abriken stürzen ein und fordern Hunderte Tote, aber dennoch kaufen wir ungerührt bei H&M & Co. ein. Jessi Baker, CEO des The Provenance Project und Speaker auf der NEXT14, erzählt im Interview, warum das so ist und wie die Welt 2034 aussieht …
Auf der NEXT14, die am Montag in Berlin beginnt, werden Sie darüber sprechen, wie man das Materielle mit dem Digitalen verbindet und beschreiben, wie die Zukunft der Herstellung, des Verkaufs und Besitzes von Dingen aussieht. Was können wir erwarten?
Jessi Baker: Einen neuen Blick auf die Zukunft und die Infragestellung dessen, was wir meinen über sie zu wissen! Ich schaue mir die Geschichten hinter den Produkten an, die wir besitzen und kaufen, die Lieferketten, Rohstoffe, Prozesse und Menschen. Diese Informationen werden heute zumeist ziemlich gut verschleiert. Aber mit der steigenden Nutzung mobiler Technologien, Socialmedia und der Möglichkeit, gezielt Informationen zu verbreiten, kann man immer mehr über die Produkte erfahren, die uns umgeben. The Provenance Project ist ein Start-Up und eine R&D Group, die die Geschichten hinter den Dingen erforscht und mit unserem digitalen Leben verwebt.
Wie kommt es, dass, obwohl wir die erschütternden Bilder der Katastrophe in Bangladesch gesehen haben, immer noch Produkte kaufen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt werden? Sind diese Realitäten zu abstrakt? Die Orte zu weit weg? Was meinen Sie?
Ich glaube, es liegt noch ein weiter Weg vor uns, bis unser aller Bewusstsein dafür geschärft ist, dass wir Produkte kaufen, die in einer sozial- und umwelttechnisch annehmbaren Art und Weise produziert wurden. Da muss man noch einen großen Schritt nach vorne machen! Ich glaube, dass die Asymmetrie des Wissens, die zwischen Herstellern und Konsumenten herrscht, das Hauptproblem ist. Wir müssen verhindern, dass Firmen ihr Geld durch Ausbeutung verdienen. Aber wenn wir diese nicht sehen können und nicht mit den Produkten verbinden können, wie sollen wir sie dann boykottieren? Bei Provenance arbeiten wir mit unabhängigen Marken zusammen, die einen neuen, transparenten Weg gehen und arbeiten daran, dass Aufrichtigkeit die Norm wird und Geheimnisse ein Zeichen für Missbrauch sind.
Müssen wir neue radikale Wege gehen, um das Bewusstsein zu schärfen?
Auf jeden Fall! Sie müssen sich meinen Talk anhören. Wir arbeiten mit Open Data, mit quantifizierten Dingen, schauen uns die Herstellung in kleinem Maßstab an und das Potential des Internet of Things, da gibt es eine Menge Ideen. Aber Open Data ist unser Ausgangspunkt und unsere Grundlage.
Sie haben Provenance 2013 gegründet. Was ist das praktische Ziel dieses sozialen Unternehmens?
Wir sind nicht nur ein Business, sondern der Beginn einer sozialen Bewegung, die verändert, auf welche Weise Menschen Dinge kaufen und verkaufen. Provenance ist ein technologisches Start-Up, das Hersteller toller Produkte die Möglichkeit gibt, ihre Geschichte zu erzählen und die Käufer mit Informationen zu versorgen. Das fördert Vertrauen, Empathie und sachkundigere Einkäufe. Wir leben in der Welt, in die wir uns eingekauft haben.
Sie haben Ingenieurwesen ebenso studiert wie Design. Das scheint die perfekte Kombination zu sein, um Dinge zu entwickeln …
Ich glaube, ein Hybrid zu sein, ist kraftvoll, manchmal zumindest! Eine Zeit lang war es schon etwas trickreich, diesen Mix aus Ingenieurwesen und Design unter einen Hut zu bringen, denn in den Hochschulen und in der Arbeitswelt sind die Bereiche oft scharf voneinander getrennt. Auf jeden Fall aber hilft es mir, innovativ zu sein.
Da Ihre Arbeit sich sehr stark mit der Zukunft beschäftigt, können Sie eine Prognose abgeben, wie wir in 20 Jahren leben werden? Wie wird das Internet aussehen?
In 20 Jahren wird man das Wort digital nicht mehr benutzen – Daten werden nahtlos zwischen verschiedenen physikalischen Systemen hin- und her fließen und zwar hauptsächlich zwischen Maschinen und nicht zwischen Menschen. Deshalb war es noch nie so wichtig wie heute, wie wir die Zukunft gestalten.