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Musik + Grafikdesign

Vom LP-Cover zum iTunes-Thumbnail: Grafikdesign fürs Musikbusiness scheint immer unsichtbarer zu werden – wird es dadurch auch unwichtiger? Wir haben für Ausgabe 12.13 bei Gestaltern nachgefragt. Hier weitere Antworten und Bilder.

Vom LP-Cover zum iTunes-Thumbnail: Grafikdesign fürs Musikbusiness scheint immer unsichtbarer zu werden – wird es dadurch auch unwichtiger? Wir haben für Ausgabe 12.13 bei Gestaltern nachgefragt. Hier weitere Antworten und Bilder.

»Der Erfolg des Designs hängt oft davon ab,

wie erfolgreich die Platte ist. Das Artwork wird

dann per Assoziation großartig«

John Gilsenan, http://iwantdesign.com, London

PAGE: Was reizt dich am Grafikdesign für die Musikbranche?

John Gilsenan: Musik spielt schon immer eine große Rolle in meinem Leben. Bevor ich überhaupt daran dachte, Designer zu werden, habe ich als DJ aufgelegt und spielte in einer Band. Ich habe Kunst studiert, aber meine erste Liebe war immer die Musik. Ich hatte keine konkreten Karrierevorstellungen, habe aber immer gespürt, dass es mich ins Musikbusiness verschlagen würde. Allerdings dachte ich, dass ich selbst Musik machen würde.

Wie hast du deinen Fuß in die Tür gekriegt?

Das fiel mit dem Beginn meiner Designarbeit zusammen: In den Zeiten vor Social Media und dem Internet war ein Flyer der beste Weg, um auf eine Clubnacht aufmerksam zu machen und ihr ein Image zu verleihen. Ich konnte mir keinen Designer leisten und dachte mir, dass ich das wahrscheinlich auch könnte. Als meine Band anfing, Platten herauszubringen, habe ich auch diese gestaltet. Und obwohl es unglaublich stressig war, habe ich gemerkt, wie viel Spaß mir das macht.

Was gefällt dir besonders an der Arbeit für die Musikbranche?

Ich liebe die Leinwand, die ein Plattencover bietet und ich mag es, die visuellen Elemente zu gestalten, die ein Musikstück begleiten. Das ist jedes Mal ein spannender Prozess.

Und was gefällt dir nicht so?

Manchmal behindern knappe Budgets eine gute Idee. Die Zeit, die du in ein Projekt steckst, schrumpft nicht mit.

Was macht gutes Design für Musik aus?

Etwas, das verbindet. Oft ist es aber auch so, dass der Erfolg vom Design davon abhängt, wie erfolgreich die Platte ist. Das Artwork wird dann per Assoziation großartig.

Wie gehst du in den Design-Prozess?

Oft habe ich sofort eine Idee – vielleicht kommt sie vom Albumtitel, einem Song, einer Textzeile, einem Gespräch mit den Musikern etc. Ich habe dann eine bestimmte Vorstellung, von dem Look, den ich erreichen will. Dann muss ich mir überlegen, wie ich das am besten mache.

Wie verläuft die Zusammenarbeit mit den Musikern?

Mir ist es lieber, mit den Künstlern direkt zu arbeiten – nicht über eine Plattenfirma. Sie wählen dich aus, weil ihnen dein Stil gefällt und lassen dich meistens machen.

Arbeitest du nur für Musiker, deren Musik dir gefällt?

Gewissermaßen ja. Es kommt vor, dass ich von der Musik nicht komplett begeistert bin, aber solange ich das Gefühl habe, dass der Künstler Integrität hat, bin ich gern dabei. Wenn das nicht der Fall ist, aber das Budget riesig, muss ich zugegebenermaßen länger nachdenken. Ich lehne aber auch viele Anfragen ab.

Wie hat die Digitalisierung das Design für die Musikbranche verändert? Welche Rolle spielt Web- und App-Design in deiner Arbeit?

Natürlich macht es einen immer größeren Teil unserer Arbeit aus. Aber ich bin noch nicht an einem Punkt, wo es der Ausgangspunkt meiner Arbeit für Musikdesign ist.

»Album und Brand Design im Musikbusiness

müssen in größeren Dimensionen gedacht werden«

Seraina Silja Hürlimann, www.serainasilja.de, Zug

PAGE: Wie kamst du auf die Idee, eine Sonderedition für Lykke Li zu konzipieren?

Seraina Silja Hürlimann: Die Arbeit entstand im Rahmen der Lehrveranstaltung »Einführung in das experimentelle und konzeptionelle Gestalten« an der HTWG Konstanz.

Was war dein Gestaltungsansatz?

Die schwedische Musikerin Lykke Li inszeniert sich als schwer greifbares Mysterium — genauso ist ihre Musik. Sie weiß ihre Musik auf wunderbare Art und Weise zu verhüllen und als Gesamtkunstwerk zu präsentieren. Nur wer sich traut »die Hülle abzulegen«, kann erkennen, was hinter der raffiniert drapierten Musik steckt. Es benötigt Zeit, bis man sie und ihre Musik zu verstehen beginnt. Der Gestaltungsansatz des Packagings basiert auf diesem Prinzip und fordert dazu auf, tatsächlich »die Hülle abzulegen«. Ich wollte den Hörer auffordern, die raffiniert eingehäkelte Verpackung aufzuribbeln. Ohne den Mut, die Hülle aufzulösen, lässt sich das Rätsel um Lykke Lis Musik nicht lösen.

Wie hat sich das Design für die Musikwelt mit der Digitalisierung verändert?

Die zunehmende Digitalisierung verändert die ganze Designwelt. Es besteht ein ständiger Wandel und der Musikmarkt ist ein Teil davon. Ich glaube, dass die Digitalisierung neue Denkansätze fordert und Album und Brand Design in größeren Dimensionen gedacht werden müssen. Ich mache mir aber keine Sorgen um die analogen, haptischen Album Designs. Es wird immer Bedarf an gedrucktem, echtem Cover Design geben.

»Musiker und Musikanbieter sind heute ständig auf der Suche,

die Beziehung zu den Hörern digital zu reaktivieren

und neu zu denken«

Kevin King, www.thisisgoodness.com, London

PAGE: Was ist Secret 7?

Kevin King: Das Projekt Secret 7 verbindet Musik und Kunst und findet dieses Jahr zum zweiten Mal statt. Wir nehmen sieben Songs bekannter Musiker – unter anderem Elton John und Public Enemy – und lassen sie je 100 Mal auf Vinyl pressen. Bekannte und unbekannte Fotografen, Illustratoren, Maler, Graffiti-Künstler, Mode- und Grafikdesigner kreieren Artworks für diese Singles, die dann eine Woche lang in London ausgestellt werden. Am letzten Tag können die Besucher für je 40 Pfund eine Platte kaufen – welchen Song sie haben, erfahren sie erst nachdem sie bezahlt haben. Sämtliche Einkünfte spenden wir an eine wohltätige Organisation.

Wieso ist das Projekt erfolgreich?

Das hat verschiedene Gründe: die Popularität von Vinyl, die Aufregung um das Lüften von Geheimnissen, die Anziehungskraft von künstlerischen Einzelstücken und deren Erschwinglichkeit zum Beispiel. Am wichtigsten für den Erfolg sind aber die kreativen Talente, die für den guten Zweck ihre Zeit und Fähigkeiten investieren.

Wer waren die berühmtesten Teilnehmer?

Dieses Jahr waren zum Beispiel die Modeschöpfer Gilbert & George und die Künstler Ai Weiwei und David Shrigley unter den 500 Kreativen. Wir haben alle Platten innerhalb ein paar Stunden verkauft und rund 30.000 Pfund für die Organisation Art Against Knives eingenommen.

Welche Rolle spielt Grafikdesign heute noch im Musikbusiness?

Ich denke, es spielt immer noch eine riesige Rolle und ist spannender als je zuvor. Die Verlagerung hin zur digitalen Nutzung hat maßgeblich verändert, wie wir heute Musik erleben. Musiker und Musikanbieter sind deshalb ständig auf der Suche, die Beziehung zu den Hörern digital zu reaktivieren und neu zu denken – sei es durch digitale Booklets oder ganz neue Erfahrungen, wie sie Björks App »Biophilia« oder die interaktiven Musikvideos von Arcade Fire erschaffen. Gleichzeitig steigen die Vinyl-Verkäufe von Jahr zu Jahr. Die Faszination mit dem haptischen Produkt ist also ungebrochen.


Die Artworks der interviewten Gestalter sowie weitere Arbeiten der im Heft vorgestellten Designer sehen Sie in unserer Bildergalerie.

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