Deutschland führte zum dritten Jahr in Folge das Länder-Ranking bei den Design Lions an. Wir sprachen mit Kirsten Dietz, Geschätsführerin Strichpunkt Design und Mitglied der Design-Jury, darüber, warum deutsches Design international so erfolgreich ist und über Trends im internationalen Design.
Deutschland führte zum dritten Jahr in Folge das Länder-Ranking bei den Design Lions an. Wir sprachen mit Kirsten Dietz, Geschätsführerin Strichpunkt Design und Mitglied der Design-Jury, darüber, warum deutsches Design international so erfolgreich ist und über Trends im internationalen Design.
PAGE: In diesem Jahr gingen 25 Design-Lions nach Deutschland. Wieso ist deutsches Design in Cannes so erfolgreich?
Kirsten Dietz: Wir hatten eine sehr hochkarätig besetzte Jury, die dem deutschen Design von vornherein einen hohen Respekt entgegen brachte. Die eingereichten Arbeiten aus Deutschland waren sehr gut, das kristallisierte sich schon nach dem ersten Sortieren heraus. Viele Agenturen wissen mittlerweile, dass nicht nur die Idee zählt, sondern auch die Umsetzung. Sie wissen, dass Grafik-Design mehr ist als etwas, das einen zum Lachen bringt oder stutzig macht. Das ist ein Trend, den deutsche Agenturen weiter manifestiert haben.
Wodurch unterscheidet sich deutsches Design von anderen?
Ich kann da keine spezifischen Materialien oder Fertigkeiten nennen. Es ist eher der Gesamtaspekt: Eine gewisse Sorgfalt von der Idee bis zur Ausführung. Viele hiesige Ideen haben einen Aha-Effekt, der auch visuell überzeugt.
Wie war die Qualität der Einreichungen?
Es waren sehr hochwertige Arbeiten dabei. Die Cannes Lions sind traditionell ein Werber-Festival und die Kategorie Design gibt es erst seit vier Jahren. Die eingesendeten Arbeiten sind daher fast ausschließlich von großen Agenturen. Nur wenige kleinere Design-Büros haben eingereicht – das gilt sowohl für Deutschland als auch international. Ich glaube, da geht noch sehr viel mehr. Es ist zwar schön, dass Deutschland in diesem Jahr so gut abgeschnitten hat. Aber ich weiß, dass international auch sehr viel passiert, z.B. in Japan. Ich würde mir wünschen, dass kleinere Agenturen auch aus anderen Ländern mehr einreichen.
Reicht Deutschland generell mehr ein?
Ja. Ich denke, das liegt am hiesigen Rankingmarkt. Ein Lion ist da sehr viel Wert. Diese Ranking-Kultur gibt es in vielen anderen Ländern gar nicht.
Wie verlief die Jury-Arbeit?
Es gab eine tolle Diskussion und Auseinandersetzung, es fand ein reger Austausch statt. Bei vielen Wettbewerben ist es so, dass jemand eine Arbeit durchboxen will – das war in Cannes gar nicht der Fall. Wir hatten eine sehr neutrale und an der Sache interessierte Jury. Wenn die Cannes-Organisatoren in den nächsten Jahren weiterhin die Jury so zusammen setzen, dass eine Diskussion auf einem so hohem Level möglich ist, dann wird die Bedeutung des Festivals für die Designbranche sicher noch größer.
Sie saßen bereits in vielen Jurys. Ist Cannes also etwas besonderes?
Ja, auf jeden Fall. Ich war zunächst skeptisch, wie bei einem traditionellen Werbe-Festival mit Design umgegangen wird. Ich war dann aber sehr positiv überrascht, dass die Jury so fundiert zusammen gesetzt war und die Bewertung deshalb so viel Spaß gemacht hat. Ich denke, jeder der 15 Jury-Mitglieder aus allen Teilen der Welt ist zufrieden und glücklich aus dieser Erfahrung heraus gegangen.
Was war Ihre persönliche Lieblingsarbeit?
Der MTV-Film mit den Luftballons. Nicht nur der Spot an sich, auch der Case-Film mit dem Making-of war toll. Eine simple Idee, die einfach total liebenswert ist.
Ließen sich irgendwelche Trends ausmachen im internationalen Design?
Der Trend geht sicherlich dahin – und das ist eine branchenübergreifende Entwicklung –, dass es nicht mehr nur einen Bereich gibt, dem man bedient, sondern dass Ideen übergreifend stattfinden. Architektur, Digitale Medien und Print – alles greift ineinander. Es geht nicht mehr nur um ein Logo, das losgelöst existiert, sondern es wird interdisziplinär gearbeitet. Ein Grafikdesigner macht heute nicht nur Print und eine Architekt baut nicht nur Häuser. Das Hotel The Cosmopolitan Las Vegas, das wir ohne große Diskussionen mit dem Grand Prix auszeichneten, ist ein gutes Beispiel. Hier haben Leute aus verschiedenen Disziplinen sehr eng zusammen gearbeitet und daraus ist etwas Tolles entstanden.
Die Integration von Kampagnen und die Frage, ob die jetzige Kategorisierung noch sinnvoll ist, waren ein großes Thema in diesem Jahr. Sind Sie der Meinung, dass die Kategorie Design neue Unterkategorien braucht?
Dadurch, dass alles zusammenwächst, tun sich in der Tat einige Fragen auf. Es gibt beim Design sehr viele Unterkategorien, wodurch manche Arbeiten zum achten oder zehnten Mal auf dem Jury-Tisch lagen – mit dem Erfolg, dass man sie nicht mehr sehen konnte. Es wäre sinnvoll, das ein bisschen einzudampfen. Aber dahinter steckt natürlich auch ein wirtschaftlicher Gedanke.
Wie war die Stimmung im Cannes generell?
Ich war zum ersten Mal dort und habe keinen Vergleich. Ich hatte tolle Jury-Kollegen und natürlich: Ein Festival ist immer auch ein Fest! Ich würde es auf jeden Fall wieder machen.
Einen Rückblick auf das Cannes Festival 2011 bietet unser Online-Special.