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Dieses Cover-Design ist gründlich schiefgegangen

Retro-Design ist angesagt, aber der falsche Umgang mit gestalterischen Zitaten kann richtig gefährlich sein

Jede Menge Protest rief das Cover für das aktuelle Magazin »M« von »Le Monde« hervor – mit Recht. Offenbar hatten die Designer von Frankreichs berühmtester Zeitung einen Black-out.

Es ging um den französischen Präsidenten, der es zur Zeit bekanntlich nicht leicht hat. Die Titelzeile lautet »Vom Regierungsantritt bis zu den Gelbwesten – die Champs-Elysées, Theater der Macht von Macron«. Der Look des Titelblatts sah in den Augen vieler Betrachter so aus, als werde Frankreich von einem neuen Hitler regiert. Die Aufregung war groß, es wirkte, als sei die renommierte »Le Monde« zum Kampfblatt geworden, das jetzt radikal gegen den Präsidenten zu Felde zieht. Und das in einer Zeit, in der die politische Lage in Frankreich nicht gerade stabil ist.

 

 

Doch siehe da: Die ganze Affäre stellte sich als Designfehler heraus. In diversen Print- und Online-Entschuldigungen erklärten die Blattmacher, man habe die visuelle Sprache der russischen Konstruktivisten zitieren wollen, deren Lieblingsfarben ebenfalls Schwarz und Rot waren. Außerdem habe man an die Arbeiten von Lincoln Agnew angeknüpft, der schon in der Vergangenheit diverse Cover für »M le magazine du Monde« entwarf.

Okay, ein Vergleich mit Hitler war immerhin nicht gewollt. Man fragt sich aber auch, ob der russische Konstruktivismus bei dem Thema wirklich etwas zu suchen hatte. Sollte angedeutet werden, dass Frankreich mit den Gelbwesten eine Art große russische Revolution bevorsteht? Wohl nicht ernsthaft. Wir vermuten, dass hier einfach Gestalter am Werk waren, die sich gedankenlos an einem visuellen Formenrepertoire der Vergangenheit bedient haben. Manchmal muss man aber auch als Designer in Geschichtsbücher schauen.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. M in Fraktur ist einfach das Symbol für Le Monde. Und Rot Weiss Schwarz gibt es immer beim Magazine M auf dem Cover zu sehen. Jetzt aber eine sehr unglückliche Kombination.

  2. Sie haben recht: die Designer von Le Monde müssen ein Black-out gehabt haben. Die Assoziation zur Ästhetik der Nazis ist schlichtweg nicht zu leugnen. Wenn ein Grafiker dies ignoriert, ist er entweder komplett unpolitisch oder böswillig.

    Ignorante können natürlich darauf verweisen, das die von den Nazis ab 1933 wieder populär gemachte Fraktur 1941 wieder von ihnen verboten werden sollte. (Angeblich, weil Hitler die Schrift als zu romantisch kritisiert hatte.) Um dabei selbstverständlich zu übersehen, wie gern gerade Neonazis diese Schrift nutzen, um NS-verherrlichende Botschaften auf ihrer Kleidung oder ihren Körperteilen zu verewigen.

    Übrigens benutzte auch Klaus Staeck gerne Frakturschriften, um einen nationalsozialistischen Assoziationsspielraum zu eröffnen. Ebenso »sprechen« alte und neue Nazis in Graphic Novels und in Comics gerne in Frakturschrift. Und komme mir jetzt bitte niemand damit, das die Goten bei »Asterix und die Goten« »Fraktur sprechen«. Selbstverständlch kommt es immer auf den Kontext an. Und der ist bei Asterix ein anderer, als bei Neonazis. Und wer einmal »Macron Hitler« bei Google eingibt, weiss, was für eine üble Diffamierungskampagne von rechtsextremen Antidemokraten gegen Macron gefahren wird. Da verbietet sich eine solche Coverästhetik. Erschreckend, das Le Monde nicht aufgefallen ist, was für eine unsägliche Botschaft sie notverbal-visuell mit ihrem Cover transportierten.

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