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Wie weniger Gestaltung viel mehr sein kann zeigt die re:publica 23

Minimalistisch, nachhaltig und unübersehbar: Erneut hat das Berliner Studio fertig design die re:publica mit einem tollen Erscheinungsbild versehen. Wir sprachen mit Designer Norman Palm über Discounter-Style, Störer und LED.

Bild: Anne Barth/re:publica

25.000 Besucher:innen hatte die diesjährige Berliner Digitalkonferenz re:publica (5.-7.6.). Es gab über 1.000 Sprecher:innen, 608 Sessions – und ein Nachhaltigkeitskonzept, das von Jahr zu Jahr erweitert wird.

Neben Wasserspendern, rein vegetarischer Küche, Mehrwegangeboten an Foodständen und Fahrradtaxen, die Besucher:innen zu U- und S-Bahnstationen fuhren, wurde der Abfall im Vergleich zu 2019 in diesem Jahr von 68 Kubikmetern auf unglaubliche 3.5 Kubikmeter reduziert.

Auch bei der Gestaltung der re:publica für die seit vielen Jahren das preisgekrönte Berliner Studio fertig design verantwortlich ist, wird immer stärker auf Nachhaltigkeit geachtet.

Darüber – und über das großartige Design, mit dem die Gestalter die re:publica erneut mit einem unverwechselbaren Look versahen, haben wir mit Norman Palm von fertig design auf einer der Sitzlandschaften gesprochen, auf den sie den wohl weltgrößten Euroschein gedruckt haben.

Das Thema der diesjährigen re:publica ist CASH. Wie ist die Idee zu eurem Design entstanden?
Norman Palm: Wir haben das Design an das eines billigen Supermarktes, eines Discounters, angelehnt. Die schreienden Neonfarben gehören ebenso dazu wie die Störer. So nennt man in der Werbegrafik diese Sterne auf denen Schlagwörter wie billig stehen. Es geht um Geld, um finanzielle Kreisläufe und Ungerechtigkeiten, wir wollten die Veranstaltung in einen großen Markt verwandeln.

Die re:publica Hauptbühne mit Störern, Pfeilen und LED-Wänden Bild: Jan Zappner/re:publica

Die Konferenzgestaltung sieht nicht nur toll aus, sondern ist gleichzeitig auch nachhaltig.
Wir bemühen uns sehr um Nachhaltigkeit, wir versuchen dabei allem voran einfach nicht so viel zu produzieren. Wir überlegen uns genau, was wir brauchen und was eben nicht. Auch, weil es ist oft schwer, teilweise unmöglich ist herauszufinden, was die wirklich nachhaltige Variante ist. Es gibt ja selbst beim Papierdruck Diskussionen, ob es nicht mehr CO2 verbraucht, Papier zu recyclen als es auf nachhaltige Weise neu herzustellen. Unsere Programme sind in maßvoller Stückzahl klimaneutral auf Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft gedruckt. Das scheint mir momentan eine gute Lösung zu sein. Auf den Bühnen haben wir früher mit großen Drucken gearbeitet. Die Materialien waren natürlich durchmischte Kunststoffe, die man kaum recyceln kann. Mittlerweile gibt es immerhin recycelte Stoffe, doch stattdessen haben wir uns dafür entschieden, die Menge der Materialien generell zu reduzieren, die Elemente, mit denen wir arbeiten, zu reduzieren und auch nicht mehr so viel drucken zu lassen. Dabei kommt Minimalismus der Gestaltung oft zugute, die Limitation bringt die Ideen auf den Punkt.

Stimmt, die Stoffprints an den Bühnen gibt es nicht mehr.
Stattdessen hängen dort jetzt auch Störer. Sie sind aus unbehandelter Pappe und mit Neonpapier tapeziert. Das ist nicht so slick, aber der DIY-Look gefällt uns und Plastik kommt dabei gar nicht mehr vor. Oder diese riesige Wand hier, wo der wir sitzen, hat eine Pappkonstruktion und darauf sind gedruckte Plakate mit Leim aufgebracht. Vor einigen Jahren hätten wir dafür vielleicht PVC-Stoffe oder Forex bedrucken lassen. Ein Problem dabei ist natürlich, dass sich bei Events, und gerade auch bei so großen wie der re:publica, bis zum Schluss immer noch einiges ändern kann. Das heißt manche Dinge müssen dann sehr kurzfristig produziert werden. Aber gerade im nachhaltigen Bereich bedarf das meiste immer ziemlich genauer und langfristiger Planung, weil die viele ausführenden Unternehmen noch wenig darauf ausgerichtet sind. Da wird in der Regel vorher immer noch viel ausprobiert. Aber die Zeit gibt es bei Events einfach nicht. Der Preis spielt natürlich auch eine Rolle. Und der Brandschutz, der steht etlichen Materialien im Wege, muss aber natürlich sein.

Der vielleicht größte Euroschein der Welt zum drauf sitzen. Im Hintergrund: Die Pappwand mit vier Fragen. Bild: Jan Michalko/re:publica

Es ist beeindruckend, wie ihr es schafft trotz reduzierter Elemente so eine Präsenz der Identity zu schaffen und so viele Schlagpunkte auf diesem riesigen Gelände zu setzten. Wie hier mit den neonfarbenen Blitzen, Punkten oder Location-Tropfen, die von der Decke hängen.
Der Punkt weist auf den Infopoint hin, der Blitz auf die Lightning Boxes in denen Talks stattfinden. Und diese Symbole finden sich dann auch im Lageplan wieder. Das ist natürlich für uns schön, weil wir in all diese Dinge involviert sind und vor allem auch, weil wir in diesem eng mit dem Architekten Max Linnenschmidt von waschbeton zusammenarbeiten konnten, der auch für viele der Ideen mitverantwortlich ist. Das Minimalistische in Design und Architektur haben wir uns langsam erschlossen. Nicht zuletzt weil viele Events so überbordend gestaltet sind. Dabei ist mit den ganzen Ständen visuell sowieso schon so viel los, jeder bringt ja seine eigene Gestaltung mit. Deswegen wollen wir immer ein klares und starkes Design das zeigt, was die re:publica ist was auch mal Ruhe und Konzentration ermöglicht, da wir es ja mit komplexen Inhalten zu tun haben.

Effektives Minimaldesign: Papppfeile zeigen, wo die Talks in den Lightning Boxes stattfinden Bild: Jan Michalko/re:publica

Gleichzeitig haben die Stände eine übergreifende Kennzeichnung in Neonfarben und re:publica Typo.
Genau, da steht an jedem Stand noch mal der Name der jeweiligen Initiative, Stiftung, des Buchladens. Manche Stände passen sich aber auch unserem Design an.

Kennen die Ausstellenden das vorher?
Ja, sie bekommen eine kleine Übersicht, wie die Gestaltung aussehen wird und welche Farben benutzt werden. Manche passen sich an, andere setzen sich bewusst davon ab.

Und um noch mal auf die Bühnen zurückzukommen. Statt Soffbahnen gibt es dort jetzt auch LED Screens.
Genau. Diese LED Wände werden jetzt mit Grafiken bespielt. Wir sind selber fasziniert davon, wie scharf die Grafiken darauf zu sehen sind!

Und die Farben leuchten so.
Ja, das ist wirklich enorm. Ansonsten besteht das Bühnenbild ja aus den Bäckerkisten, die jedes Mal wiederverwendet werden. Vor vielen Jahren hat die re:publica sie mal in Weiß anfertigen lassen und seitdem sind sie im Einsatz. Oft als Sitzhügellandschaft und diesmal als komplettes Bühnenbild. Und sie machen sich sehr gut auf der Bühne, weil das Licht durch sie hindurchfällt. Sie wirken ganz leicht, bilden aber trotzdem eine Art Wand.

Robert Habeck im Gespräch mit Johnny Haeusler vor der großen LED-Wand auf der Hauptbühne Bild: Jan Michalko/re:publica

Und es gibt auch diese Rollbehälter, in denen im Supermarkt Waren transportiert werden.
Ja, genau. Und auch an ihnen sind Plakate oder Störer angebracht. Weil sie immer wieder weggeräumt wurden, mussten wir während des Aufbaus Schilder daran kleben, dass sie jetzt ein Bühnenbild sind und dort stehen bleiben müssen. (lacht)

Auch die bunten Monoblok Stühle, die es schon seit Jahren bei der re:publica gibt, tauchen immer wieder auf.
Die Dinge einfach immer wieder zu benutzen, gehört auch zum Nachhaltigkeitskonzept der re:publica. Es gibt ein riesiges Lager, in dem alles aufbewahrt wird. Die Möbel und auch andere Elemente werden auch oft verliehen. Erinnerst du dich an den riesigen Moby Dick, den wir mal für eine re:publica gemacht haben und der unter der Decke hing? Der ist dann auch auf einer Literaturveranstaltung verwendet worden und soweit ich weiß, wurden auch Sitzgelegenheiten daraus genäht.

Die Plakate der re:publica Bild: Jan Michalko/re:publica

Überall in der Stadt sind zudem eure Neonplakate zu sehen, die mit Geldzeichen bedruckt sind und das alles wird hier im Design weitergeführt.
Wie gesagt, arbeiten wir eng mit dem Architekten zusammen, deswegen steht das Grafikdesign nicht für sich alleine, sondern ist fest in die situative Architektur, wie sie es nennen, eingebunden. Die Gestaltung entsteht zudem immer auch im engen Zusammenspiel mit dem Team der re:publica. Wie diese große Wand hier, über die wir gerade schon gesprochen haben. Über die Fragen, die darauf stehen, haben wir gemeinsam sehr lange nachgedacht und sie sogar im Team getestet. Es war gar nicht so einfach, die richtigen zu finden.

Ich bin gestern auch schon sehr lange davor hängengeblieben. Es ist superinteressant, die Antworten zu lesen.
Ja, es funktioniert gut.

Was ist dein teuerster Besitz? Ist dort zu lesen. Was ist deine überflüssigste Anschaffung? Wofür gibst du gerne Geld aus und was könnte aus dem Sortiment genommen werden?
Es war auch ein bisschen die Idee, das Internet ins Echte zu überführen. Also die Idee, dass man die eigene Meinung hier ankleben kann. Lustig war, dass ich gestern hinter zwei Leuten stand, die meinten sie müssten so etwas auch mal auf Social Media machen. Also wieder zurück ins Netz.

Diese Tapete dahinter ist mit Packagings bedruckt, die an Spülmitten, Weichspüler und ähnliches erinnern.
Genau, es ist Verpackungsmüll. Wir wollten keine richtigen Produkte zeigen und fanden es sehr schön, dass diese Verpackungen keine Labels haben, sondern ganz clean sind. Die Idee war eigentlich, dass die Leute ihre Antworten dann wie Label auf die Produkte kleben. Aber dem sind sie jetzt nicht so akribisch gefolgt. (lacht)

Im Hintergrund Plastikmüll, darauf die Antworten der re:publica Besucher:innen Bild: Stefanie Loos/re:publica

War Cash ein gutes Thema, um damit zu arbeiten?
Auf jeden Fall. Wir arbeiten bei dem Design immer eng mit Tanja Haeusler (Gründungsteam re:publica) zusammen und zeigen am Anfang verschiedene Entwürfe. Drei waren es in diesem Jahr und der Austausch ist immer sehr schön, sehr freundlich und produktiv. So frei arbeiten kann man nur selten, das ist wirklich besonders. Das Ergebnis trägt natürlich sehr zum Erlebnis vor Ort bei und freuen uns, dass die Menschen das Design der Veranstaltung schätzen und wahrnehmen.

Unübersichtliches Gelände: Das re:publica-Leitsystem von fertig design Bild: Jan Zappner/re:publica
Claudia Roth bei ihrem re:publica Talk vor einem der Rollwagen mit dem Erscheinungsbild Bild: Stefanie Loos/re:publica
Facts zu Geld und dessen Verteilung im Discounter-Style auf dem Konferenz-Gelände Bild: Jan Zappner/re:publica
Statt Merchandise vorzuproduzieren, gab es die nachhaltige Variante: Kleidung mitbringen und bedrucken lassen Bild: Stefanie Loos/re:publica
Mo, Di, Mi: Tagespläne im re:publica-Design Bild: Jan Michalko/re:publica
Nachhaltig – und schön: re:publica-Flaggen, die sich aus den Stoffen der letzten Konferenzen zusammensetzt Bild: Stefanie Loos/re:publica

 

 

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Der Architekt Mathias Lücking, der bis 2022 maßgeblich das nachhaltigen Raumkonzept der re:publica entwickelt hat, wurde in Ihrem Artikel nicht genannt. Ohne seine Vorarbeit wäre die Raumgestaltung der diesjährigen Veranstaltung nicht möglich gewesen.

    Eine der bemerkenswerten Leistungen von Mathias Lücking war die Einführung der Bäckerkisten. Dazu kam dann das Grid für die Sponsorenstände und die modular einsetzbaren Stoffwände, alle Bauteile werden bis heute verwendet. Dieses innovative Konzept ermöglicht nicht nur eine effiziente Raumnutzung, sondern trägt auch zur Nachhaltigkeit der Veranstaltung bei. Es ist bedauerlich, dass dieses von ihm entwickelte Konzept im Artikel keine Erwähnung findet.

    Des Weiteren wurde im Artikel lediglich das preisgekrönte Berliner Studio erwähnt, ohne auf andere wichtige Beiträge zur Raumgestaltung einzugehen. Ein solcher Beitrag war beispielsweise die riesige Moby Dick Installation. Diese beeindruckende Installation war eine Idee von Mathias Lücking und ist von ihm gestaltet worden. Es ist schade, wenn solche Ideen im Nebensatz als Erfindung von fertigdesign beschrieben werden.

    Ich möchte betonen, dass der Architekt Mathias Lücking eine Schlüsselfigur bei der Entwicklung und Gestaltung der Räumlichkeiten der re:publica war. Ich bitte Sie daher, in einer zukünftigen Ausgabe Ihrer Zeitschrift diese wichtigen Beiträge von Mathias Lücking zur re:publica angemessen anzuerkennen. Seine Arbeit hat die Veranstaltung maßgeblich geprägt und verdient es, gewürdigt zu werden.

  2. Schaut zumindest alles ( Gestaltung ) schrecklich aus.

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