed und Michael Bierut entwickelte H für Hillary Clinton gestalteten die beiden im September 2016 ein Trump-kritisches Plakat, auf dem der Innenraum von vier goldenen T ein Hakenkreuz bildet (siehe Bild unten). Sie hängten es nicht nur in San Franciscos Mission District auf, sondern schickten es auch an Museen in den USA und Europa, drei nahmen es in ihre Postersammlung auf: das Museum für Gestaltung in Zürich, das Plakatmuseum in Warschau und das V&A in London. Natürlich darf und muss Design politisch sein, aber vielleicht nicht immerzu. Es war jedenfalls schön, in die typografische Welt der TDC-Einreichungen einzutauchen und den ganzen politischen Schlamassel für kurze Zeit zu vergessen.
In den Beiträgen aus den USA sieht man nach wie vor viele Typoillustrationen – opulent, sorgfältig ausgeführt und mit einer schier wahnsinnigen Liebe zum Detail.
Ein Best-of der Gewinner 2017:
Street-Art-Wear
Mit eigenwilligen, Graffiti nachempfundenen Mustern macht das Label Just Another Unicorn auf sich aufmerksam. Die nur auf Bestellung angefertigten Hoodies bemalt die in New York lebende mexikanische Kalligrafin Mariana Castellanos von Hand – ein schönes Stück tragbare Kunst.
M&M
Markant und dynamisch sollte das Erscheinungsbild des Kunst- und Ausstellungsraums Materia in Québec sein und zugleich die Diversität des Programms widerspiegeln. Die Designagentur Paprika aus Montréal setzte auf das M: in vielen unterschiedlichen, aber stets monolinearen Varianten sowie in allen möglichen Anwendungen – vom Leitsystem über die Geschäftsausstattung und Website bis hin zu Stofftaschen. Das macht richtig Spaß!
Leicht verwirrt
Das Buch »Die zehn Kinder, die Frau Ming nie hatte« des französisch-belgischen Schrifstellers Eric-Emmanuel Schmitt handelt von einer Chinesin, die in ihrer Fantasie zehn Kinder, in Wirklichkeit aber kein einziges hat. Das Cover der türkischen Ausgabe gestaltete Geray Gencer aus Istanbul mit farbigen, an Kinderzeichnungen erinnernden Elementen, die zugleich eine Reminiszenz an den leicht verwirrten Geist von Frau Ming sind – viel schöner als das deutsche Cover.
Singvögel
Die Hope Singers sind ein Chor schwedischer Indie-Künstler. Ihr Debütalbum erscheint beim Label Sing a Song Fighter als limitierte Vinyl-LP. Die improvisierte Musik visualisierte das Stockholmer Designstudio Bedow mit einem Mix aus IIllustration und handgezeichneter Typo.
M is for many
Rund 30 verschiedene M bilden die Basis des Erscheinungsbilds, das Paul Garbett aus dem australischen Surry Hills für das Postproduktionsstudio Manifold, ebenfalls aus Surry Hills, entwickelte. Verbunden durch die kräftige Farbpalette, verdeutlichen sie das vielfältige Angebot von Manifold.
Großformatig
Mit A3 oder A4 gibt sich die australische Künstlerin Gemma O’Brien, Expertin für Handlettering, Illustration und Typografie, nicht zufrieden. In der Ausstellung »Mrs Eaves 101« im Laguna College of Art + Design zeigte sie letztes Frühjahr live, wie sie großformatige Wandgemälde fertigt. Da blieb manch einem Zuschauer der Mund offen stehen. Wie gut, dass sie anschließend gleich einen Lettering-Workshop gab.
Flower-Power
Seit 100 Jahren fertigt das kolumbianische Unternehmen AutoMundial Autoreifen. Zum Jubiläum startete die Designerin Arutza Rico Onzaga aus Bogotá ein Projekt, das Technik und Kunst verbindet und auf einer großen Automobilmesse in Cartagena gezeigt wurde. Das Gummi der Reifen erhielt ein Design, das vom Blumenschmuck der Virgen del Carmen, der Schutzheiligen der Lkw-Fahrer, inspiriert war. Jede Blume enthielt zudem einen Buchstaben der Bitte »Protégeme!« (Spanisch für »Beschütze mich!«) – so entstand ein äußerst ungewöhnliches Reifenprofil. Dessen Abdrücke bildeten zudem den Ausgangspunkt für die fröhliche Gestaltung von Postern, des Messestands und einer Microsite.
Industrie-Typo
Lifetime Developments, eine kanadische Immobilienfirma, beauftragte Letteringkünstler Ben Johnston mit zwei Wandgemälden für das Einkaufszentrum Liberty Market in Toronto. Seine Typoillustrationen im Vintage-Style fangen die industrielle Geschichte und lebendige Kultur des Stadtteils Liberty Village ein. Der begleitende Hashtag #LoveLibertyTO lieferte Informationen zu Aktivitäten in der Nachbarschaft und regte zu einer Diskussion über den besonderen Charme des Viertels an.
Pflanzenöl
Castrol launchte eine Serie von biosynthetischen Ölen, die zu 25 Prozent aus pflanzlichen Rohstoffen bestehen. Nicht der erste Ökoschmierstoff, aber der erste eines weltweit operierenden Konzerns. Um das neue Produkt der umweltaffinen Zielgruppe in den USA, Australien und China nahezubringen, entwickelte die Londoner Designagentur Williams Murray Hamm den Claim »The future of engine protection is plants«. Dazu kreierte sie ein Alphabet aus Zuckerrohrblättern und -stämmen, das auf Plakaten und Werbebannern zum Einsatz kam. Damit gesetzte Begriffe wie »fast«, »power« oder »oil« sollten die Verbindung zwischen der Welt der Autos und der der Pflanzen schaffen und der Kampagne einen grünen Twist geben. Greenoiling statt Greenwashing?
Antiquarisch
Bücher sind ein wichtiger Bestandteil des von Trevett McCandliss und Nancy Campbell aus New York entworfenen Editorial Designs – dabei geht’s eigentlich um Schuhe. Das B2B-Magazin »Footwear Plus« veröffentlichte eine Strecke mit Männerschuhen, das Model war ein stylisher Intellektueller. Dem würden ein paar Bücher gut zu Gesicht stehen, dachte sich das Designerduo und bildete im Opener einen Stapel alter Bücher ab. Um die Vintage-Stimmung zu betonen, verzierten die beiden die Buchschnitte mit handgeschriebener Typo – so schön, dass die Schuhe fast zur Nebensache werden.
Gut gealtert
Bei den Typoillustrationen von Kevin Cantrell aus Salt Lake City meint man fast, gleich müsste der alte Hemingway mit einem Daiquiri in der Hand auftauchen. Fünf Plakate dieses Stils umfasst die Kampagne »The Golden Age Aged Well«, die BBDO New York für Bacardis Premium-Rum Havana Club kreierte und die mit dem Glamour vergangener Zeiten spielt. Zugleich fragt sie, ob man das schöne Leben nicht in eine Flasche abfüllen könnte. Ernest Hemingway hätte sicher nichts dagegen gehabt.
(Autor: Antje Dohmann)
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Alle Gewinner aus den vergangenen Jahren befinden sich ebenso auf dieser Seite weiter unten. Auch im nächsten Jahr wird PAGE wieder exklusiv über die Gewinnerarbeiten des TDC berichten und ein Best-of an Grafikdesign und Typografie vorstellen.