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For you the Traveller – der etwas andere Reiseführer

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eiseführer mit persönlicher Note: Statt Fotos und Sehenswürdigkeiten stellt der Künstler Nabil Sabio Azadi Menschen vor, die den Leser vor Ort herumführen.

 


Schon das Cover aus recyceltem Hasenfell und tasmanischem Eichenholz lässt erahnen, dass es sich bei »For you the Traveller« nicht um einen 08/15-Reiseführer handelt. Handgemalte Landkarten und typografische Spielereien verleihen dem Buch den Look alter Reisetagebücher aus dem 19. Jahrhundert (siehe Galerie). Noch außergewöhnlicher ist die Idee hinter dem Projekt: Jeder Ort wird anhand eines Menschen vorgestellt, der dort lebt. Eine Geschichte aus dessen Leben und seine Telefonnummer sollen den Leser ermutigen, sich einen ganz persönlichen Eindruck zu verschaffen. Insgesamt umfasst das Buch 27 Personen auf fünf Kontinenten.

Eigentlich ist der iranisch-neuseeländische Künstler Nabil Sabio Azadi auf Fotografie und Bildhauerei spezialisiert, aber dieser «Human Guide to the World« sei eine Idee gewesen, die er einfach verwirklichen musste. Jedes der 200 Bücher hat er in Handarbeit selbst gefertigt. Wir sprachen mit ihm über das Projekt.

 

 

PAGE: Wann haben Sie mit der Arbeit an »For you the Traveller« begonnen?

 

Nabil Sabio Azadi: Im Juni 2012. Anfangs war ich unsicher, wie man ein solch ausgefallenes Buch zusammenstellen könnte und ich habe mich nach Leuten umgesehen, die mir dabei helfen. Ich wusste, dass sie von überall auf der Welt herkommen sollten – über alle Altersklassen, Abstammungen und politischen Ansichten hinweg. Sie sollten möglichst unterschiedlich sein, sich aber darin gleichen, dass sie ihren Mitmenschen helfen wollen – sowohl im praktischen als auch im spirituellen Sinne. Ich habe dann versucht, in Foren und Communitys Leute zu finden – mit Fragen wie: »Glauben Sie, dass alle Menschen von Natur aus gut sind? Finden Sie es heraus.« Es gab wenig Rücklauf. Während ich immer verzweifelter auf der Suche war, dachte ich an meine eigenen Abenteuer und die vielen Bekanntschaften, die meine Reisen unvergesslich gemacht haben. Mir wurde klar, dass ich bereits einige Menschen kenne, auf die ich zurück greifen konnte.

Wie haben Sie die Leute überzeugt, mitzumachen?

Das war nicht schwer. Der Typ Mensch, den ich im Auge hatte, war genau der Typ, der zu so etwas Lust hat.

Wie werden die einzelnen Bände produziert?

 

Ich hatte keinerlei Erfahrung in Illustration vor diesem Buch. »For you the Traveller« war eine Übung darin, Zweifel zu durchbrechen. Der Cover aus (recyceltem) Hasenfell musste einfach sein – aber es war sehr unorthodox und die achtzigjährigen Buchbinder, die ich aufsuchte, waren sehr skeptisch. Am Ende habe ich es aber geschafft. Die Bearbeitung des tasmanischen Eichenholzes beinhaltet  Schneiden, Bohren, Schleifen und mehrfaches Polieren mit Bienenwachs – sie ist sehr zeitaufwendig und emotional involvierend.

Mein ganzer Geist muss in meinen Händen liegen, wenn ich die Bücher anfertige, sonst funktioniert es nicht. Keine Ablenkungen. Ich höre Musik bei der Arbeit – aber immer denselben Song auf Repeat. Ich bin PJ Harvey was schuldig – ich habe seinen Song »The Words That Maketh Murder« ungefähr 16.000 Mal gehört. Aber ich mache die Arbeit gerne – in dem Wissen, dass jedes Buch jemandem etwas viel Größeres gibt als acht Stunden meiner Zeit

 

 
Was ist Ihr Hintergrund? Reisen Sie selbst gern?

Ich bin Künstler und in gewisser Weise ein Wanderer. Meine Eltern sind aus dem Iran und haben das Land vor 30 Jahren verlassen. Sie sind zuerst nach Venezuela gegangen und dann nach Neuseeland, wo ich geboren  und aufgewachsen bin. Rastlosigkeit hat also Tradition in unserer Familie.

Nach einer Kindheit mit esoterischen Tendenzen und einer innigen Beziehung zur Natur bin ich mit 18 Jahren nordwärts nach Europa gezogen und habe als Fotograf und Schriftsteller gearbeitet. Nach Brisbane bin ich zurückgekehrt, weil ich die Nähe zur Natur vermisst habe. Außerdem lief es in Europa nicht sehr gut für mich – ich war sehr einsam und gestresst. In dieser Zeit verstand ich erst, welcher Art von Arbeit ich nachgehen und wie ich mein Leben führen möchte. Da beides unter den Umständen in Europa nicht möglich war, kehrte ich auf die Antipodeninsel zurück.

Brisbane hat den Ruf, nicht sonderlich interessant zu sein – aber genau das finde ich interessant. Es ist eine außergewöhnliche Stadt mit viel Beton, der einen niederdrückt – und einer immensen Wildnis außerhalb der Stadtgrenzen. Die Stadt lässt mir Raum zum Atmen, zum Träumen und zum Umsetzen meiner Ideen.

Inwiefern passt »For you the Traveller« zu ihren anderen Werken?

 

Mein einziges Ziel ist, den Menschen mit meiner Kunst einen Sinn für Solidarität zu vermitteln. Eine der wesentlichsten Formen von Solidarität ist Kameradschaft und »For you the Traveller« ist eine direkte Umsetzung dieses Gefühls und der Liebe zu anderen Menschen. Außer Menschen zusammenzubringen, ist das Buch auch eine Sammlung von Parabeln – jede Telefonnummer geht mit einer Geschichte der Person einher, aus der sie fürs Leben gelernt hat. Für mich bedeutet Solidarität auch den Austausch universeller Erfahrungen und Emotionen, um den Menschen wieder einen Sinn für Gemeinschaft zu geben.

Das ist die Essenz meines Schaffens. Ich bin kein intellektueller Künstler und meine Arbeiten sind nicht kalkuliert. Ich habe ein betriebsames Innenleben, in dem Dinge von allein entstehen, die ich dann ins Materielle übersetze.

 


»For you the Traveller« ist in einer limitierten Auflage von 200 Exemplaren erhältlich. Eine Ausgabe kostet 100 Euro, die an die Schweizer NGO Nouvelle Planete gespendet werden. Bestellbar unter www.foryouthetraveller.com.

»For you the Traveller«: Cover
1/7
»For you the Traveller«: Auckland
2/7
»For you the Traveller«: Auckland
3/7
»For you the Traveller«: Lemnos, Griechenland
4/7
»For you the Traveller«: Wye
5/7
»For you the Traveller«: Teheran
6/7
Nabil Sabio Azadi
Bild: Angela Ferro (angelakaja.com)
7/7
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